Man konnte es nach einigen jüngeren Großtaten ja schon ahnen, aber mit dem nun im Netz herumgehenden neuen Video von Jan Böhmermann hat er für die deutsche Fernseh/Video-Comedy endgültig neue Maßstäbe gesetzt. "V for Varoufakis" heißt seine als jaulendes Bombast-Kitsch-Hardrock-Musikvideo getarnte Antwort auf - ja, worauf eigentlich?
Im Kern natürlich auf die derzeit insbesondere von konservativen deutschen Politikern und der Bild-Zeitung obsessiv-hysterisch geführte Kampagne gegen die faulen, gierigen und undankbaren Griechen im Allgemeinen und ihren bösen, bösen Finanzminister Yanis Varoufakis im Besonderen, der sich einfach nicht unterbuttern lassen will von Mighty Germany. Böhmermann singt, mit deutlichem deutschen Akzent: "His leather jacket / is made of skin of German Sheppard puppies" - seine Lederjacke wurde aus der Haut deutscher Schäferhund-Welpen gemacht.
Und weiter: He puts the hell in hellenic / (...) Every time he smiles / an angel dies / (...) / Take him off of us
In den ersten knapp anderthalb Minuten - schwermütig-bedrohlich liegt darunter eine typische Kitsch-Metal-Intro-Tonspur - ist der Clip aber auch noch eine sehr schöne Parodie auf all die deutschen Klischees, mit denen in Griechenland und sonstwo auf der Welt gerne hantiert wird. "Yes, some of us actually do have sex with their closest relatives. It's an ancient German tradition mainly practiced in a region called Saarland", raunt Böhmermann. Ja, einige von uns haben Sex mit ihren engsten Verwandten, es ist eine alte deutsche Tradition, vor allem im Saarland.
Clever inszeniert bis zu den Stahlhelm-Kostümen des Chors
Und ebenso sehr sieht man eine feine, selbstironische Attacke auf all die Klischees, mit denen man sich hierzulande gerne auch mal ganz unironisch schmückt: "We are Germans. We are honest trustworthy people. We are hard as steel, tough as leather, and fast as hounds." Hart wie Stahl, zäh wie Leder ... Und: "Our gold reserves are the second largest in the world." Wir haben die zweitgrößten Gold-Reserven der Welt. Worauf der Chor antwortet: "Please, don't ask where they came from." Bitte, nicht genauer nachfragen.
Ach, und das ist alles nicht nur irre fein getextet (Böhmermann ist offenbar auch noch das Kunststück gelungen, einige wirklich gute deutsche Comedy-Autoren zu finden), es ist auch noch so clever aufgeführt und inszeniert und bis in die Dirndl- und Stahlhelm-Kostüme des Chors so liebevoll ausgestattet, dass man nur staunen kann. Sogar das Varoufakis-Double, das als sexy Superheld am Ende wie ein Gitarrengott vor Flammenwand die Bouzouki spielt, sieht täuschend echt aus.
So macht man das, wenn man von den amerikanischen und britischen Meistern wie Jon Stewart oder John Oliver nicht nur die Studio-Deko kopiert, um sich darin über die eigenen drittklassigen Gags kaputtzulachen, sondern wirklich verstanden hat, mit welcher Akribie und welchem Aufwand dort Satire und Comedy gemacht werden. Man spürt in jeder Sekunde, dass da etwas eben nicht nur vor deutschen Rentnern und Fernseh-Programmdirektoren bestehen will, sondern im Netz. Vor einem Publikum also, das weiß, was heute wirklich gute Comedy, was wirklich gute "News Satire" ist.
Nicht zuletzt bringt Böhmermann auch noch jene in ernste Schwierigkeiten, die darüber etwas schreiben sollen, weil ihnen doch nichts anderes übrig bleibt, als umständlich die besten Pointen nachzuerzählen. In so brillanten Fällen wie diesem ist das eine der würdelosesten journalistischen Aufgaben. Nun denn, wenn es dabei hilft, dass so viele Menschen wie möglich das Video sehen, soll es uns ausnahmsweise Recht sein.
Also, falls Sie das Video noch nicht gesehen haben: Unbedingt ansehen! Und wenn Sie es schon gesehen haben sollten, sehen Sie es sich einfach nochmal an, und nochmal, und nochmal. Und dann leiten Sie es weiter. Bitte.