Süddeutsche Zeitung

Britische Boulevardzeitung "The Sun":Ende der Barbusigkeit

Das erste Oben-ohne-Model vor mehr als 30 Jahren war eine Deutsche. Nun macht das britische Boulevardblatt "The Sun" Schluss mit barbusigen Frauen auf Page 3. Nackte Tatsachen sind kein Verkaufsargument mehr.

Von Björn Finke, London

Es handele sich um eine "britische Institution". Sie feiere "natürliche Schönheit" und präsentiere "gute Rollenvorbilder" für junge Frauen. So pries Dominic Mohan, damals Chefredakteur des britischen Boulevardblatts The Sun , die Fotos barbusiger Frauen, die seine Zeitung seit 1970 auf der dritten Seite druckt. Er stand 2012 einem Untersuchungsausschuss zu Ethik in den Medien Rede und Antwort.

Diese "Institution" wurde nun still und heimlich beerdigt: Am vergangenen Freitag erschien die Sun zum letzten Mal mit einem Oben-ohne-Bild auf Page 3. Am Montag war ein Model in schwarzer Unterwäsche zu sehen, am Dienstag Seifenoper-Darstellerinnen in Bikinis. Nackte Haut: ja, nackte Brüste: nein.

Die Sun selbst hält sich zu dem Thema bedeckt, aber die Tageszeitung Times, die wie das Boulevardblatt dem Medienunternehmer Rupert Murdoch gehört, schreibt, der Abschied von den barbusigen Frauen sei endgültig. Andere Medien hingegen berichten, die Entscheidung könne rückgängig gemacht werden, sollte die Auflage leiden. Ohnehin präsentiert die Sun auf der Internetseite page3.com weiterhin Oben-ohne-Bilder. In der Printausgabe am Dienstag erhalten enttäuschte Leser den Tipp, sich online "Lucy aus London" in gewohnt knappem Outfit anzuschauen.

Brustbilder weiter hinten im Blatt

Die Briten setzen somit auf Online, ebenso wie die Bild-Zeitung. Die Deutschen schafften vor drei Jahren das "Seite-1-Girl" ab und zeigen Brustbilder nun weiter hinten im Blatt; auf der Webseite können sich Interessierte außerdem an "Bild-Girls" erfreuen. "Darum brauch ich's tierisch im Bett", erläuterte dort am Dienstag die 32-jährige Sandy.

Aber im Netz sind Nacktfotos immer nur einen Klick entfernt, Aufreizendes findet sich kostenlos auf unzähligen Seiten. Daher kauften wohl zuletzt nur wenige Männer Sun oder Bild mit der Absicht, endlich mal eine junge Frau ohne Oberteil sehen zu können. Die Allgegenwart nackter Haut im Netz, vom ambitionierten Aktfoto bis zum Amateur-Porno, macht auch Männermagazinen zu schaffen. Über die Jahrzehnte sanken die Auflagen, Titel verschwanden.

Die irische Ausgabe der Sun verbannte schon im Sommer 2013 nackte Brüste aus dem Blatt - auf die Auflage wirkte sich das kaum aus. Dass die britische Version jetzt nachzieht, ist ein Erfolg für Frauenrechtler und Politiker, die seit Jahrzehnten gegen die Oben-ohne-Fotos wettern. Es ist auch ein Versuch von Medienunternehmer Murdoch, seinen lädierten Ruf in Großbritannien aufzupolieren. Der heute 83-jährige Milliardär musste im Juli 2011 das altehrwürdige Boulevardblatt News of the World schließen, nachdem herausgekommen war, dass Journalisten auf der Jagd nach Geschichten systematisch Mobilboxen gehackt und belauscht hatten.

Ansage von ganz oben

Murdoch reagierte bereits im September auf die anhaltende Kritik an den Nacktbildern: Er verbreitete über Twitter, dass er diese Fotos "altmodisch" finde. Der Abschaffung vier Monate später soll er zugestimmt haben, heißt es. Murdoch kaufte die Sun 1969, und aus dem siechen Blatt machte er die größte Zeitung des Landes. In der Spitze betrug die Auflage vier Millionen, doch in den vergangenen Jahrzehnten sank sie rapide - genau wie die anderer Titel. Im Oktober fiel sie zum ersten Mal seit 43 Jahren unter zwei Millionen.

Die Tradition des Oben-ohne-Fotos auf Seite drei begann am 17. November 1970 - mit dem Bild eines deutschen Models, der 22-jährigen Stephanie Rahn. Andere Zeitungen zogen nach. Im Jahr 1983 erschien in der Sun das Foto einer 16-jährigen Londonerin: Samantha Fox. Dies war der Beginn ihrer Model- und Popstarkarriere.

Page 3 mag also für manche Frauen ein Sprungbrett ins Showgeschäft gewesen sein, für die zahlreichen Kritiker sind diese Fotos vor allem ein Ausweis von Sexismus. Die Sun verabschiedet sich nun von den Bildern, doch andere britische Blätter wie der Daily Star setzen weiter auf nackte Brüste. Altmodisch hin oder her.

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Quelle:
SZ vom 21.01.2015/jobr
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