Cascada beim Eurovision Song Contest:Auf bestem Weg in die Vergessenheit

Cascada Eurovision Song Contest

Cascada: immer schön im Gespräch bleiben, auch nach dem Freispruch.

(Foto: picture alliance / dpa)

Plagiatsverdacht gehört beim Eurovision Song Contest quasi zum guten Ton. Doch die deutschen Abgesandten Cascada sind hier schon freigesprochen worden. Was bleibt ihnen jetzt noch, um im Gespräch zu bleiben? Bis zum ESC sind es noch elf Wochen.

Von Hans Hoff

Puh, das ist ja gerade noch einmal gut gegangen. Nun hat die Bonner Retortencombo Cascada es auch schriftlich: Ihr "Glorious" betiteltes Klangwerk, mit dem sie für Deutschland beim Eurovision Song Contest (ESC) antreten soll, ist, auch wenn es sich nach wie vor so anhört, kein Plagiat des Vorjahressiegertitels "Euphoria".

Festgestellt hat das der vom NDR beauftragte Musikgutachter Matthias Pogoda. Die beiden Lieder wiesen keine urheberrechtlich bedeutsamen Übereinstimmungen auf, stellt er fest. "Sie sind lediglich stilistisch ähnlich und zeigen nur im Arrangement eine oberflächliche Berührung ohne urheberrechtlichen Belang", sagt der Experte, der seit 1992 als Musikgutachter und Sachverständiger für Plagiatsfragen tätig ist und Urheberrechtskammern als Gerichtsgutachter berät.

Plagiatsvorwürfe sind beim ESC so etwas wie eine ständige Einrichtung. Wer bei diesem Wettbewerb, an dem in diesem Jahr 39 Länder teilnehmen, ohne den Vorwurf bleibt, abgekupfert zu haben, war nicht dabei. Glücklicherweise findet sich immer irgendwer, der irgendwelche Parallelen aufspürt. Stefan Raabs Nonsenshymne "Wadde Hadde Dudde Da" sollte im Jahr 2000 angeblich teilweise von den Spice Girls stammen, und bei Roman Lobs Vorjahresbeitrag "Standing Still" wurden in Baku Spuren des aserbaidschanischen Siegertitels "Running Scared" diagnostiziert. Selbst Lenas Siegertitel "Satellite" von 2010 stand kurz unter dem Verdacht, aus einer bulgarischen Sandmännchensendung geklaut zu sein.

Man muss so etwas nicht allzu ernst nehmen. Der für die ESC-Abwicklung zuständige NDR hat das Gutachten ohnehin nur in Auftrag gegeben, um auf Nummer sicher zu gehen und dem ganzen Verfahren einen halbamtlichen Anstrich zu geben. Die Prüfung muss indes auch in Cascadas dringlichem Interesse gewesen sein, denn "Glorious" braucht derzeit jede Öffentlichkeit, um nicht schon Monate vor dem ESC-Finale komplett in Vergessenheit zu geraten.

Egal, wer nach Malmö fährt

Wer wissen will, wie wichtig die deutschen Musikkäufer das Werk nehmen, werfe einen Blick auf die Hitparaden. So rangiert der Song in den Amazon-Downloadcharts gerade einmal auf Platz 26, und in den von Media Control ermittelten Singlecharts vom 22. Februar, also acht Tage nach dem Gewinn des nationalen Vorentscheids, reicht es auch nur für einen Einstieg auf Rang 36.

Rang 36 ist für ein Lied, das Deutschland beim weltweit größten Trällerwettbewerb vertreten soll, jämmerlich, beinahe so etwas wie die nachträgliche Disqualifikation. Erst recht, wenn man bedenkt, dass dieser Tage manchmal schon zehntausend verkaufte Einheiten für eine Spitzenplatzierung reichen.

Wo sind Exportverbote, wenn man sie braucht?

Was schon am Abend des Sieges deutlich wurde, verfestigt sich nun in Zahlen. Es ist den Menschen hierzulande schlichtweg egal, wer da nach Malmö fährt. Cascada haben nicht das Zeug, mit ihrem sterilen Klangkonstrukt Gefühle zu binden. "Glorious" stampft eine Weile vor sich hin, und im besten Falle wundert sich der eine oder andere Hörer, warum Loreens "Euphoria" nun ein bisschen anders klingt.

Halt. Man muss sagen, dass es sehr anders klingt. Das ist ja nach dem Gutachten des Herrn Gerichtsgutachters nun quasiamtlich. Wo sind eigentlich Exportverbote, wenn man sie am nötigsten braucht?

Wer beim ESC rausfliegen will, der muss schon andere Geschütze auffahren als schlechtes Nachäffen vertrauter Klangmuster. Zweimal hat die nationale ESC-Gerichtsbarkeit indes schon zugeschlagen. Allerdings nicht wegen eines Plagiats, sondern wegen falscher Veröffentlichungspolitik. So war der 1999 im Vorentscheid siegreiche Titel der Sängerin Corinna May Jahre zuvor schon einmal von einer anderen Gruppe veröffentlicht worden. Ein ähnliches Schicksal traf 1976 Tony Marshall. Der durfte, obwohl er die Abstimmung gewann, nicht zum Finale, weil es seinen Siegertitel schon von einer Kollegin gab.

Noch sind es elf Wochen und drei Tage bis zum Finale in Malmö. Da die Plagiatsfolklore im Falle von Cascada durch ist, bleibt abzuwarten, mit welchen Maßnahmen sich die Band nun in Erinnerung bringen will. Vielleicht fragt sie mal bei der Vorjahressiegerin Loreen nach. Deren Lied stand schließlich auch im Verdacht, bei David Guetta oder Rihanna abgekupfert zu sein.

Anmerkung der Redaktion: Um Missverständnissen vorzubeugen: Die Charts vom 22.2. beziehen sich auf die Verkäufe in der Woche bis zum ESC-Vorentscheid. In der Woche lief der Song zusammen mit allen anderen Songs vielfach bei den jungen Radios der ARD.

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