Thomas Langheinrich über N 24:"Lena ist eine Nachricht"

Der Vorsitzende der Medienwächter, Thomas Langheinrich, über den Verkauf von N 24 und den Wert von Nachrichten.

Christina Maria Berr

Der Präsidenz der Landesmedienanstalt in Baden-Württemberg, Thomas Langheinrich, ist der oberste Medienwächter des Landes. Als Vorsitzender der Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten ist er dafür zuständig, die Einhaltung der Richtlinien für Fernseh- und Hörfunksender zu überwachen. Im Gespräch mit sueddeutsche.de erklärt er, was die Medienwächter vom N-24-Verkauf halten, was man sich von Großbritannien abschauen kann und wie Nachrichten zu definieren sind.

Langheinrich wird Chef der Landesmedienbehörde

Besorgt über den Personalabbau bei N 24: Thomas Langheinrich, Chef der Landesmedienanstalten.

(Foto: ag.dpa)

sueddeutsche.de: Schon seit Längerem haben Sie den Verkauf des Senders N 24 kritisch begleitet - nun haben Investoren um Stefan Aust und den Geschäftsführer Torsten Rossmann den Nachrichtenkanal übernommen. Wie stehen Sie zu dieser Lösung?

Thomas Langheinrich: Auf der einen Seite ist es positiv, dass die neuen Eigentümer weitreichende, professionelle Erfahrung im deutschen Mediensystem haben. Auf der anderen Seite geht mit dem Verkauf von N 24 auch eine Verringerung des Budgets überein. Und da haben wir berechtigte Zweifel, ob damit noch qualifizierte Nachrichten für die Sendergruppe gewährleistet werden.

sueddeutsche.de: Pro-Sieben-Sat-1-Chef Thomas Ebeling hatte im Vorfeld des Verkaufs bereits mehrfach erklärt, dass Nachrichten ein Zuschussgeschäft seien, das er einschränken will.

Langheinrich: Die neue Entwicklung hieß: Nachrichten spielen nach Aussagen des Vorstands in einem großen bedeutenden Fernsehsender nicht mehr die Rolle, die sie früher gespielt haben. Das hat uns besorgt und darauf haben wir reagiert. Sender, die eine wichtige Rolle im privaten Fernsehen spielen, sollen auch einen wichtigen publizistischen Beitrag leisten. Und der heißt: Nachrichten und Information.

Wir werden ungeachtet dieses Verkaufs weitere Maßnahmen in die Wege leiten, die klären sollen, was wir von privaten Sendern in einem dualen System an Nachrichten und Information verlangen können..

sueddeutsche.de: Die Landesmedienanstalten fordern von den Sendern Selbstverpflichtungen.

Langheinrich: Zum Einen. Wir haben aber auch bei unserer Sitzung - am Tag vor dem N-24-Verkauf - beschlossen, ein Gutachten in Auftrag zu geben. Es soll klären, wie wir künftig die Anforderungen an private Sender klarer und konkreter machen und wie wir andererseits den Sendern Anreize geben können. Wer mit dem Senden von Nachrichten eine öffentliche Aufgabe wahrnimmt, darf sich von Spartensendern oder Verkaufskanälen unterscheiden. Diese Anforderungen sind nur gemeinsam mit der Politik zu leisten.

sueddeutsche.de: Die Selbstverpflichtungen werden schwierig durchzusetzen sein.

Langheinrich: Wir sprechen auch mit der Politik, ob es dort den gesetzlichen Rahmen für eine Änderung gibt.

sueddeutsche.de: Das hieße, den Rundfunkstaatsvertrag zu ändern. Was signalisieren die Politiker?

Langheinrich: Einerseits hatten wir den Eindruck, dass wir die kritischsten Mahner waren - auf der anderen Seite haben sich inzwischen zahlreiche Stimmen aus den unterschiedlichsten Parteien zu Wort gemeldet, die für diese Entwicklung im Privatfernsehen kein Verständnis mehr haben.

