Onlineportal oe24.at:Wo Leser mit Klicks Geld verdienen

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Laut Oe24-Geschäftsführer und Chefredakteur Niki Fellner gehe es bei der Strategie primär darum, treue Nutzer zu belohnen.

(Foto: imago/Eibner Europa)

Die Onlineausgabe der Boulevardzeitung "Österreich" bezahlt ihre Nutzer jetzt für das Aufrufen von Inhalten. Ist die Lage so verzweifelt?

Von Jacqueline Dinser

Je besser der Text, je größer das Lesevergnügen, desto mehr wird gelesen. Die Gleichung ist eigentlich einfach. Das Nachrichtenportal OE24.at experimentiert dennoch gerade mit einer noch simpleren Strategie, um Menschen möglichst lange auf der Seite zu halten: Die Nutzer kriegen Geld für ihre Klicks. Die Betonung muss dabei auf dem Wort "Klicks" liegen. Denn ob Inhalte tatsächlich gelesen werden, ist zunächst egal.

Seit Juni können sich Leser bei der Online-Ausgabe der Boulevardzeitung Österreich für die Gewinnaktion "Click&Win" registrieren. Dann erhalten sie Coins für das Anklicken von Artikeln und Videos. Sobald eine bestimmte Anzahl solcher virtueller Münzen gesammelt ist, können die Nutzer damit an Gewinnspielen teilnehmen oder sich Geld auszahlen lassen. 100 Coins seien einen Euro wert, verspricht das Portal. Allerdings heißt es dort auch: "Schon ab 4500 Coins überweisen wir Ihnen 10 Euro." Einen Coin gibt es für mindestens zehn Sekunden, die man auf einem Artikel verweilt. "Pro Monat können Sie als treuer Oe24-User so bis zu 100 (!) Euro verdienen", heißt es weiter. Das ist auch die Obergrenze, mit der man sich wohl vor Bots schützen will, die Klicks fingieren könnten. Nachgerechnet dürfte der Stundenlohn bei maximal 3,60 Euro liegen.

Die Redaktion der Nachrichtenseite ringt offensichtlich um Reichweite - und damit um Geld. Denn nur wer Reichweite vorweisen kann, verkauft Werbeanzeigen. In Österreich misst die Österreichische Webanalyse (ÖWA) Aufrufe und Verweildauer auf den Webseiten im Land und veröffentlicht die Ergebnisse monatlich. Ihre Daten über die Online-Mediennutzung im Land gelten als harte Währung im Geschäft mit der Onlinewerbung. Oe24-Geschäftsführer und Chefredakteur Niki Fellner beteuert, es gehe bei der Strategie nicht um frisierte Zahlen: "Primär geht es uns darum, treue Nutzer zu belohnen." Im ersten Monat sei durch das Angebot keine große Menge an neuen Nutzern gewonnen worden. Die Klickbezahlung solle "ein zusätzlicher Anreiz für bestehende Leser sein, damit sie sich auf unserer Seite mit Themen befassen, die sie sonst nicht wahrnehmen würden."

Ob man so nicht auch Werbetreibenden falsche Leserzahlen vorgaukelt? Auch das sieht man bei Oe24 umgekehrt. Die Aktion habe für Werbetreibende den "positiven Effekt", dass sich die Nutzer bei ihrer Jagd auf Coins länger und intensiver auf der Seite aufhalten. "Aufhalten" muss man dabei wiederum betonen.

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