Süddeutsche Zeitung

Print:Raus aus der Hauptstadt

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Nach mehr als acht Jahren als Chefredakteur verlässt Christoph Schwennicke das Politmagazin "Cicero" und verkauft auch seine Anteile an dem Verlag Res Publica.

Von Willi Winkler

Zeitschriften sind ein Luxusgeschäft und für den jeweiligen Verlag deshalb oft ein Zuschussgeschäft. Der Schweizer Ringier-Verlag wollte sich den Luxus leisten und brachte 2004 das Magazin Cicero auf den deutschen Markt. Es sollte gediegen mitreden in der Hauptstadt, aber leider ist Berlin nicht Washington und Cicero beim besten Willen kein Atlantic und schon gar kein New Yorker. Es fehlt auch, was vielleicht das größte Problem ist, an gehobenen Hotels, in denen sich das Magazin für restbildungsbürgerliche Lobbyisten auslegen ließe.

2016 übernahmen die Chefredakteure Christoph Schwennicke und Alexander Marguier Cicero mit etwas Startkapital von Ringier und waren seither gleichzeitig Eigentümer; ihren Verlag, in dem auch das Kunstmagazin Monopol erscheint, nannten sie den Inhabern des Kleinen Latinums zuliebe Res Publica. Ende Dezember kam es nach mehr als acht gemeinsamen Jahren zur Trennung: Schwennicke verlässt Cicero, um, wie es in bester Pressemitteilungsprosa heißt, "noch einmal neue Wege zu gehen". Er scheide, versichert Marguier in der gleichen Verlautbarung etwas arg überschwänglich, "im vollen gegenseitigen Einvernehmen und in alter freundschaftlicher Bande". Beide wollen gegenüber der SZ nichts darüber hinaus sagen.

Schwennicke hat seinen Halbanteil an den Frankfurter Unternehmer Dirk Notheis verkauft, der die Kapitalgesellschaft Rantum führt. Als Investmentbanker bei Stanley Morgan beriet er vor zehn Jahren den damaligen baden-württembergischen Ministerpräsidenten Stefan Mappus beim Kauf des Energiekonzerns EnBW. Ein Ermittlungsverfahren wegen Beihilfe zur Untreue wurde eingestellt. Cicero soll aber keine Investition sein, Notheis hat sich mit seinem Privatvermögen eingekauft, will sich nicht in redaktionelle Belange einmischen und versteht das Engagement als seinen Beitrag zur "pluralistischen Meinungslandschaft".

Als Schwennicke vom Spiegel zu Cicero kam, versprach er einen großflächigen Pluralismus nach einem Wort des ehemaligen Bundespräsidenten Joachim Gauck: links, liberal und konservativ gleichzeitig. Cicero, das bei Schwennickes Vorgänger Michael Naumann eher der SPD zugeneigt war, fand sein neues Meinungsfeld, auch wenn er es als konservativ-liberal beschrieb, zunehmend zur Rechten der CDU. Im Herbst 2015 hatte Cicero einen Gegner gefunden: Angela Merkel. Die Kanzlerin machte nicht nur wegen ihrer Flüchtlingspolitik alles falsch, sie hatte auch ihre Partei sozialdemokratisiert. Der Biopolitiker Thilo Sarrazin fand bei Cicero die Anerkennung, die anderswo ausblieb. Der Feuilletonchef Alexander Kissler stellte für die Leserinnen und Leser klar: "Wo Sarrazin Recht hat". Im vergangenen August ist er zur Neuen Zürcher Zeitung gewechselt, wo er mit seiner messdienernden Kulturkritik deren stramm rechtes Deutschlandfenster verstärkt.

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