Brasilien:Spiele der Gewalt

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ZDF-Korrespondent Andreas Wunn und sein Team begleiten in der Doku eine Polizeipatrouille in einer Favela in Rio de Janeiro. (Foto: ZDF)

Lateinamerikas Riese schien endlich seine Rolle in der Welt gefunden zu haben. Doch nun, kurz vor den Olympischen Spielen in Rio, wird Brasilien wieder von Krisen geschüttelt. 3sat zeigt eine Reise durch ein Land in Depression.

Von Peter Burghardt

Ach, Brasilien. So schön, so groß, so freundlich, so reich, so arm, so brutal, so chaotisch, so ungerecht. Vor ein paar Jahren dachte man, Lateinamerikas Riese finde nun endlich seine Rolle. Unter dem damaligen Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva und noch einige Zeit unter seiner Nachfolgerin Dilma Rousseff ging es derart bergauf, dass es schien, als würde sich die Jesusfigur auf dem Corcovado von Rio de Janeiro in die Lüfte erheben. Lula impfte der Nation Selbstbewusstsein ein. Und jetzt, zwei Jahre nach der Fußball-WM und wenige Tage vor Olympia in Rio? Frust.

Der ZDF-Korrespondent Andreas Wunn beschreibt die Enttäuschungen sehr schön in seinem Stück mit dem etwas holzschnittartigen Titel Absteiger Brasilien - vom Hoffnungsträger zum Sorgenkind auf 3sat. Er wählt einige passende Schauplätze zerplatzter Träume.

Die Reise durch die brasilianische Depression beginnt an einem verpfuschten Radweg in Rio, der im April drei Menschen ins Meer riss und zwei von ihnen in den Tod. Es geht durch absurde Staus zur Industriestadt Itaboraí, die statt zum Symbol des Öl-Booms zum Symbol verfallender Ölpreise und zerronnenen Größenwahns wurde. Wunn widmet sich dem Korruptionskonzern Petrobras, den Prozessen gegen Kleptomanen aus Parlament und Senat und der vorläufigen Absetzung der Präsidentin Rousseff.

Seine Protagonisten beklagen die sagenhaft verdreckte Guanabara-Bucht, in deren Abwässern unter den fünf Ringen gesegelt werden soll, und ein Armenviertel, das wegen der Sommerspiele und mutmaßlicher Immobiliengelüste weggeräumt wurde. Wunn besucht Opfer des Zika-Virus, der im Nordosten besonders wütet. Er schildert Rios Favelas, die befriedet werden sollten, aber in denen die Kugeln fliegen, abgeschossen von Drogengangs und ebenso schießwütigen Polizisten.

Der Krieg in den Hügeln geht weiter. "Noch nie", sagt der Autor, "fanden Olympische Spiele an einem so gewalttätigen Ort statt wie in Rio de Janeiro." Das ist ein harter, doch leider wohl treffender Satz. Natürlich bräuchte Brasilien eher mehr und bessere Schulen und Krankenhäuser als absurd teure Sportveranstaltungen im Dienste von Bauherren und Verbänden.

Was bei der Betrachtung etwas kurz kommt, das sind der dreiste politische Umsturz und die ewige Ignoranz der Elite. Recht hat Wunn, wenn er vermutet, dass es trotz allem gute Spiele werden können. Denn eines fehlt den Brasilianern nie: Hoffnung.

Absteiger Brasilien - vom Hoffnungsträger zum Sorgenkind , 3sat, Mittwoch, 21.45 Uhr.

© SZ vom 27.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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