Süddeutsche Zeitung

TV-Diskussion:ORF distanziert sich von Böhmermann-Interview

  • Ein Interview mit Jan Böhmermann in der ORF-Sendung Kulturmontag sorgt in der Debatte um Pressefreiheit in Österreich für Diskussionsstoff.
  • Böhmermann bezeichnete Kanzler Sebastian Kurz in dem Interview als "32-jährigen Versicherungsvertreter" und prangerte an, der österreichische Vizekanzler würde "volksverhetzende Scheiße" auf Facebook posten.
  • Noch während der Sendung distanzierte sich die Moderatorin im Namen des ORF von Böhmermanns Aussagen.

Von Theresa Hein

Der ORF hat sich nach einem Interview mit Jan Böhmermann, das in der Sendung Kulturmontag gezeigt wurde, noch während der Sendung von den "provokanten und politischen Aussagen" des Satirikers distanziert. Die Moderatorin der Sendung, Clarissa Stadler, fügte hinzu: "Aber wie Sie wissen, darf Satire alles und der öffentlich-rechtliche Rundfunk künstlerische Meinung wiedergeben." Anlass des Interviews war die Eröffnung der Böhmermann-Ausstellung "Deuscthland#ASNCHLUSS#Östereich" im Künstlerhaus in Graz gewesen, in der der Künstler, wie er es nennt, "den hiesigen Schmäh" auf die Probe stellen will.

Im Laufe des Interviews bezeichnete Böhmermann Bundeskanzler Sebastian Kurz als 32-jährigen Versicherungsvertreter und sagte, im Ernstfall sei man mit dem Panzer ja von München aus in einer halben Stunde in Salzburg. Außerdem prangerte Böhmermann an, der nicht namentlich genannte Vizekanzler (Heinz-Christian Strache von der FPÖ) würde "volksverhetzende Scheiße" auf Facebook posten. Böhmermann reagierte nach der Reaktion des ORF mit einem Tweet.

Anmoderiert wurde das Interview von Stadler bereits mit den Worten, Böhmermann habe im Gespräch zum "polemischen Rundumschlag" gegen Österreich ausgeholt. Böhmermann stellte in dem Interview neben seinen typischen Witzen auch sehr unangenehme Fragen und sprach das Thema Pressefreiheit direkt an: "Sie lachen, aber warum eigentlich? Sie sind doch beim ORF beschäftigt, gibt's da noch was zu lachen?", fragte Böhmermann seinen Gesprächspartner Christian Konrad in ernstem Tonfall. Damit spielte er auf das neue ORF-Gesetz an, das derzeit von der Regierungskoalition verhandelt wird. Erst vor 14 Tagen hatte der Schlagabtausch zwischen dem ZIB2-Moderator Armin Wolf und dem Generalsekretär der FPÖ, Harald Vilimsky, der Debatte über Pressefreiheit in Österreich neuen Stoff gegeben.

Dass sich das Moderatorenteam von den Inhalten eines Künstlers, der in der Sendung zu Wort kommt, in dieser Weise distanziert, hat es beim Kulturmontag noch nicht gegeben. Die Distanzierung des ORF erinnert an den Umgang mit den Kabarettisten der Satiregruppe "Maschek", deren provokante Aussagen in der Sendung Willkommen Österreich erst vor drei Wochen mit einem Piepton überdeckt wurden.

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