Man kann sich die Aufregung ganz gut vorstellen, nun, da das Leben von Infektionsgefahr beherrscht wird. Doch im Oktober 2014, als ein Fotograf im Aachener Klinikum Handyfotos eines Patienten schoss, ging es nicht um Corona, sondern um Ebola.
Ebola, das war das Wort, das der Fotograf an der Anmeldung der Notaufnahme gehört hatte, außerdem schnappte er aus dem Gespräch zwischen dem Mann und Klinikmitarbeitern die Worte Kongo, Belgien und Fieber auf. Und dass er bitte Abstand halten möge; man händigte ihm Mundschutz und Handschuhe aus. Für einen Fotografen, der gerade an einer Dokumentation über die sich damals verbreitende Epidemie arbeitete, war das Information genug, um auf den Auslöser zu drücken; ein Ebola-Verdachtsfall im offenen Wartebereich, wo 40 Patienten warteten - das sah nach grober Fahrlässigkeit aus.
Das Foto landete hinterher auf Bild.de, die Schlagzeile lautete: "Ebola Panne in NRW? Virus-Verdächtiger musste auf Klinik-Flur warten." Zu sehen war der dunkelhäutige Patient, deutlich erkennbar. Dem Fotografen trug das unverpixelt bei Bild.de eingereichte Foto eine Geldstrafe in Höhe von 3200 Euro (40 Tagessätze) wegen unbefugter Weitergabe von Bildaufnahmen ein. Der Mann hatte sich die Fotos noch auf dem Klinikflur verbeten, die behandelnde Ärztin verlangte deren Löschung und informierte den Fotografen, dass sich der Ebola-Verdacht nicht bestätigt habe.
Das Bundesverfassungsgericht hat die Verurteilung nun wegen Verletzung der Pressefreiheit aufgehoben. Begründung: Ob ein Foto zum Schutz der Betroffenen verpixelt werden muss oder nicht, das hat die Redaktion vor der Veröffentlichung zu entscheiden und nicht bereits der Fotograf, bevor er die Aufnahmen überhaupt anbietet. Das bloße Anfertigen der Bilder und die anschließende Weitergabe an die Zeitung dient danach der Vorbereitung einer Veröffentlichung und ist geschützt von der Pressefreiheit. "Es liegt jedenfalls in der Regel in der Verantwortung der jeweiligen Redaktionen, bei einer Veröffentlichung von Bildaufnahmen die Rechte der Abgebildeten zu wahren", heißt es in der Entscheidung.
Zwar spricht im konkreten Fall viel dafür, dass das Gesicht des Patienten hätte verpixelt werden müssen, trotz des großen öffentlichen Interesses, auf das sich die Zeitung für Berichte über unzureichende Sicherheitsvorkehrungen in einer Klinik berufen konnte. Denn ein solches Foto bedeute eine erhebliche Stigmatisierung und öffentliche Bloßstellung des Mannes, so hatte es das Landgericht Köln formuliert. Laut Bundesverfassungsgericht muss aber der Fotograf den Kollegen in der Redaktion nicht die Entscheidung darüber abnehmen, was gezeigt werden darf und was nicht.
Sind Fotografen damit als bloße Diener ihrer Herren außen vor, wenn es um mögliche Verletzungen des Persönlichkeitsrechts durch zudringliche oder stigmatisierende Bilder geht? Liest man den Beschluss genau, dann kommt man zum Ergebnis: Ganz so einfach ist es nicht. Denn auch der Kontext, in dem eine Aufnahme gemacht wurde, kann entscheidend für die Frage sein, ob und in welcher Form ein Bild gedruckt werden darf.
Im konkreten Fall ist nicht so ganz eindeutig, wie präzise der Fotograf die Bild-Redaktion über die Situation im Klinikflur informiert hat; jedenfalls hatten mehrere Nachrichtenagenturen zuvor das Foto dankend abgelehnt. Über Verpixelung wurde mit Bild.de nicht gesprochen, soviel ist klar. Aber das Verfassungsgericht unterstellt, dass er die Redaktion ordnungsgemäß über den Widerspruch des Betroffenen und den Protest der Ärztin in Kenntnis gesetzt habe; dass dies verschwiegen worden wäre, sei jedenfalls nicht gerichtlich festgestellt.
Im Umkehrschluss bedeutet das: Fotografen müssen den Redaktionen sehr wohl die konkreten Umstände einer Aufnahme offenlegen, jedenfalls dann, wenn dies entscheidend für den Schutz der Betroffenen sein kann. Denn dass der Gang vor den Strafrichter für Fotografen völlig ausgeschlossen wäre - das hat das Bundesverfassungsgericht nicht festgestellt.