Süddeutsche Zeitung

"Carl Josef trifft..." im Ersten:Barrierefreie Begegnungen

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Der 16-jährige behinderte Comedian Carl Josef hat jetzt eine schlaue eigene Sendung. Darin bringt er Jugendliche mit und ohne Behinderung in Kontakt.

Von Dennis Müller

Carl Josef rollt durch den Notausgang. Anders kommt der 16-jährige Comedian nicht in die Kletterhalle, denn sie ist nicht barrierefrei, keine Chance für den Jungen im Rollstuhl. Er selbst geht in der Halle freilich nicht bouldern, stattdessen ist er mit Emily und Konrad verabredet. Sie sind 13 und 14 Jahre alt, beide lieben das Klettern - aber nur Konrad lebt mit einer Behinderung. Carl Josef bringt die beiden zusammen, plaudert mit ihnen - und will so bei den jungen Zuschauern "Vorurteile brechen und Barrieren abbauen", sagt er.

In seiner ersten eigenen Sendung Carl Josef trifft... kämpft der Jung-Komiker für einen respektvollen, aber dennoch lockeren Umgang mit behinderten Menschen im Alltag. Mit der Mission, das Thema Behinderung humorvoll anzugehen, ist Carl Josef schließlich bekannt geworden: Zwei Jahre ist es her, als das Video seines Auftritts in einem Berliner Club viral ging. Dabei machte er seine eigene Behinderung zum Thema, die Erbkrankheit Muskeldystrophie Duchenne, deretwegen er seit etwa sechs Jahren auf einen Rollstuhl angewiesen ist. "Der erste Witz ist vergleichbar mit mir", legte er damals los. "Der muss sitzen." Ähnlich selbstironisch ging sein Auftritt weiter. Es folgten viel Zuspruch aus der Comedy-Szene und Auftritte in großen Fernsehsendungen - ehe er nun seine eigene präsentiert. In Carl Josef trifft... sind allerdings weniger seine Gags gefragt als die Fähigkeit, die Gespräche mit den beinah Gleichaltrigen aufrechtzuerhalten. Eine Herausforderung, die der Neuling erstaunlich mühelos meistert.

Ist das Wort "behindert" eigentlich okay? Das zwanglose Gespräch über solche Fragen ist die große Stärke der Sendung

Allein durch seine Moderation präsentiert sich die Sendung schlauerweise nicht als eine über Jugendliche mit Behinderung, sondern als eine mit ihnen. Konrad bleibt in der Kletter-Folge erst mal nur Konrad, der gerne Klavier spielt und bei den Pfadfindern ist. Erst später, als die Jugendlichen ins Gespräch kommen, geht es um seine Kanüle, die er bereits seit wenigen Monaten nach seiner Geburt am Hals trägt. "Ich kann zwar ohne Kanüle sein, aber wenn ich schlafen will, geht mein Kehlendeckel zu, dann bekomme ich keine Luft mehr", sagt er, und fügt trocken hinzu: "Das wäre jetzt eher ein bisschen blöd." Der Spruch hätte auch von Carl Josef sein können, der hier aber lieber die Fragen stellt. Kraxeln kann Konrad übrigens trotzdem, draußen wie drinnen, gegenüber der nicht-behinderten Emily hat er da keinen Nachteil.

Die Tatsache, dass Carl Josef auch Jugendliche ohne Behinderung einlädt, erweist sich als große Stärke des Formats, das für Kinder und Jugendliche gedacht ist. So nämlich kommen Gespräche zustande, die den jungen Zuschauern eine wirkliche Hilfe sein können, wenn sie im Alltag mit Behinderten zu tun haben. Das Wort "behindert" zum Beispiel, sagt Emily, würden viele als Schimpfwort nutzen, deswegen spricht sie von "Beeinträchtigungen". Carl Josef lobt sie für ihre Umsicht, stellt aber klar, dass sich die Wörter für ihn sehr wohl unterscheiden: Beeinträchtigungen seien zum Beispiel gebrochene Gliedmaßen, Menschen mit Behinderung seien längerfristig oder gar für immer betroffen. Eine Sendung, die nicht von oben herab belehrt, sondern den Austausch zulässt, ergibt auf allen Ebenen Sinn - und hat mit Carl Josef den optimalen Host gefunden.

Carl Josef trifft..., samstags, 8.15 Uhr, im Ersten, alle bisherigen Folgen in der ARD-Mediathek .

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