Charlie Sheen in "Anger Management":Immer feste druff

Charlie Sheen in "Anger Management": Schauspieler Charlie Sheen auf einem Archivbild vom Juli 2012

Schauspieler Charlie Sheen auf einem Archivbild vom Juli 2012

(Foto: Imago Stock&People)

Charlie Sheen verlor wegen Alkohol, Drogen, Gewalt und Pornosternchen seine bekannteste Rolle. Mit "Anger Management" will er neu durchstarten. Aber dann zerschlägt er erst mal seine Garderobentür.

Von Anne Philippi

Mit Charlie Sheen gibt es keine Probleme. Er kommt entweder auf die Sekunde genau - oder gar nicht. Da telefoniert man 15 Mal innerhalb einer halben Stunde mit seinem Manager Larry Solters, und Solters' Antwort ist immer dieselbe. Charlie sitze in seiner Limousine, Charlie werde nicht aussteigen und über keinen Teppich gehen und auch nicht sprechen. Man möge in drei Minuten noch mal anrufen. So ging das eine Weile.

Solches Benehmen entsprach Sheens Ruf: unzuverlässig, asozial, absurd. Vom vielen Feiern und Trinken geschädigt, keinen Hollywood-Regeln folgend. Der Schriftsteller Bret Easton Ellis sieht Charlie Sheen als Star für das "Post-Empire": Er kümmert sich einen Dreck, was andere Leute und Hollywood über ihn denken, und er hat auch keine Geheimnisse. Zu Zeiten des "Empire" kümmerten sich Filmstars noch um ihr Image, im Post-Empire herrscht die Unkontrollierbarkeit. So gesehen lebte Charlie Sheen schon immer im Post-Empire. In Ferris macht blau spielte er eine recht originalgetreue Version seiner selbst: Ein Drogenjunge auf der Polizeiwache, der mit 16 schon zu viel weiß. In Wall Street war das nicht anders. Sheen machte sichtbar, wie die Unschuld in Sekunden aus einem Menschen entweichen kann - und das mit 22. Für Sheens dokumentierte Abstürze würde hier der Platz nicht reichen.

Es geht um sein Erbe

An diesem Mittag macht Charles Sheen auf der Pressekonferenz auf ernsthaft. Es geht um sein Erbe. Seine "Hinterlassenschaft", wie er später sagen wird. Es geht um Anger Management, die Serie, mit der ihn die Nachwelt einmal identifizieren soll. Das ergibt Sinn im Sheen'schen Sinne. Charlie spielt einen extrem jähzornigen Therapeuten, der andere sexsüchtige und jähzornige Männer behandelt, nur sich selbst nicht. (Die erste und zweite Staffel sind auf der Film-Plattform Watchever zu sehen.) Von Two and a Half Men hat sich Sheen emotional verabschiedet: "Ich sage nur noch ,the other show' dazu." Anger Management helfe ihm da mehr. "Die Show hält mich von den Bars fern", sagt Sheen. "Ich will nicht der Typ sein, der mit seinem Skript am Tresen sitzt und säuft."

Charlie Sheen läuft geräuschlos auf dem schwarzen Teppich nach vorne und nimmt Platz. iPhone parat, Lightkaugummi, Zigaretten, alles bisschen unkoordiniert. Der Mann ist kein Elefant oder Gigant. Man muss an einen müden Salamander denken, der etwas Erholung und Sonne bräuchte. Sheen ist schmächtig. Seine Brust wirkt schmal, 30 Jahre Drogenkonsum lassen den Körper zusammenfallen. Eine aufgeblähte Hollywoodbrust würde auch nicht zu Sheen passen.

Sheen wedelt mit der linken Hand, um sie liegt ein Verband. Was war passiert? "Ein Angelunfall. Schrecklich, meine linke Hand ist rasiert, gibt es etwas Schlimmeres?" Riesenlacher. Es ist egal, was Charlie Sheen sagt. Seine merkwürdig zerkratzte Stimme klingt nach ewigem Kater. Angenehm. Sheens Antworten sind außerdem zu präzise für ein Wrack. Doch als solches hatte sich Sheen in den vergangenen Jahren oft präsentiert. Zum letzen Mal auf der "My Violent Torpedo of Truth: Defeat is not an Option"-Tour.

"Diese 24 Tage möchte ich vergessen"

Es war die Zeit, als Sheen von Balkons in Beverly Hills seine "tiger blood"- und "winning"-Theorien herunterbrüllte, die kein nüchterner Mensch verstehen konnte. Die Tour startete in Detroit, die Leute pilgerten zu Sheen wie zum Oktoberfest. Man trug Verkleidung (Tigerkostüm wegen des "Tigerbluts"), soff und hoffte auf Schlägereien. Man gab eine Menge Geld für Kram aus, den man eine Woche später schon in den Müll werfen würde. T-Shirts, Aschenbecher mit "Winning"-Aufdruck, Unterwäsche mit "Bipolar"-Schriftzug, Charlies "Post-Empire"-Lieblingswort.

Sheen stand mit nacktem Oberkörper auf der Bühne und erinnerte durchaus an den nackten Oberkörper seines Vaters Martin Sheen in Apocalypse Now, nur sah Charlies Brust noch drogengeschwächter aus. Er hatte keine Ahnung, was er tat. Er lallte, laberte über Crystal Meth. Sheen war verloren, und seine zwei sich küssenden Pornomädchen konnten ihn auch nicht retten. Die Detroiter wollten bald ihr Geld zurück. Hier hatte niemand mal eben 50 Dollar, um sich Drogenschwachsinn anzusehen.

"Diese 24 Tage möchte ich vergessen", sagt Sheen. Er möchte zum Thema zurückkommen, sein philosophisches Meta-Thema: der Ärger, die Wut, Anger-Management. Was macht Sheen dieser Tage, wenn ihn die Wut kalt erwischt? "Ich verlasse den Raum. Du kannst immer rausgehen, den Raum verlassen", sagt Sheen, doch die Tür zu seiner Garderobe hat ein großes Loch. "Da habe ich durchgeschlagen", ergänzt er und zündet sich eine Zigarette an. Er zieht einmal dran und lässt sie dann in einem Cola-Glas sterben. Er braucht nur einen kurzen Fix.

Wie wär's mit Shakespeare?

Das nächste Thema hat es in sich - Charlies Zukunft. Charlie hat keine Ahnung, also fragt er ins Publikum: "Hey, du aus Australien. Was soll ich als nächstes drehen?" Der Australier sagt, er könne sich "irgendwas von Shakespeare" für ihn vorstellen. Sheen weiß nicht so recht. Der letzte Flop sitzt ihm noch ordentlich in den Knochen. Charles Swan, gedreht von seinem alten Spielkameraden Roman Coppola.

Charlie und Roman standen sich als Zehnjährige sehr nahe. Ihre Väter drehten zusammen Apocalypse Now. Roman und Charlie spielten in der Kulisse von Colonel Kurtz' Lager, während die Erwachsenen um sie herum ihre Acid-Probleme in den Griff bekommen mussten. Der Film mit Roman ist Sheen nicht gut bekommen - "eine Vollkatastrophe". Aber wer wird denn gleich den Raum verlassen? Sheen beruhigt sich wieder, er hat ja noch was vor. Ein paar Interviews nebenan, oder so. Einen festen Plan im Sheen-Leben gibt es nicht, somit fällt Kontrolle flach. Hollywood braucht Charlie Sheen. Er fällt aus allem raus. Wohin er fällt, weiß er nicht, aber das Risiko nimmt er auf sich. Das ist wahrscheinlich Post-Empire.

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