Buchvorstellung: "Der kleine Wählerhasser":Berliner Bände

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Eigentlich schien Karl-Theodor zu Guttenberg der rechte Mann, um das Buch des "Bild"-Journalisten Nikolaus Blome vorzustellen. Ein Malheur kam dazwischen - und Sigmar Gabriel sprang ein. Wie Bücher Politiker und Journalisten verbinden.

Willi Winkler

Auch wenn das Buch ein nicht hoch genug zu schätzendes Kulturgut ist, das unbedingt bewahrt werden muss, darf doch sein offenbarer Nachteil nicht verschwiegen werden: Noch immer lässt sich kein Fisch von einem Buch einwickeln. Auch sonst ist der Nutzwert gering: Das Buch ist zwar eckig, aber nur selten dick genug, um damit eine Tür zu sperren. Auch kommt es in unterschiedlichster Härte und Größe, weshalb der süße kleine Bistrotisch im Esszimmer trotz der liebevoll untergelegten vier Bände von Uwe Johnsons Jahrestagen immer noch wackelt.

Bei der Vorstellung von Nikolaus Blomes Buch "Der kleine Wählerhasser" tat Sigmar Gabriel (links), was seines Ehrenamtes war, er lobte. (Foto: dapd)

Zeitungen sind da ganz anders. Besagten Fisch umschmeicheln sie liebevoll und bewahren sein Aroma noch wenigstens einen weiteren Tag. Schuhe lassen sich damit ausstopfen oder die wintertrüben Scheiben putzen, damit der Frühling endlich auch das Bistrotischchen in der Ecke erreicht. Ein anderer, wenn auch weniger bekannter Nutzwert der Zeitungen soll nicht verschwiegen werden: Sie bringen manchmal Nachrichten, von denen nicht alle erbaut sind. Sie berichten von der großen und der kleinen Korruption, von Politikern, die ihrer Freundin einen zur Augenfarbe passenden Posten verschaffen oder sich den Doktortitel erschwindeln, der ihnen in der Sammlung noch gefehlt hat.

Karl-Theodor zu Guttenberg, die regelmäßigen Leser dieser Zeitung werden sich erinnern, entwickelte sich in einem so bestürzenden Tempo zu einer blenden Lichtgestalt, dass nicht viel fehlte, und er wäre zum Winterende im 19. Stock des Springer-Hochhauses unter einem Gemälde des Firmengründers als neuer, besserer Bundeskanzler vereidigt worden. So groß war der Name, so strahlend die monarchische Schleppe, mit der er einherzog, dass er der rechte Mann schien, um das Buch Der kleine Wählerhasser von Nikolaus Blome vorzustellen. Ein Malheur kam dazwischen, der Kanzler-Prätendent war in der Zwischenzeit, nicht ohne Zutun verschiedener Zeitungen, als Hochstapler entlarvt worden und war deshalb zum vorgesehenen Zeitpunkt von seinem Amt als Verteidigungsminister bereits zurückgetreten.

Die Verteidigung des Blome'schen Buches übernahm jetzt, wie der Bild-Kolumnist Hugo Müller-Vogg nun in der Bild-Zeitung berichtete, der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel. Dem droht vorläufig nicht die baldige Berufung zum Kanzler, aber er fügt sich ein in die Reihe von Politikern, die das Erscheinen eines Journalisten-Buches mit ihrer Gegenwart beehren.

Das ist ein schöner Zug und kommt gar nicht so selten vor; nicht wenige Journalisten überregionaler Medien, auch von dieser Zeitung, durften sich bei der Vorstellung ihres Buches der verkaufsfördernden Glückwünsche oder Schelte eines Politikers erfreuen. Gegen ein kritisches Buch ist nichts einzuwenden, schon gar nicht gegen ein kritisches Buch, das der Leiter des Bild-Hauptstadtbüros über das geschrieben hat, "was Politiker wirklich über Bürger denken". Dass Gabriel der SPD angehört und der so früh aus allen Ämtern geschiedene Guttenberg der CSU, tut erkennbar nichts zur Sache. Hauptsache Politiker.

Sigmar Gabriel tat, was seines Ehrenamtes war, er lobte. Er fand, wie Müller-Vogg knallhart reportierte, das Buch des Kollegen Blome "ganz klug beobachtet" und "viel besser, als der Titel befürchten lässt". Das ist schön, wenn auch nicht ganz so überschwänglich, dass es sich als fachkundiges Lob auf einer Banderole um das Buch wickeln ließe. Deshalb kann es gut sein, dass Der kleine Wählerhasser bald für 7,95 Euro bei Wohltat oder Joker liegt und letzte Ruhestätte neben ähnlicher Ware wie Mariam Laus Die letzte Volkspartei oder Graf Bassewitzens Merkel-Biographie oder Gabor Steingarts letztem Horrorgemälde unterm Bistrotischchen findet, um den armen Uwe Johnson endlich von dort auszulösen.

Das höchste Lob für Journalisten fiel einst Konrad Adenauer ein. Während einer Kabinettssitzung entfuhr ihm 1954 der grundkatholische Stoßseufzer: "Nun bin ich der Auffassung, dass unsere deutsche Presse ja wirklich ein unglückseliges Instrument ist." Die Presse störte den ersten Bundeskanzler nämlich bei seinem selbstherrlichen Regieren, am liebsten hätte er gleich ein neues Propagandaministerium eingerichtet (was die Presse zu verhindern wusste), und in der Spiegel-Affäre, die ihn letztlich zu Fall brachte, witterte er einen "Abgrund von Landesverrat". (Ausführungen des Herrn Bundeskanzlers in der 38. Kabinettssitzung am Mittwoch, den 7. Juli 1954). Adenauer hat meines Wissens nie das Buch eines Journalisten vorgestellt.

© SZ vom 13.04.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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