Wenn Christian Ulmen mit Baseballcap, fleckiger Brille und sperrigem Gebiss in das blaue Fernsehstudio trabt, schlüpft er wieder in die Rolle seines Alter Ego, dann ist Uwe Wöllner aus der Sendung "Mein neuer Freund" wieder da. Der Kunstfigur schreibt Ulmen die Idee für seine neueste Spiel-Show zu: "Who wants to fuck my girlfriend?" heißt das Format, das an diesem Donnerstagabend bei Tele 5 anläuft. Darin wetteifern zwei vergebene Männer darum, wessen Freundin attraktiver - oder wie Wöllner sagen würde: "goiler" - ist. In Spielen müssen die Frauen Punkte sammeln, indem sie beispielsweise im Café oder Bordell möglichst viel männlichen Zuspruch einsammeln. Die Frauen sind eingeweiht, die Männer auf der Straße hingegen nicht.
Seit Wochen gibt es gegen das Format Proteste, im Netz hat sich eine breite Front gebildet. Den Machern kommt das entgegen; in einem satirischen Video-Statement bedanken sie sich bei den Feministinnen, die mit dem Shitstorm für Aufmerksamkeit gesorgt hätten. Als ironische Reaktion wird gleich in der ersten Folge ein "Special" ausgestrahlt: "Who wants to fuck my lesbian girlfriend?". Die Debatte gehört laut Ulmen zum Projekt.
Süddeutsche.de: Herr Ulmen, Ihre neue Show heißt Who wants to fuck my girlfriend? - wollen Sie mit dem Titel die ultimative Quote einfahren?
Christian Ulmen: Das war in Sachen ulmen.tv nie mein Ziel. Wenn ich immer darüber nachgedacht hätte, was ich machen muss, um die Riesenquote einzufahren, dann hätte ich meine Figuren nicht seit sechs Jahren im Web-TV platziert, sondern alles dafür getan, damit das auf breiterer Bühne stattfindet.
Wie sind Sie dann darauf gekommen?
Die Idee stammt eigentlich von Uwe. Der ist so eine Art "Medien-Kaspar-Hauser", also eine Figur, die ausschließlich mit dem Fernsehen aufgewachsen ist. Bachelor, Dismissed und Big Diet, das ist Uwes Muttermilch. Und dann haben wir uns gefragt, was für eine Show sich so jemand ausdenken würde, der geistig in der Welt von 'The Beauty and the Nerd' großgeworden ist. Dabei kam Who wants to fuck my girlfriend? heraus.
Das treibt also alles noch mal auf die Spitze?
Nein. Es ist nicht die Show, die schlimmer als all die anderen Sendungen sein soll. Denn es geht ja fast nicht schlimmer. Unser Format benennt eins zu eins das, was in Dutzenden anderen Shows seit Jahren jeden Tag passiert. Nur dass die anderen Formate niedlichere Namen dafür finden, worum es eigentlich geht: welches Mädchen am geilsten aussieht zum Beispiel, oder welche der Bachelor am liebsten beschlafen möchte.
Und diese Scheinheiligkeit wollen Sie nun offenlegen.
Zuerst mal erzählen wir auf ulmen.tv Geschichten über verschrobene Gestalten, drehen Pseudo-Dokus mit so ausgedachten Vögeln wie Uwe Wöllner, die wir auf echte Menschen loslassen. Das ist unser Ding. Es wird automatisch etwas offengelegt, wenn wir in Kunstfiguren bestimmte Themen überspitzen und die reale Umwelt darauf reagiert.
Welche Themen sind das konkret?
Aktuell die Figur Uwe, die stellvertretend steht für all die anderen Uwes, die dauernd für Scripted Reality aber auch für tatsächliche Dokus wie Bauer sucht Frau vor die Kamera gezerrt und hoffnungslos verarscht werden. Und dann das Thema der Stilisierung bestimmter Gruppen zu reinen Objekten, wie es manche Shows gern mit Frauen zum Beispiel machen, aber auch mit Männern in fleckigen Cordhosen und schiefen Nickelbrillen.
Nun stehen die Kandidatinnen bei Who wants to fuck my girlfriend? beispielsweise als Prostituierte verkleidet an einer Straße und wetteifern darum, für wen fremde Männer mehr bieten. Schlägt das nicht in die gleiche Kerbe?
Absolut. Da wollen wir ja hin - um genau diese Kerbe geht's. Wenn Sie die Show dann aber sehen, werden Sie einen wundersamen Effekt erleben: Die vermeintlich frauenverachtende Grundidee gewährt einen tiefen Einblick in eine alltägliche männliche Sexualität mit nahezu grenzdebiler Anmutung. Die Kandidatinnen sind intelligente Frauen, die die Doppelbödigkeit dieses Konzepts verstanden haben und denen es Spaß macht, reihenweise Männer vorzuführen, die mit dem Auto anhalten und die Frau fragen, wie teuer sie ist.
