Pressefreiheit:Neue Stufe der Eskalation

Pressefreiheit: Ausgehorcht im Interesse Chinas? Der Medienkonzern News Corporation.

Ausgehorcht im Interesse Chinas? Der Medienkonzern News Corporation.

(Foto: Spencer Platt/AFP)

Hacker haben News Corp. angegriffen, den Konzern des australischen Medienunternehmers Rupert Murdoch. Steckt China dahinter?

Von Jürgen Schmieder

Es wird wegen der Olympischen Spiele gerade viel über den Gastgeber China geredet, oft geht es dabei um Spionage. Die App "My2022" zum Beispiel, ohne die kein Besucher ins Land darf, wurde mittlerweile von Experten als mutmaßlich Spionage-Software enttarnt; Athleten, Funktionären und Journalisten wurde deshalb geraten, sich Smartphones zu besorgen, von denen man keinesfalls sensible Daten abgreifen kann. In einem anderen Fall ist genau das bereits passiert, und alles weist auf China hin.

Es gab einen Hackerangriff auf News Corp., den Multimediakonzern des australischen Unternehmers Rupert Murdoch. Das wurde am Freitag bekannt, als das Unternehmen seinen Vierteljahresbericht bei der US-Börsenaufsicht hinterlegte. Am 20. Januar habe man die Angriffe bemerkt; es werde indes vermutet, dass die Hacker bereits von Februar 2020 an Zugang zu E-Mails und Daten hatten. Einen Monat später kündigte die chinesische Regierung an, Journalisten von Wall Street Journal, Washington Post und New York Times des Landes zu verweisen.

China reagierte damit auf die Anordnung des damaligen US-Präsidenten Donald Trump, nur noch 100 Korrespondenten der fünf größten staatlich betriebenen Medienhäuser Chinas in den USA arbeiten zu lassen. Aktuellen Erkenntnissen zufolge könnte auch dieser Hackerangriff in diesen Zusammenhang gehören; das Wall Street Journal gehört zu News Corp. Dessen Technik-Chef David Kline schickte am Freitag eine Mail an die Mitarbeiter, die die SZ einsehen konnte.

"Unsere vorläufigen Erkenntnisse weisen darauf hin, dass eine ausländische Regierung mit diesen Aktivitäten in Verbindung gebracht werden könnte und dass Daten gestohlen wurden", heißt es darin. Die IT-Sicherheitsfirma Mandiant glaube, die Spur führe nach China: "Sie schätzen, dass die Leute, die hinter dem Angriff stecken, mit China verknüpft sind - und dass sie an Spionage-Aktivitäten beteiligt sind mit dem Ziel, über das Abgreifen von Daten den Interessen Chinas zu dienen."

Der Angriff blieb zwei Jahre lang unbemerkt

Kline schrieb weiter, dass der Angriff nur eine "begrenzte Zahl" an E-Mail-Accounts und Dokumente in der Firmenzentrale in New York, der Technikabteilung sowie den Tochterfirmen Dow Jones, News UK und New York Post betroffen habe - eine genaue Zahl war auf Nachfrage nicht zu erfahren. Daten von Kunden sowie finanzielle Informationen seien nicht gestohlen worden. "Auch wenn die Mehrzahl der Accounts unserer Mitarbeiter nicht betroffen worden ist, nehmen wir den Angriff auf Mitarbeiter und Journalisten sehr ernst", schreibt Kline. Es ist derzeit nicht bekannt, welche Daten und Dokumente genau die Hacker gestohlen haben - bekannt ist nur, dass der Angriff offenbar fast zwei Jahre lang unbemerkt geblieben ist.

Der Angriff dürfte eine neue Stufe der Eskalation zwischen China und den USA in puncto Pressefreiheit darstellen. Im November hatten sich beide Länder darauf verständigt, die genannten Maßnahmen zu lockern; es hieß, dass US-Medien wieder Reporter nach China schicken würden. Nun gibt es zum einen diesen Hacker-Angriff, zum anderen berichten vor allem westliche Medien, wie sie während Olympia bei ihrer Arbeit behindert werden - symbolisch dafür steht der niederländische Reporter Sjoerd den Haas: Das Video, wie er am Freitagabend während einer Liveschalte nach Peking von einem Security-Mitarbeiter weggezerrt wird, verbreitete sich rasend im Internet.

Das IOC sprach danach von einem Einzelfall, den Haas schrieb bei Twitter jedoch, dass er und Kollegen in den vergangenen Wochen oft bei ihrer Arbeit behindert worden seien. Von einem Einzelfall könne man nur schwer sprechen; auch die Behauptung des IOC, man habe mit Haas' Arbeitgeber gesprochen, dem öffentlich-rechtlichen TV-Sender NOS, könne nicht bestätigt werden.

Am 31. Januar hatte der Foreign Correspondents' Club of China, ein Zusammenschluss der Auslandskorrespondenten in China, einen Report veröffentlicht mit dem Vorwurf, dass sie an ihrer Arbeit gehindert werden - inklusive Einschüchterung und Belästigung: "Der chinesische Staat findet immer neue Mittel, Korrespondenten, ihre chinesischen Kollegen und auch Leute, mit denen die Presse reden will, über Online-Belästigung, physische Angriffe, abgelehnte Visa-Anträge und Cyber-Hacking einzuschüchtern."

Es bleiben viele Fragen offen, wie auch beim Hackerangriff auf News Corp.; die chinesische Botschaft in Washington verschickte am Freitag eine E-Mail, in der Sprecher Liu Pengyu zitiert wird, dass er keine Kenntnis habe über die Einzelheiten des Hacker-Angriffs: "Wir hoffen, dass es einen professionellen, verantwortungsbewussten und evidenz-basierten Zugang zur Identifikation von Cybervorfällen gibt - statt Vorwürfe auf Grundlage von Spekulationen zu erheben."

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