"Bull":Millionengründe

MONACO-TV-FESTIVAL

Für sein Fehlverhalten entschuldigt: Michael Weatherly.

(Foto: Christian Alminana/AFP)

Die Serie des skandalgebeutelten Senders CBS geht in eine Staffel. Obwohl es Vorwürfe gegen Darsteller Michael Weatherly gibt.

Von Jürgen Schmieder

Die Serie Bull wird um eine vierte Staffel verlängert. Eigentlich kaum der Rede wert in Hollywood, weil die TV-Sender im Frühling nun mal über die Zukunft ihrer Produkte entscheiden, und es gibt für den Kanal CBS mehr als zehn Millionen Gründe, diese Geschichte über einen charismatischen Kriminalpsychologen fortzuführen: Die dritte Staffel, deren jüngste Folge am Montag ausgestrahlt worden ist, sahen durchschnittlich 11,4 Millionen Amerikaner - das reicht für die Top Ten der Dramen im frei empfangbaren TV. Alles in Ordnung also, gäbe es da nicht diesen Skandal um sexuelle Belästigung.

Im Dezember vergangenen Jahres kam heraus, dass CBS der Schauspielerin Eliza Dushku bei einer außergerichtlichen Einigung 9,5 Millionen Dollar bezahlt hat. Dushku, berühmt geworden durch ihre Rolle in der Vampir-Serie Buffy, wurde für ihre Gastauftritte in Bull mit 35 000 Dollar pro Folge entlohnt, durch die geplante Beförderung ins Ensemble hätte sich ihr Salär deutlich erhöht. Dazu kam es jedoch nicht, ganz im Gegenteil: Die von Dushku verkörperte Figur wurde nach nur drei Episoden aus der Geschichte entfernt.

Dushku, 39, hatte sich bei den Verantwortlichen der Serie über das ungebührliche Verhalten von Hauptdarsteller Michael Weatherly beschwert. Der habe sich während der Dreharbeiten daneben benommen, sich sexistisch über das Aussehen von Dushku geäußert und Witze über Gruppensex und Vergewaltigung gemacht. Das Ergebnis: Die Dreharbeiten gingen weiter - ohne Dushku. Die drohte mit einer Klage wegen sexueller Belästigung und bekam bei einer außergerichtlichen Einigung die erwähnten 9,5 Millionen Dollar zugesprochen. Das entspricht in etwa dem Gehalt, das sie verdient hätte, wäre sie für vier Spielzeiten fest angestellt worden.

Weatherly, 50, entschuldigte sich nach Bekanntwerden der Vorwürfe bei Dushku. Er habe nur witzig sein wollen. "Als Elize mir gesagt hat, dass ihr meine Sprüche und Witze unangenehm seien, bin ich erschüttert gewesen und habe mich sogleich entschuldigt", sagte er damals: "Ich verstehe jetzt, dass das, was ich gesagt habe, nicht in Ordnung gewesen ist. Das tut mir leid." Er sagte aber auch, dass er nicht dafür verantwortlich sei, dass Dushku nicht mehr beschäftigt würde. Weatherly ist ein bekannter und damit mächtiger Schauspieler bei CBS, vor Bull hatte er 13 Jahre lang eine Hauptrolle im erfolgreichen US-Krimidrama NCIS.

"Es hat vorher niemals Beschwerden über ihn gegeben, und danach auch nicht", sagte CBS-Präsident Kelly Kahl. "Er hat einen Fehler gemacht, er hat dafür die Verantwortung übernommen. Er hat seinen Fehler bereut und sich dafür entschuldigt."

Weatherly habe sich einem intensiven Training unterzogen, wie er dazu beitragen könne, das Arbeitsklima bei den Dreharbeiten künftig angenehmer zu gestalten: "Wir haben die Gesamtsituation betrachtet, und wir halten es für richtig, Bull weiterhin auszustrahlen." Es bleibt dennoch ein fader Beigeschmack - nicht nur deshalb, weil Dushku aufgrund weiterer Vorwürfe (sie hatte auch bekanntgegeben, im Jahr 1994 als Zwölfjährige während der Dreharbeiten zum Film True Lies von einem Stunt-Koordinator belästigt worden zu sein) zu einer prägenden Stimme gegen sexuellen Missbrauch in der Unterhaltungsbranche geworden ist. CBS hatte zuletzt einige heftige Skandale zu verarbeiten: Geschäftsführer Leslie Moonves, Produzent Jeff Fager (60 Minutes) und Moderator Charlie Rose (CBS This Morning) mussten das Unternehmen nach Vorwürfen der sexuellen Belästigung verlassen.

Sie klopfen sich nun recht offensiv auf die Schulter bei CBS, dass sie auf all die Skandale reagiert und die Firmenkultur verändert haben - bei Dreharbeiten ist nun immer ein Mitarbeiter der Personalabteilung anwesend, zahlreiche Produktionen beschäftigen "Intimacy Directors" für heikle Szenen. "Die Dinge werden nun nicht mehr geregelt, wie das vielleicht in der Vergangenheit passiert ist", sagt Kahl. Die Serie Bull wird um eine vierte Staffel verlängert. Es gab ganz offensichtlich mehr als zehn Millionen Gründe, sie fortzuführen. Es hätte aber auch 9,5 Millionen Gründe gegeben, das nicht zu tun.

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