Böhmermann und die Justiz:Wie es rechtlich im Fall Böhmermann weitergeht

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Zwei Strafverfahren, ein möglicher zivilrechtlicher Prozess - das kommt nun auf den ZDF-Satiriker Böhmermann zu. (Foto: AP)

Mit der Entscheidung der Bundesregierung landet die Causa Böhmermann nun bei der Staatsanwaltschaft. Aber das ist nicht alles. Ein Überblick.

Von Carolin Gasteiger

Die Bundesregierung hat ihre Entscheidung verkündet - sie gibt einer Strafverfolgung Jan Böhmermanns statt. Darum hatte die türkische Regierung offiziell in einem Antrag gebeten. Aber auf den ZDF-Satiriker wäre so oder so ein Strafverfahren zugekommen.

Strafverfolgung wegen Majestätsbeleidigung

Zum einen geht es um Paragraf 103, der ausländische Staatschefs vor Beleidigung schützen soll. Im Jargon wird er "Schah-Paragraf" genannt, weil ihn der Schah von Persien in den Sechziger Jahren mehrfach angewandt und sich damit über deutsche Satire beklagt hatte. Ursprünglich wurde die Regelung im 19. Jahrhundert formuliert und sollte damals als diplomatisches Mittel zwischen Staaten dienen.

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Der türkische Präsident lebt partiell im 19. Jahrhundert, aus dieser Zeit stammt auch der "Schah-Paragraf". Erdoğan verkennt jedoch, dass Deutschland kein Obrigkeitsstaat mehr ist.

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Paragraf 103 greift nur dann, wenn zwischen den beiden betreffenden Staaten diplomatische Beziehungen bestehen, ein formaler Antrag vorliegt und das andere Land - in diesem Fall die Türkei - einen ähnlichen Paragrafen hat. Dass Merkel der Strafverfolgung nun stattgibt, bedeutet: Im Fall Böhmermann wird der Paragraf 103 nun angewendet. Dem Satiriker drohen maximal drei bis fünf Jahre Haft; Experten halten das allerdings für unwahrscheinlich und rechnen allenfalls mit einer Geldstrafe für den Satiriker.

Damit lässt die Bundesregierung die Justiz über Satire- und Kunstfreiheit entscheiden, was nun einige Zeit in Anspruch nehmen wird. Gleichzeitig beherzigt die Regierung aber auch die Kritik vieler am sogenannten "Schah-Paragrafen" und seiner Altbackenheit und will Paragraf 103 abschaffen, eine entsprechende Gesetzesänderung soll Merkel zufolge bereits 2018 in Kraft treten. Im Fall Böhmermann greift der Paragraf also zum wahrscheinlich letzten Mal.

Die Kanzlerin hatte im Gespräch mit dem türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoğlu kurz nach der Sendung das Video als "bewusst verletzend" bezeichnet. Damit wollte sie offenbar Schadensbegrenzung betreiben, als rechtliche Einordnung will Merkel dies nicht verstanden wissen. Sie betonte bei der Pressekonferenz am Freitag, es sei "nicht Sache der Regierung, sondern von Staatsanwaltschaften und Gerichten, das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen und andere Belange gegen die Presse- und Kunstfreiheit abzuwägen."

Strafverfahren wegen Beleidigung einer Privatperson

Unabhängig von der Strafverfolgung nach Paragraf 103, läuft zudem ein Verfahren wegen Beleidigung nach Paragraf 185 Strafgesetzbuch.

Dieses hat Erdoğan sebst angestoßen, indem er als Privatperson, nicht als türkischer Präsident, gegen Böhmermann in Mainz Strafanzeige gestellt hat. Dass er noch einmal persönlich nachlegt, kann nur als Zeichen dafür verstanden werden, wie gekränkt er ist. Als Zeichen, wie hoch er das Thema hängt. Bei diesem Verfahren könnte es bis zu zwei Jahren Haft geben, was jedoch auch unwahrscheinlich ist - immerhin wäre Böhmermann Ersttäter.

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Also geht es um zwei Verfahren - wegen Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhaupts und wegen Beleidigung einer Privatperson. Voraussetzung ist freilich, dass die Staatsanwälte nach ihren Ermittlungen Anklage erheben.

Dem Satiriker droht außerdem ein zivilrechtlicher Prozess, bei dem die Gegenseite Schadensersatzansprüche geltend machen kann. Die Wahrscheinlichkeit für diesen Prozess hat Böhmermann selbst erhöht, indem er eine Unterlassungserklärung, die ihm Erdoğans Anwalt geschickt und mit einer Frist bis Mittwoch versehen hatte, nicht unterzeichnet hat.

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