Schon vor der Ausstrahlung der ersten Folge ging ein Shitstorm auf Sie nieder. Das musste doch kommen, oder?
Ich hätte es verstörender gefunden, wenn es keinen Protest gegeben hätte. Wenn so ein Format einfach hingenommen wird, ist es doch fast beunruhigender, als wenn jemand sagt: "Um Gottes willen, was ist denn das für 'ne Scheiße?". Und natürlich ist diese Reaktion auch gewollt, sie ist vollkommen berechtigt und hat eine Debatte in Gang gesetzt, die in Sachen Bachelor zum Beispiel längst überfällig ist.
Haben Sie die teils heftigen Reaktionen - Sie sollen sogar Morddrohungen erhalten haben - dennoch überrascht?
Ich hatte unterschätzt, dass sehr viele Leute Uwe Wöllner und seinen Kosmos, den wir uns ausgedacht haben, ja gar nicht kennen. Die haben sich zum großen Teil wieder beruhigt, nachdem sie sich zwei, drei Uwe-Clips im Netz angesehen haben und wissen, was hinter dem Showkonzept steckt. Es gibt auch einfach Menschen, die mit der Kunstform Satire nichts anfangen können oder sie anders definieren. Die sagen, das darf Satire nicht. Ich finde aber, Satire darf das. An dem Punkt gibt es dann eben zwei unterschiedliche Meinungen.
Warum nehmen die Leute das Comedy-Format überhaupt so ernst?
Wir sind mit der Show mitten in eine emotionalisierte Sexismus-Debatte gerasselt, die Gemüter waren bereits erhitzt. Es steht aber auch im Zusammenhang mit dem Humorverständnis in Deutschland. Ich hasse es normalerweise sehr, wenn sich Deutsche Künstler damit rausreden, wie blöd die Deutschen sind und wie viel toller alles in England sei, denn das stimmt so natürlich nicht. Aber genau so kann man wertfrei feststellen, dass Ironie in anderen Ländern zum Umgangston gehört. Sachen, die Russell Brand [britischer Komiker, Anm. d. Red.] in Amerika macht, würden hier jeden Tag einen Shitstorm auslösen. Ricky Gervais karikiert mitten in einer Spenden-Show für Afrika aufs Böseste die Scheinheiligkeit von Charity-Galas. Das wäre bei uns undenkbar. Es stünde sofort der Vorwurf im Raum, ernste Themen wie Hungersnot würden bagatellisiert oder verächtlich gemacht. Das Gegenteil aber will Satire.
Was unterscheidet das Format von einer klassischen Satire?
Die klassische Satire betitelt sich oft als "Satire" und arbeitet mit Inszenierungen. Ich spiele gerne damit, dass die Satire der Formate erst auf den zweiten oder dritten Blick verstanden wird.
Wie viel Uwe Wöllner steckt in Christian Ulmen?
Ich habe Spaß an diesem naiven Kindskopf und an diesem Aal-haften der Figur, die einem immer wegrutscht. Das ist alles.
Warum machen die Kandidaten bei Who wants to fuck my girlfriend? mit?
Es gibt ganz verschiedene Beweggründe. Es gibt viele Kandidaten, die das schlicht lustig finden und die Doppelbödigkeit verstehen. Wir haben bei der Suche nach den Kandidaten mit einer Casting-Agentur für Kleindarsteller zusammengearbeitet. Das heißt, alle Kandidatinnen hatten auch leichte darstellerische Ambitionen. Für die war es spannend, in die Rollen zu schlüpfen. Was alle Frauen gemeinsam haben, ist, dass sie daran Spaß hatten, souverän Männer vorzuführen.
Das klingt nach einem negativen Männerbild.
Nö. Wir machen im Vorfeld eine Versuchsanordnung, die getragen ist von einer Kunstfigur und einer künstlichen Welt. Das wird dann real und wir gucken - so naiv das auch klingt -, was passiert. Was in diesem Fall dabei herausgekommen ist, ist in der Tat ein schräges Bild männlicher Sexualität. Aber es ist nicht so, dass wir vorher gesagt haben: "Die Männer sind aber scheiße, lasst uns mal eine Show dazu machen".
Meinen Sie, dass sich die Kritik an dem Format wieder legt, wenn die erste Folge ausgestrahlt ist?
Das kann sein. Aber die Kritik wird immer zum Gesamtkunstwerk gehören. Sie ist richtig. Ich finde, unsere Show ist von großer Leichtigkeit und getragen von Uwes anrührender Herzlichkeit.
"Who wants to fuck my girlfriend?", ab dem 14. Februar immer donnerstags, 23:10 Uhr, Tele 5