Öffentlich-rechtlicher RundfunkUnd dafür auch noch zahlen?

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Das Thema Rundfunkbeitrag füllt die Gerichtssäle: Demonstranten Anfang Oktober vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig.
Das Thema Rundfunkbeitrag füllt die Gerichtssäle: Demonstranten Anfang Oktober vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig. (Foto: Hendrik Schmidt/dpa)

Eine Klägerin verweigert den Rundfunkbeitrag, weil das Programm nicht vielfältig und ausgewogen sei. Nun entscheidet das Bundesverwaltungsgericht – auch darüber, ob es hier etwas zu entscheiden hat.

Von Wolfgang Janisch, Karlsruhe

Das Bundesverwaltungsgericht verhandelt über wichtige Fragen wie Energiewende und Naturschutz, Autobahntrassen und Asylrecht. Aber um den großen Sitzungssaal richtig voll zu bekommen, eignete sich kein Thema besser als die Frage, ob eine Bürgerin weiterhin monatlich 18,36 Euro zahlen muss, für ein Rundfunkprogramm, das ihr missfällt: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk verfehle seinen Auftrag, weil er kein vielfältiges und ausgewogenes Programm biete, klagte sie. Staatsfunk halt. Jedenfalls saßen vor Kurzem, so berichteten Beobachter, 250 Zuschauer im dicht gefüllten Saal, weitere hielten draußen Schilder hoch: „Schluss mit der Propagandasteuer“.

Der Kampf gegen den Rundfunkbeitrag ist offenkundig für Teile der Gesellschaft eine Mission von nicht nachlassender Dringlichkeit. Klagen wie jene, über die das oberste Verwaltungsgericht in Leipzig Anfang Oktober verhandelt hat, beschäftigen seit vielen Jahren die Justiz, Portale wie beitragsblocker.de tun das Ihre dazu, dass es so bleibt. Bisher blieben sie stets erfolglos. Nun aber will sich das Bundesverwaltungsgericht einer grundsätzlichen Frage zuwenden: Sind die Verwaltungsgerichte überhaupt die richtige Adresse, um den Beitrag wegzuklagen? Oder sind die Gerichte beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk von vornherein aus dem Spiel, weil dort eigene Kontrollmechanismen herrschen?

Eine Art „Letztkontrolle“ des Programms durch Gerichte. Ist das im staatsfernen Rundfunk zulässig?

Für die Antwort muss man ein paar Jahre zurückgehen, in jene Zeit, als der Protest gegen die Beitragspflicht so richtig Fahrt aufnahm. 2013 war die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks reformiert worden, fortan wurde anstelle einer „Gebühr“ für alle, die Rundfunkgeräte hatten, ein „Beitrag“ pro Haushalt erhoben. Zahlen musste fortan jeder und jede, auch ohne Fernseher, Radio oder Smartphone.

Das Bundesverfassungsgericht billigte das Modell im Jahr 2018, schrieb aber ein paar Sätze ins Urteil, die von späteren Klägern als Munition verwendet wurden. In der Möglichkeit, öffentlich-rechtliche Sender zu empfangen, liege ein „individueller Vorteil“, der die Erhebung eines Beitrags rechtfertige – ganz egal, ob jemand von diesem Vorteil wirklich Gebrauch mache. Und in einem Beschluss von 2023 tauchte der „individuelle Vorteil“ noch einmal auf: Es sei noch nicht gerichtlich geklärt, ob dieser Vorteil entfalle, wenn das Programmangebot nicht auf Ausgewogenheit und Vielfalt ausgerichtet sei.

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Das war kein tragender Satz in dem Beschluss, trotzdem versuchten die erklärten Gegner von ARD und ZDF in Leipzig und anderswo, daraus ein Argument zu destillieren. Nach dem Motto: Wenn die Gegenleistung nicht stimmt, dann zahlen wir nicht. Das Programm müsse ausgewogen, vielfältig, staatsfern sein, so habe es das Bundesverfassungsgericht selbst formuliert. Ob diese Voraussetzung erfüllt sei, müsse im Streit um den Beitrag gerichtlich überprüfbar sein. Kein Vorteil, kein Geld.

Zwar lässt sich zwar ziemlich sicher vorhersagen, dass die Klägerin vor dem Bundesverwaltungsgericht verlieren wird; am 15. Oktober wird das Urteil verkündet. Denn dass jemand zum Beispiel einzelne Politmagazine für zu links hält, reicht keinesfalls für einen Sieg. Die Klägerin müsste also den Nachweis führen, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk seinen Auftrag eklatant verletzt – und zwar in seiner ganzen Breite. Nötig wäre ein objektiv feststellbares Versagen auf ganzer Linie. Das werden die Richter nicht mitmachen.

Wirklich spannend ist aber die Frage, ob das Gericht überhaupt bis zu diesem Punkt vordringt. Ob es sich also tatsächlich eine Art richterlicher Aufsicht über das öffentlich-rechtliche Programm vorbehält – eine „Letztkontrolle bei systemischem Versagen“, so drückt es Matthias Cornils aus, Professor an der Universität Mainz, der das freilich skeptisch sieht.

Denn auch wenn eine solche Kontrolle nur in Extremsituationen greifen würde, bei einem völligen Kollaps des Systems: Schon allein die Möglichkeit wirft heikle Fragen auf. Soll wirklich jedes Verwaltungsgericht im Land das hoch demokratierelevante Gebilde des öffentlich-rechtlichen Rundfunks unter die Lupe nehmen dürfen? In einem Gerichtsprozess, in dem es um profanes Abgabenrecht geht? Soll es Inhalte scannen und sich über Programmpläne beugen? Oder ist der Rundfunk tabu, weil er nun mal seine eigenen Kontrollmechanismen hat, die Rundfunkräte?

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Für die zweite Lösung spricht, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk seit jeher „staatsfern“ konstruiert ist. Darüber wacht das Bundesverfassungsgericht, es hat beispielsweise 2014 verfügt, der Anteil der „staatlichen und staatsnahen Mitglieder“ in den Rundfunkräten sei „konsequent zu begrenzen“. Und die Programmhoheit liegt eindeutig bei den Sendern. Damit würde sich eine – wenn auch weitgehend theoretische – Kontrollbefugnis einzelner Gerichte schwerlich vertragen.

So sehen es die meisten Gerichte, auch der Verwaltungsgerichtshof München, der zuvor über die Klage der unwilligen Zahlerin entschieden hat. Für inhaltliche Programmkritik seien die Gerichte von vornherein nicht zuständig, schrieb das Gericht. „Die Überprüfung der Einhaltung der staatsvertraglichen Vorgaben durch die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten obliegt vielmehr den jeweils zuständigen Gremien.“

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Aber es gibt auch andere Stimmen. Das Verwaltungsgericht Aachen hielt eine gerichtliche Programmprüfung durchaus für denkbar, wenn ein „systemisches oder strukturelles Versagen“ festzustellen wäre. Weil ohne Vielfalt und Ausgewogenheit der „individuelle Vorteil“, der den Beitrag rechtfertige, nicht mehr bestehe. Wäre dies die Lösung, die sich durchsetzt, kann man sich leicht ausmalen, dass die Beitragskläger mit frischer Energie zu Werke gingen.

Das Bundesverwaltungsgericht hat in dem Verfahren eigens die Revision zugelassen, außerdem nimmt es sich ungewöhnlich viel Zeit für die Beratung. Das sieht nach einer grundsätzlichen Antwort aus.

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