Boulevardmedien in Österreich:Pakt mit den Rechtspopulisten

Florian Klenk, Falter

Florian Klenk, Jahrgang 1973, ist seit 2012 Chefredakteur der österreichischen Wochenzeitung Falter. Bekannt wurde Klenk mit seinen investigativen Recherchen.

(Foto: privat)

Der österreichische Journalist Florian Klenk wird im Netz massiv bedroht. Was "Kronen-Zeitung" und FPÖ-Chef Strache damit zu tun haben.

Von Cathrin Kahlweit, Wien

Florian Klenk ist einer der bekanntesten Journalisten Österreichs; für den Falter hat dessen Chefredakteur reihenweise Justiz- und Politikskandale aufgedeckt. Für den Kolumnisten des Boulevardblattes Kronen Zeitung ist er allerdings ein "Polizistenhasser", der für ein "Bolschewikenblattl" schreibt und an Profilsucht leidet. Klenk blase Nicht-Skandale zu Skandalen auf, um dadurch "medial im Gespräch" zu sein, hießt es in Österreichs auflagenstärkster Tageszeitung. Der Ex-Springer-Mann Michael Jeannée versorgt die Leser dort regelmäßig mit "Post von Jeannée".

Anlass für die Kollegen-Beschimpfung des Kolumnisten war ein kurzes Video, über das Klenk berichtet hatte. Darin ist zu sehen, wie zwei Polizisten im Wiener Stadtteil Leopoldstadt einen gefesselten Mann gegen eine Hauswand drücken; er hatte offenbar vorher etwas gestohlen. Der Mann steht ruhig da, während die Beamten seine Dokumente kontrollieren. Nichts lässt auf das schließen, was Sekunden später geschehen wird: Ein Polizist reißt den Gefesselten zu Boden, Kopf und Beine schlagen hart auf dem Asphalt auf, er schreit, die Polizisten werfen sich auf ihn, er wird verletzt.

Ein Zeuge hatte die Festnahme gefilmt und dann unter anderem dem Falter zugespielt. Zu sehen ist offenbar: ein Fall von grundloser Polizeigewalt. Die beiden Beamten sind in den Innendienst versetzt worden, die Polizeiführung hat sich vom Vorgehen der Mitarbeiter distanziert.

Nicht mehr nur polemisch, sondern politisch

Das Video, Klenks Bericht und Jeannées Kolumne waren aber nur der Auslöser für eine heftige Kettenreaktion, die einmal mehr zeigt, wie in sozialen Netzen gezielt Hass geschürt und Hass weitergetragen wird. Wie Parteien sich das bisweilen zunutze machen. Und wie Boulevardmedien und Politik in Österreich immer wieder zusammenspielen.

Denn Jeannée, der erzreaktionäre Kolumnist des Boulevardblattes Krone, meint, Klenk habe von einem Misserfolg ganz anderer Art ablenken wollen: von einem zum Skandal aufgeblasenen "Rechercheflop" über einen Korruptionsskandal bei der FPÖ.

Hier wird es nun nicht mehr nur polemisch, sondern politisch. Klenk und der Falter hatten über illegale Parteienfinanzierung bei der rechtspopulistischen FPÖ berichtet. Deshalb stellte FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache die Kolumne von Jeannée auf seine Facebook-Seite. Die Botschaft: Seht her, hier steht, dass der FPÖ-Skandal gar keiner ist. Die Falter-Leute verunglimpfen außerdem anständige Polizisten. "Auf den Punkt getroffen", kommentierte Strache denn auch den Autor Jeannée, der zuvor Klenk kommentiert hatte.

"Immer mehr Journalisten haben Angst"

Es folgten Hunderte hasserfüllte Kommentare unter Straches Posts, wie sie mittlerweile zur beängstigenden Gewohnheit geworden sind im politischen Diskurs: Hetze gegen Menschen mit anderen Meinungen. Ein anonymer Poster schrieb, an den Journalisten Klenk gerichtet: "Ich wünsche dir das es dir so geht wie meinem freund das die BRAVEN VERBECHER DIR links und rechts ins KNIE eine KUGEL verpassen und dann keine polizei zu hilfe kommt."

Der Falter stellte Anzeige gegen Unbekannt. Nicht weil Klenk Angst hat. "Ich fühle mich nicht wirklich angegriffen. Aber immer mehr Journalisten haben Angst, werden persönlich bedroht", sagt er auf Anfrage. Es könne nicht angehen, dass Rechtsradikale ihre Kritiker nach dem Motto jagten: "Wir wissen, wo du wohnst!" Deshalb die Strafanzeige als zivile Gegenwehr: "Wir finden auch heraus, wo du wohnst!"

Es liegt wohl an der Berichterstattung

Aber damit ist diese Geschichte von Reaktion und Gegenreaktion nicht zu Ende. Klenk macht diese und andere Drohungen nämlich auch öffentlich: "Dank Jeanée, Krone und Strache kriege ich jetzt solche Post." Der Landesgeschäftsführer der Kärntner FPÖ postete daraufhin, es werde wohl an Klenks Berichterstattung liegen, dass er diese Reaktionen ernte. Auf Nachfrage erklärte der Politiker, natürlich verurteile er solche Drohungen aufs Schärfste, aber an denen sei nicht die Krone schuld. Könnte heißen: Wer sich mit der FPÖ anlegt, muss mit den Folgen leben.

Jeannée selbst sieht die Sache entspannt. Als Kolumnist sei er nicht zu Objektivität verpflichtet. Das Video belege außerdem keine Misshandlung, sondern höchstens eine "überzogene Polizeiaktion". Als Polizistenhasser habe er Klenk bezeichnet, weil er aus Polizeikreisen höre, dass der Falter ungeachtet der Faktenlage sowieso "gegen uns schreibt". Und Bolschewikenblattl? Na, Klenk sei halt ein "Ultralinker". Für den Shitstorm im Netz sei er nicht verantwortlich, das lese er nicht einmal.

Beim Falter schaut man vor allem auf die FPÖ und geht davon aus, dass die Berichterstattung über die mutmaßliche illegale Parteienfinanzierung die Rechtspopulisten schwer ärgert. Schließlich wird in zwei Bundesländern demnächst gewählt, Parteichef Strache liegt in Umfragen bundesweit bei sensationellen 31 Prozent, kritische Berichte sollen jetzt nicht stören. Die Kronen-Zeitung ist da bisweilen eine willkommene Hilfe.

Menschenverachtender Zynismus

Gewöhnlich sind Österreichs Boulevard und die Politik ein System kommunizierender Röhren - die Regierungsparteien schalten Anzeigen, dafür bekommen sie eine aufmerksame Berichterstattung. Das kann bis hin zu Absprachen über Kampagnen gehen, die dann gemeinsam durchgefochten werden. Jeannée, der immer wieder vom Presserat wegen Verstößen gegen den Ehrenkodex verurteilt wird, hat es eher mit den Rechtspopulisten. Für die Absetzung des Chefredakteurs einer Konkurrenzzeitung fordert er schon mal: "Unter uns Jägern: Hegeabschuss überfällig!" Und den Tod eines 14-jährigen Einbrechers bei einem Polizeieinsatz beurteilte er mit den Worten: "Wer alt genug ist zum Einbrechen, ist auch alt genug zum Sterben."

Dass Krone-Herausgeber Christoph Dichand den populären Autor weiterhin kommentieren lässt, dürfte sich rechnen. Denn immer mehr gilt: Wer polarisiert, gewinnt.

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