Buch über François Hollande:"Es ist idiotisch, aber ich musste weinen"

Drei Monate nach seinem Amtsantritt steckt Frankreichs Präsident Hollande mittendrin in der Mediengesellschaft, zu der er nie gehören wollte. Er zeigt sich mit seiner Lebensgefährtin im Sommerurlaub lässig in Strandklamotten. Nun erscheint ein Buch über seinen Wahlkampf, in dem der Autor nicht immer die Distanz wahren kann.

Claudia Tieschky

Am Donnerstag wird der französische Staatspräsident François Hollande in Berlin landen, um mit Angela Merkel zusammenzutreffen. Ob die beiden sich wirklich mögen, ist schwer zu sagen, aber ein Buch, das in der kommenden Woche in Frankreich bei Grasset erscheint, setzt die Öffentlichkeit nun immerhin ins Bild über das erste Telefonat zwischen der CDU-Kanzlerin und dem französischen Sozialisten nach seinem Wahlsieg am 6. Mai. "Sie war sehr pragmatisch", vertraute Hollande nach dem Gespräch mit Merkel dem Schriftsteller Laurent Binet an. "Sie stellte mir nur zwei Fragen: Ob ich wünsche, dass unser Gespräch öffentlich gemacht werde. Und wann ich gedenke, den ersten Besuchstermin für Berlin festzulegen."

-

Sommerferien unter Beobachtung: Hollande mit Lebensgefährtin Trierweiler Anfang August in Fort de Brégançon.

(Foto: AFP)

So ist sie, die Bundeskanzlerin, kühl, sachorientiert - so wie Hollande sich selbst gerne sieht. Der 58-Jährige hat sein Image von Anfang an als kalkulierten Gegenentwurf zu seinem Vorgänger aufgebaut. Anders als der exaltierte Medien-Strippenzieher Nicolas Sarkozy inszenierte er sich bewusst als "normaler" Präsident. Das heißt, im Vergleich zu dem Bling-Bling, das man rund um Sarkozy beobachten konnte und das zuweilen wie eine Schnäppchen-Variante des russischen Oligarchenstils wirkte, gibt sich Hollande als Moralist, der seinen Ministern (und sich selbst) das Gehalt um 30 Prozent kürzt, allen Urlaub im eigenen Land verordnet und mit dem Zug in die Ferien fährt. Vor allem passen zu diesem Image natürlich keine Auftritte in der Regenbogenpresse.

Doch nur drei Monate nach seinem Amtsantritt ist Hollande längst aktiver Teil der Mediengesellschaft, in der sich sein Vorgänger so begeistert tummelte. Der neue Mann, der wie ein Buchhalter aussieht und bisher nicht mit markigen Sprüchen über Kärcher-Reinigung von Problemvierteln auffiel, musste kürzlich seine streitlustige Großfamilie in der sogenannten Twitter-Affäre zur Ordnung rufen: Lebensgefährtin Valérie Trierweiler, 47, hatte bei den Parlamentswahlen im Juni über den Kurznachrichtendienst Sympathie für den politischen Gegner von Ségolène Royal im Wahlkreis La Rochelle bekundet. Royal ist nicht irgendwer, sondern die Mutter von Hollandes vier Kindern.

Trierweilers Getwitter wurde vom Publikum genau so verstanden, wie es gemeint war. Anschließend wurde Sohn Thomas von dem Magazin Le Point mit dem Vorwurf zitiert, die neue Frau seines Vaters habe dessen mühsam aufgebautes Normalo-Image zerstört. Später bestritt Thomas Hollande einen Teil der Äußerungen. Damit wieder Ruhe einkehrte, musste das Familienoberhaupt, das inzwischen als Präsident amtiert, einschreiten und alle zur Ordnung rufen.

Dass nun auch das Detail des Merkel-Telefonats überhaupt publik wird, verdankt sich der Tatsache, dass sich Hollande nicht weniger als seine Vorgänger um seinen Platz in der Geschichte sorgt. Deshalb ließ er den Schriftsteller Binet als Porträtmaler an seine Seite. Hollandes Lebensgefährtin Valérie Trierweiler brachte die beiden freundlicherweise zusammen. Die Journalistin hat kürzlich auch einen Bildband des Fotografen Stéphane Ruet betextet. Das Buch mit dem recht eindeutigen Titel François Hollande Président - 400 jours dans le coulisses d'une victoire (400 Tage hinter den Kulissen eines Sieges) ist zwar bisher noch kein Bestseller, aber ein weiterer Schritt auf dem Weg zur Herrscherlegende. Nach Hollandes Sieg wurde Stéphane Ruet zum offiziellen Hoffotografen ernannt. Ein ganz neuer Posten im Élysée-Palast, wie sich die Tageszeitung Le Monde mokierte. Die Medieninszenierung des François Hollande ist inzwischen von der Normalität seiner Ankündigungen zumindest schon so weit entfernt wie Nicolas Sarkozy, bevor er Carla Bruni heiratete.

