Süddeutsche Zeitung

Christian Drosten gegen Roland Wiesendanger:Teilerfolg für Drosten

Der Physiker Roland Wiesendanger hatte in einem Interview behauptet, Christian Drosten habe "die Öffentlichkeit gezielt getäuscht". Das untersagt nun das Hamburger Landgericht - andere Aussagen hält es jedoch für zulässig.

"An dieser Stelle ist am 2. Februar 2022 ein Interview mit dem Physiker Roland Wiesendanger erschienen," heißt es seit Montag in einer Stellungnahme in eigener Sache auf der Webseite von Cicero. Der Chefredakteur des Magazins, Alexander Marguier, erklärt dort, warum der Beitrag, in dem Wiesendanger dem Virologen Christian Drosten vorwarf, die Öffentlichkeit über den Ursprung des Coronavirus getäuscht zu haben, "vorübergehend offline" genommen wurde.

"Wegen einzelner Aussagen Wiesendangers hat der Berliner Virologe Christian Drosten entschieden, juristisch gegen Herrn Wiesendanger und diesen Beitrag vorzugehen." Cicero prüfe die einzelnen Punkte derzeit juristisch und warte die inhaltlichen Ergebnisse der Auseinandersetzung zwischen Christian Drosten und Roland Wiesendanger ab. Darauf werde man zu gegebenem Zeitpunkt reagieren.

Dieser Zeitpunkt könnte nun deutlich näher gerückt sein: Nach Informationen von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung hat das Hamburger Landgericht nun einen Entschluss gefällt - den man als eine Art Unentschieden deuten kann. Die Verbreitung einiger Aussagen wird Wiesendanger untersagt, andere halten die Richter für gedeckt. Dementsprechend deuten die Anwälte beider Parteien den Entschluss unterschiedlich. Lucas Brost, der Rechtsbeistand des Physikers Wiesendanger, sieht einen Erfolg für die Meinungsfreiheit. Sein Kollege Gernot Lehr, der den Virologen Dorsten vertritt, sagt hingegen, das Gericht habe die zentralen Aussagen von Wiesendanger untersagt. "Dies zeigt, dass die Polemik des Herrn Wiesendanger keine Tatsachengrundlage hat."

"Das muss und werde ich mir nicht gefallen lassen", sagte Drosten

Dass Drosten "die Öffentlichkeit gezielt getäuscht" habe, das darf Wiesendanger demnach nicht mehr behaupten, für diese Aussage sahen die Richter keine "hinreichenden Anknüpfungstatsachen" in Wiesendangers Argumentation. Seine Formulierungen, Drosten würde "Unwahrheiten" verbreiten und eine "Desinformationskampagne" fahren, hielten sie hingegen für zulässig: Dies sei ein bloßer "Gegenschlag", nachdem Drosten gemeinsam mit anderen Forschern ein Statement veröffentlicht hatte, in dem ähnliche Formulierungen zu finden waren. Dieser im Fachblatt Lancet veröffentlichte Text widersprach der von Wiesendanger verbreiteten Laborthese, nach der das Coronavirus in einem chinesischen Labor gezüchtet worden sein könnte.

In einem SZ-Interview hatte Christian Drosten direkt nach der Veröffentlichung im Cicero von "haltlosen Anschuldigen" gesprochen und Anfang März angekündigt, sich juristisch zur Wehr zu setzen. "Diese Verleumdungen haben eine ansteigende Kurve. Das muss und werde ich mir nicht gefallen lassen", sagte er damals.

Bereits im Januar hatte sich Drosten dagegen gewehrt, dass die Welt in Frageform darüber räsonierte, ob er seine Aussagen zur Kontakthäufigkeit von Kindern in der Schule eher "auf allgemeine Erfahrungen" stütze, "wie sie jeder Laie im Alltag sammelt". Das Landgericht in Hamburg hielt dies für eine rhetorische Frage und erließ eine Unterlassungsverfügung.

Dass der aktuelle Entscheid des Landgerichts weder als Sieg für Drosten noch als volle Niederlage für Wiesendanger zu werten ist, zeigt die verfügte Kostenaufteilung: Der Virologe und der Physiker müssen sich die Gerichtskosten teilen. Wiesendangers Anwalt sagte jedoch auf Anfrage, dass er auch gegen die jetzt vom Gericht untersagten Äußerungen Widerspruch einlegen wolle - mit einer Ausnahme, bei der Wiesendanger nach Ansicht des Gerichts ein "Fehlzitat" unterlaufen ist. Der Physiker hatte sich hier auf eine Aussage Drostens in seinem Podcast bezogen und sieht hier wohl von einer weiteren Anfechtung ab.

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