Süddeutsche Zeitung

Boulevardzeitung:Plötzliche Ansage

Überaschung in der Redaktionskonferenz: Münchner "tz" verliert ihren Chefredakteur Rudolf Bögel. Über die Gründe wird spekuliert.

Von Karoline Meta Beisel

Die Zeiten, in denen Zeitungen Nachrichten überbringen können, seien vorbei, sagte Rudolf Bögel, Chefredakteur der Münchner Boulevardzeitung tz im Januar des vergangenen Jahres. Stattdessen "werden wir diejenigen sein, die die Nachricht nachbereiten, oder die ganz eigene Nachrichten machen", sagte er weiter. Was er damit wohl nicht meinte, war, dass auch er selbst einmal zur Nachricht werden könnte, wie an diesem Dienstag. Da verkündete der 55-Jährige am Morgen in der Redaktionskonferenz "als Rausschmeißer", dass dieser Dienstag sein letzter Tag als Chefredakteur der tz sein würde.

Verleger Ippen teilt mit, der Verlag bedaure die Entscheidung

Verleger Dirk Ippen ließ am Abend mitteilen, man "bedaure seine Entscheidung sehr", das klingt, als ginge Bögel auf eigenen Wunsch. Über die weiteren Hintergründe wurde nichts bekannt. In der Redaktion wurde die Nachricht mit Überraschung aufgenommen, Bögel selbst habe in der Konferenz am Morgen "frohgemut gewirkt", nicht etwa gegrollt, heißt es aus der Redaktion.

Die tz hat wie viele Tageszeitungen mit einer sinkenden Auflage zu kämpfen; seit Bögel 2006 Chefredakteur wurde, ist die verkaufte Auflage um gut 40 000 auf zuletzt 109 000 Exemplare gesunken. Bögel hielt diesen Zahlen Geschichten "nah am Menschen, mit Menschen, für Menschen" entgegen, viel Service also, Sonderaktionen wie "zweisprachige" Ausgaben in Bairisch und Hochdeutsch, bisweilen aber auch reißerische Geschichten wie den "Angst-Atlas: Diese 20 Orte fürchten Münchner am meisten" und die bange Frage: "Ist das noch unser München?"

Im Netz ist die tz mit diesem Kurs vergleichsweise erfolgreich, im Januar rangierte die Webseite bundesweit auf Platz 15 der meistbesuchten Nachrichtenseiten: knapp hinter Madsacks Redaktionsnetzwerk Deutschland, aber zum Beispiel noch vor dem Handelsblatt oder der Webseite des Schwesterblatts Münchner Merkur, obwohl die Abonnement-Zeitung mit 237 000 Stück deutlich mehr Exemplare verkauft.

Die Münchner Lokalausgaben der ungleichen Zeitungen werden seit Herbst 2016 in einer gemeinsamen Redaktion produziert. Die Ankündigung sorgte damals gerade beim Münchner Merkur für große Verunsicherung, zumal dort nach dem Weggang von Bettina Bäumlisberger erst kurz zuvor auch ein neuer Chefredakteur gefunden werden musste. Beim Merkur wurde damals der bisherige Stellvertreter Georg Anastasiadis befördert; im Haus hält man es für möglich, dass Verleger Ippen auch bei der tz eine interne Lösung anstrebt. Dort könnte Rudolf Bögels Stellvertreter Sebastian Arbinger aufrücken, oder Sport-Ressortleiter Florian Benedikt, der im Impressum derzeit als "Mitglied der Chefredaktion" geführt wird.

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Quelle:
SZ vom 28.02.2018
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