Privates wird längst politisch

Im Moment klatscht Frankreich über aktuelle Badefotos des Paares Hollande/Trierweiler, die beide eher rundlich und in wirklich sehr normaler Strandkleidung auf dem Weg ins Wasser zu sehen sind - und deren Abdruck die Journalistin Trierweiler angeblich zu Teilen verhindern wollte. Die Netzwerkerin Trierweiler ist bis heute bezahlte, wenn auch sparsam eingesetzte Mitarbeiterin des Magazins Paris Match, das auf Promi- und Klatschthemen ungern verzichtet: 2005 zeigte das Magazin ein Foto der Noch-Präsidentengattin Cécilia Sarkozy mit ihrem Liebhaber. Der Chefredakteur wurde damals vom Herausgeber und Sarkzoy-Freund Arnaud Lagardère gefeuert. Die treue Presse-Begleitung der Neuvermählung mit Carla Bruni, Schwangerschaft und Geburt hat am Ende allerdings Sarkozys Niederlage auch nicht verhindert.

Laurent Binets Buch ist ein Bericht aus dem inneren des Wahlkampfs des Sozialisten Hollande gegen den Amtsinhaber. Binet fiel in Frankreich mit einem Roman über Reinhard Heydrich auf, den Chef des Reichssicherheitshauptamts, das den im Französischen lautmalerischen Titel HhHH trägt und auch auf deutsch erschienen ist (Hitlers Hirn heißt Heydrich, Rowohlt). Von Sommer 2011 an war der 1972 geborene Binet als Embedded Reporter mit dabei im Wahlkampf-Team Hollandes und hatte Zugang zum innersten Kreis der Kampagne. Aus dem 300-Seiten Werk Rien ne se passe comme prévu (etwa: Alles kommt anders) veröffentlicht das Magazin Nouvel Observateur Auszüge in seiner aktuellen Ausgabe. Man erfährt etwa, dass Hollande bei der Kandidatenkür innerhalb seiner Partei mehr Respekt vor den weiblichen Gegnern Martine Aubry und Ségolène Royal hatte als vor einem Kräftemessen mit Dominique Strauss-Kahn - der sich freilich mit seinen Sex-Affären schon vorher disqualifzierte. Oder dass am Wahlabend kurz vor den Hauptnachrichten mit den Hochrechnungen Hollandes Fernseher ausfiel.

Beiname Yasmino Rezo

In Frankreich erhielt Binet bereits den heiteren Beinamen Yasmino Rezo - in Anspielung auf die Dramatikerin Yasmina Reza, die ihrerseits den Wahlkampf von Nicolas Sarkozy 2007 begleitet hatte - allerdings mit viel ironischer Distanz gegenüber dem Mann, den sie immer wieder als "Kind" beschrieb, gegenüber ihrer eigenen Einstellung zu ihm und gegenüber den Männerbünden, die ihn umgaben. Sie habe Dinge gesehen, die sie sonst niemals hätte sehen können, beschreibt Reza in der aktuellen FAS ihre Erfahrung. Auch Binet verlangt sich selbst Distanz ab, wie er schreibt. Nicht immer gelingt das. "Es ist idiotisch, aber ich musste weinen", notiert er am Abend des Wahlsieges.

Ein anderer Sozialist, auf den sich Hollande gern beruft, hat bei Gelegenheit auch das Private politisch verstanden und öffentlich gemacht. François Mitterrand hat es stets verstanden, sich der Medien zu bedienen, meist auf diese diskrete Art der Bourgeoisie. Doch gegen Ende seines Lebens, als sein Herrschaftsgebaren zunehmend kaiserlich wirkte, ließ er öffentlich in sein Privatleben blicken und lieferte selbst die Deutung seines Lebens. Dem Holocaust-Überlebenden Elie Wiesel erzählte er die Geschichte vom Résistance-Kämpfer Mitterrand; und schließlich vertraute der Öffentlichkeit an, dass er nicht nur Präsident, sondern auch ein Mann war. Er erklärte sich 1994 zu seiner jahrelangen Beziehung mit Kunsthistorikerin Anne Pingeot und der gemeinsamen Tochter Mazarine, für die er sich auf den Begriff "fille naturelle" besann - ein korrekter Ausdruck, der das Pikante an der Sache genial überspielte. Vor allem aber hatte er damit die Grenze zwischen dem Privatleben im Elysée und der Presse durchlässiger gemacht.

Unter seinen Nachfolger Jacques Chirac blieb das recht folgenlos. Der war vor allem bekannt für seine Liebe zur Blutwurst.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: