BR-Porträt:Nicht reserviert

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Mit 75 zeit- und alterslos: Barbetreiber Charles Schumann. (Foto: Niv Abootalebi)

Der Münchner Promi-Barchef Charles Schumann ist vor kurzem 75 Jahre alt geworden. Zum Geburtstag ist eine filmische Liebeserklärung entstanden, unterlegt mit Tom-Waits-Musik und dem Jubelchor der Fangemeinde.

Von Christian Mayer

Eine gute Bar ist ein Ort des Trostes und der rauschbedingten Wirklichkeitsverweigerung, aber in diesem Fall noch mehr: Das Schumann's in München hat für viele Gäste nahezu kultische Bedeutung. Es ist ein Sehnsuchtsort, und das liegt an ihm. An Charles Schumann, der für seine Gäste alles ist: Stilikone, Seelentröster, Sportskamerad, Gelegenheitsphilosoph und Großgrantler, bei dem die Ruppigkeit oft ein Zeichen von Zuneigung ist.

Der mit 75 vollkommen Zeit- und Alterslose wandelt längst nicht mehr sockenlos auf den Kieswegen des Hofgartens, er schwebt über den Dingen - das ist auch ein wenig das Problem des BR-Porträts der Filmautorin Marieke Schroeder. Sie ist ganz schön dicht dran an ihrem Helden. Seine Schwächen deutet sie zwar an, erliegt dann aber restlos seinem rauen Charme. Charles Schumann - von Kirchenthumbach in die Welt ist daher eine Liebeserklärung geworden, unterlegt mit Tom-Waits-Musik und dem Jubelchor der Fangemeinde. Als Zuschauer ist man am Ende ganz froh, dass zumindest einer auf Distanz bleibt: Charles Schumann selbst.

Der Film beginnt als sentimentale Reise, mit Bildern des blendend aussehenden Bauernsohnes, der katholischer Pfarrer werden sollte und in der Schule kreuzunglücklich war. Er ging zum Bundesgrenzschutz, dann haute er ab nach Südfrankreich, wo er als Nachtclub-Chef für Furore sorgte. In München eröffnete er 1982 die Schumann's Bar in der Maximilianstraße, über deren ungeschriebene Codes ganze Sammelwerke erschienen sind, weil Literaten, Filmemacher, Journalisten und Verleger eine Fraktionsgemeinschaft bildeten. Warum diese oft peinigend überfüllte Begegnungszone so abging, das versucht der Film natürlich auch zu erklären. Genauso wie die Ambivalenz der 2003 an den Hofgarten transferierten Bar: Weniger gern gesehene Gäste werden in die nichtreservierte Zone abgeschoben und bei Fehlverhalten rausgeekelt, die besseren und besten Freunde kommen in den Genuss streng hierarchisierter Gunstbeweise.

Ob Schumann, die Münchner Spektabilität, alles glaubt, was er sagt? "Ich bin ja eher so der Schläger. Mein einziges Problem ist, dass ich keine Angst hab - und dann krieg ich eins auf die Fresse." Ein typischer Charles, halbernst hingerotzt und irgendwie wahr. Richtig lustig ist der Film, als die Reise ins Dorf seiner Kindheit führt, wo sein Bruder Wolfgang als Landwirt arbeitet: Hier trifft man endlich einen, der keinen Respekt vor langen grauen Haaren hat, sondern einen anarchischen Sinn für Humor: Der Kare, habe der Vater gesagt, sei halt für den Beruf des Bauern zu dumm. Deshalb müsse er Priester werden. Barkeeper war dann aber auch nicht schlecht.

Charles Schumann - Von Kirchenthumbach in die Welt , BR, 20.15 Uhr.

© SZ vom 19.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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