CIA-Anfrage von 2010:Journalist im Visier

NDR

Im Jahr 2010 reiste der Journalist Stefan Buchen nach Jemen - und rückte infolgedessen ins Visier der CIA.

(Foto: Markus Krüger/NDR)

Nimm, was du kriegen kannst und lass dich dabei nicht erwischen: Diesem Credo aller Geheimdienste folgte die CIA anscheinend, als sie 2010 Auskunft über einen deutschen Journalisten verlangte. Es zeigt die Chuzpe der Dienste - denn die Pressefreiheit ist ein konstituierendes Element der deutschen Demokratie.

Von Hans Leyendecker

Es war eine kurze, intensive Recherche in einer schwierigen Gegend. Anfang Februar 2010 reiste der Journalist Stefan Buchen, heute 44, nach Jemen, um über junge Deutsche zu berichten, die in dem armen südarabischen Land möglicherweise zu Kriegern ausgebildet wurden.

Auch recherchierte Buchen über den Stellvertreterkrieg der beiden Regionalmächte Iran und Saudi-Arabien, der in der Provinz Saada tobte. Kampfjets der Saudis hatten im Auftrag der Regierung die Stellungen der schiitischen Aufständischen bombardiert, die angeblich Waffen und Geld aus Iran erhielten. Buchen wollte auch mit dem Scheich Abd al-Madschid al-Sidani sprechen, den Experten den "Roten Scheich" nennen, weil er einen roten Bart hat. Die Amerikaner haben ihn auf ihre "Global Terrorists"-Liste gesetzt.

Das Ergebnis von Buchens Reise waren, so schien es bislang, sehenswerte Filmbeiträge, doch sein Einsatz führte noch zu einem anderen Resultat: Der amerikanische Geheimdienst CIA fragte, wie der Spiegel berichtet, bei den deutschen Nachrichtendiensten, mit denen sie in Neuss eine Anti-Terror-Datenbank namens "Projekt 6" aufgebaut hatten, nach, was es mit dem Journalisten aus Hamburg auf sich habe. Der Journalist habe versucht, zu al-Sindani Verbindung aufzunehmen. Die Passnummer und das Geburtsdatum des Journalisten, der vorzugsweise für den NDR arbeitet und auch Mitarbeiter der Süddeutschen Zeitung ist, wurden mitgeliefert. Auch teilte die CIA mit, dass sich der Journalist "mehrfach" in Afghanistan aufgehalten habe. Buchen spricht die afghanische Landessprache, sowie Arabisch, Persisch und Hebräisch. "Projekt 6" existierte nach Angaben des deutschen Verfassungsschutzes (VS) von 2005 bis 2010. Es war eine Kooperation von VS, BND und CIA.

Was die deutschen Dienste den Amerikanern über den deutschen Journalisten mitgeteilt haben, ist bislang nicht bekannt. Auf Anfrage erklärt das Bundesamt für Verfassungsschutz, die Zusammenarbeit mit der CIA auf "Grundlage der deutschen Rechtsbestimmungen" durchgeführt zu haben. Alles in Ordnung?

Die Geschichte über "CIA, Außenstelle Neuss" (Spiegel) ist also nicht nur eine Geschichte über eine Einrichtung wie das Geheimprojekt "Projekt 6". Allein das Ansinnen eines amerikanischen Dienstes im Fall Buchen zeigt die Chuzpe der Dienste.

Pressefreiheit ist in Deutschland ein konstituierendes Element der Demokratie, niedergelegt in Artikel 5 des Grundgesetzes. Wie kam die CIA auf die Idee, dass deutsche Dienste bei der Ausspähung eines kritischen deutschen Journalisten, der in Jemen oder Afghanistan recherchiert hat, behilflich sein könnten? Anders gefragt: Hätten amerikanische Dienste eine solche Anfrage zugelassen, wenn ein deutscher Dienst sich um Hintergründe zu einem bekannten amerikanischen Journalisten interessiert hätte? Da können, trotz aller Narreteien und Verhärtungen der amerikanischen Politik im Kampf gegen Whistleblower wie Bradley Manning oder Edward Snowden amerikanische Behörden empfindsam reagieren.

Der Fall Buchen ist also mehr als eine Fußnote in dem Skandal um die totale Ausspähung, der mit den Namen der Geheimdienste NSA und Government Communications Headquarters (GCHQ) verbunden wird. Bislang ging es um die alles umfassende, aber irgendwie doch anonyme Ausspähung. Jetzt gibt es einen Namen.

Klar: Ein Geheimdienst ist ein Geheimdienst ist ein Geheimdienst, und die Grundregeln aller Geheimdienste sind ähnlich: Nimm, was du kriegen kannst, lass dich dabei nicht erwischen und halte dicht, solange es eben geht.

Interessant ist die Personalie Buchen aber auch aus einem anderen Grund: Buchen habe sich "auf investigativen Journalismus über Terrorismus spezialisiert" hatte laut Spiegel die CIA notiert. Buchen ist aber kein Journalist, der über den Terrorismus so berichtet hat, wie es den Diensten wohl gefällt. "Ich bin kein Islamistenjäger" sagt er. Ihn interessieren auch Regionen und die Konflikte in diesen Regionen, "und da gibt es nicht nur Schwarz und Weiß". Der Fall des aus dem Saarland stammenden Islamisten Eric Breininger, der in den Heiligen Krieg zog, hat Buchen "nachdenklich gemacht", wie er sagt. Dessen Gefährlichkeit sei in Deutschland aufgebauscht worden. "Der Mann war allenfalls ein Hauptschüler des Dschihad."

Als er sich mit dem Werdegang des angeblich brandgefährlichen Staatsfeindes beschäftigte, der 2010 bei einem Gefecht mit pakistanischen Soldaten starb, kam er zu dem Ergebnis, dass sich da "Propaganda eines Islamisten und Propaganda der Dienste seltsam ergänzt" hatten.

Buchens Berichte aus Afghanistan waren aus Sicht der Dienste auch keine Bewerbung für dienstliche Unterstützung. So hatte er 2008 ein Dorf besucht, in dem drei Menschen gelebt hatten, die an einem Checkpoint der Bundeswehr getötet worden waren. Ein Soldat hatte auf ein Auto gefeuert, eine Frau und zwei Kinder waren gestorben. "Ich habe erlebt, wie die Bundeswehr, wie ein Dorf, ein Stück Afghanistan verloren hat", sagte Buchen in einem Beitrag für das NDR-Magazin Panorama.

Die Recherchen in Jemen 2010, die der CIA ebenso wie Buchens Afghanistan-Besuche auffielen, führten den Journalisten nicht nur in Moscheen, dunkle Gassen und Elendsviertel, sondern auch in die deutsche Botschaft in Sanaa. Der damalige deutsche Botschafter lud Buchen zum Gespräch ein. Er wurde ein Jahr später Krisenbeauftragter und Leiter des Krisenreaktionszentrums im Auswärtigen Amt. Das Wort Krise passt zu NSA, CIA, GCHQ und auch irgendwie zum Fall Buchen. Es ist eine Vertrauenskrise des Staates.

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