"Es gibt eine unternehmerische Freiheit"

sueddeutsche.de: Einerseits werden bei N24 mindestens 72 Stellen abgebaut, anderseits will Neu-Eigentümer Aust Videojournalisten einstellen - wie ist das zu bewerten?

Langheinrich: Da fehlen uns noch die harten Fakten. Es gibt eine unternehmerische Freiheit, wie sich ein Betrieb organisieren kann. Letztlich muss man sich am Ergebnis messen lassen.

sueddeutsche.de: Wie viele Minuten Nachrichten soll ein großer TV-Sender anbieten?

Langheinrich: Wir haben im aktuellen Programmbericht gezeigt, dass das gemeinsame Nachrichtenvolumen von Sat.1, ProSieben und kabel eins unter einer Stunde pro Tag liegt. RTL, RTL II und VOX kommen zusammen auf 1 Stunde und 45 Minuten. Es gibt also große Differenzen bei den Sendergruppen. In Großbritannien gibt es private Veranstalter, die teilweise auch in Deutschland vertreten sind, denen das dortige Mediensystem klar vorschreibt, wie viele Minuten Nachrichten und Information, wie viele Minuten Kindersendungen und so weiter nötig sind.

sueddeutsche.de: Großbritannien als Vorbild?

Langheinrich: Ja - auch in Zusammenhang mit internationalen Medienfinanzinvestoren, die sich bei uns in die Medien einkaufen und welche Vorteile soll so ein Sender auch haben können.

sueddeutsche.de: Und welche Vorteile könnten das sein?

Langheinrich: Einfaches Beispiel für ein Anreizsystem war in der Vergangenheit ein Platz im analogen Kabelsystem. Heute wäre ein Anreiz, in den elektronischen Programmführern einen bevorzugten Platz ganz vorne zu bekommen. Auf Platz eins ist beispielsweise die ARD, auf Platz zwei ist das ZDF und danach folgen einige Plätze, die begehrt sind in einem unter Umständen 900 Plätze umfassenden System.

sueddeutsche.de: Sixx, ein nachrichtenfreier Frauensender, ebenfalls aus der Pro-Sieben-Sat-1 Gruppe würde also nicht an sechster Stelle stehen, sondern eher an Position 600?

Langheinrich: Das koennte so sein.

sueddeutsche.de: Eine andere Möglichkeit wäre ein bestimmtes Kostenvolumen vorzuschreiben. Die Sendergruppe Pro-Sieben-Sat-1 hat angekündigt für die Nachrichten 30 Millionen an die neue N24-Gruppe auszugeben. Reicht das aus?

Langheinrich: Die starke Kürzung von Geldern für Nachrichten um die fast die Hälfte lässt berechtigte Zweifel, ob damit noch adäquate Berichterstattung gewährleistet werden kann.

"Für Nachrichten gibt es fachliche Kriterien"

sueddeutsche.de: Das heißt, die Richtlinien müssten für eine derart große Sendergruppe wesentlich mehr als 30 Millionen Euro vorschreiben?

Langheinrich: Die finanzielle Festlegung ist auch eine Möglichkeit. Warten wir aber das Gutachten ab.

sueddeutsche.de: Die andere Frage ist natürlich, was alles zu Nachrichten zählt. Von Senderseite rechnet man ja auch gern mal Dokusoaps oder Wissenssendungen mit dazu.

Langheinrich: Bei allen Experten, mit denen wir gesprochen haben, stand außerfrage, dass es eine professionelle Einschätzung gibt, was Nachrichten sind. Darüber wird man nicht streiten müssen. Wer sagt, das könne man nicht feststellen, der will nur ablenken.

sueddeutsche.de: Eine umfassende Berichterstattung über Lena und den Eurovision Song Contest, sind das Nachrichten?

Langheinrich: Wenn Lena den Song Contest gewinnt, ist das eine Nachricht. Das war ja bei der Tagesschau auch an erster Stelle. Aber inwieweit die Lena-Berichte dann wirklich Nachrichten sind, dafür gibt es fachliche Kriterien.

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