Presseschau zum Brexit:"Make Leave, Not War"

Presseschau zum Brexit: Von Freitag auf Samstag hat Großbritannien die EU verlassen. Für manche ein Grund zum Feiern.

Von Freitag auf Samstag hat Großbritannien die EU verlassen. Für manche ein Grund zum Feiern.

(Foto: Daniel Leal-Olivas/AFP)

Manche jubeln, andere trauern: So haben die britischen Medien den ersten Tag nach dem EU-Austritt ihres Landes eingeläutet.

"Make Leave, Not War", titelte die Brexit-freundliche Boulevardzeitung The Sun am Samstag. Und auch in der sonstigen Berichterstattung kommen die Feierlichkeiten der Unterstützer nicht zu kurz.

"Nach Jahren des Zauderns und der Verzögerung feiert die Öffentlichkeit heute Abend mit Boris Johnson, der endlich Brexit liefert. Der Premierminister schwor, das 'volle Potenzial' von Brexit in Großbritannien freizusetzen und versprach 'Hoffnung und Chancen' für den Norden. Szenen des Jubels brachen bei einer Kundgebung auf dem Parlamentsplatz aus, als die Uhr 23 Uhr schlug und die Brexit-Fans Tränen in den Augen hatten, als sie eine Version von God Save The Queen sangen."

Ähnlich sieht das der Telegraph. In einem Kommentar schreibt die Journalistin Allison Pearson, wie erleichtert sie sei.

"Nun, Gott sei Dank ist es vorbei, mehr kann ich nicht sagen.Es gab eine Menge Feiern. Die Stimmung war getragen von dem berauschenden Gefühl, dass wir endlich gegangen sind. WIR HABEN ES GETAN! In Chelsea wurde Brexit-Bier auf der Party von Jon Moynihan von Vote Leave serviert."

Im Londoner Independent klingt das schon ein bisschen kühler.

"Das Vereinigte Königreich hat in den letzten drei Jahren keine Außenpolitik betrieben. Wir waren völlig mit dem Brexit beschäftigt und hatten keine Energie für den Rest der Welt. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird dies auch während der Verhandlungen über die neuen Beziehungen im nächsten Jahr und wahrscheinlich noch länger der Fall sein."

"Der Tag, an dem wir Goodbye sagten", schrieb der Guardian und flankierte diesen Titel mit einer traurig dreinschauenden Bulldogge und den Worten "Vermissen euch bereits...".

"Die gemischten Gefühle des Brexit-Tages zeigen, dass das Vereinigte Königreich noch immer nicht mit sich im Reinen ist", heißt es in dem Artikel.

Auch die New York Times betont, dass ein Umbruch auch immer mit Fragzeichen verbunden ist.

"Für Großbritannien, das sich in der Nachkriegszeit von einem weltumspannenden Imperium zu einem widerstrebenden Mitglied des europäischen Projekts entwickelt hatte, war das ein weiterer epochaler Aufbruch. Es ist ein Aufbruch, der die gefestigten Beziehungen in praktisch allen Bereichen der Gesellschaft, der Wirtschaft und in Sicherheitsfragen auf den Kopf stellen wird, während er Großbritannien mit neuen Fragen der nationalen Identität konfrontiert."

In der Züricher NZZ wird dagegen thematisiert, dass sich vermutlich erstmal gar nicht so viel ändern wird.

"Gemessen an der Erschütterung, die der Ausgang des EU-Referendums im Juni 2016 mit sich gebracht hatte, und den vielen Monaten der bitteren politischen Auseinandersetzungen seither, haftete dem Ereignis eine banale Note an. Am EU-Hauptsitz in Brüssel wurden die britischen Fahnen eingezogen, umgekehrt hörte das blaue Sternenbanner auf, von den britischen Aussenvertretungen hergezeigt zu werden. (...) Die britischen Vertretungen in den EU-Institutionen werden abgezogen, und London verfügt ab sofort als souveräne Handelsmacht über eigene Verhandlungskompetenz. Aber sonst?"

Wie geht es in Zukunft weiter zwischen Großbritannien und der EU? Die niederländische Zeitung De Telegraaf schreibt von heftigem Streit, der programmiert sei.

"Die EU befürchtet, dass die Briten europäische Regeln unterlaufen wollen, um der Union auf diese Weise hart Konkurrenz zu machen. Nur wenn das Vereinigte Königreich zusagt, sich an EU-Standards zu halten - zum Beispiel bei der Nahrungsmittelsicherheit - stellt ihm die EU einen Handelsvertrag ohne Quoten und Zölle in Aussicht. Premierminister Boris Johnson scheint hingegen eher die Idee eines "Singapur an der Nordsee" zu gefallen. Heftiger Streit ist vorprogrammiert. Die EU beschwört, dass sie gute Beziehungen zum britischen Nachbarn unterhalten will. Aber hat sie wirklich nur das Beste für Großbritannien im Sinn? Man stelle sich mal vor, dass die Briten einen fantastischen Deal bekommen, wodurch der Brexit zum Erfolgsmodell wird. Das könnte andere Länder schon mal auf Ideen bringen. Und das ist es natürlich nicht, was die EU will."

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