Blogger verklagt die "Huffington Post":Nichts. Null. Nada

Lesezeit: 3 min

Jonathan Tasini hat binnen weniger Jahre mehr als 200 Artikel im Blog-Netzwerk der "Huffington Post" veröffentlicht - jetzt verlangt er Schadensersatz in Millionenhöhe für die nicht honorierten Beiträge. Der Fall berührt eine Frage, die das ganze Internet betrifft: Wem gehören die Einnahmen durch Inhalte, die von einer kaum überschaubaren Online-Gemeinde generiert werden?

Michael Moorstedt

Jonathan Tasini ist ein streitbarer Mann. 2001 legte er sich mit der New York Times an. Es ging um die Frage, ob freie Mitarbeiter an den Einnahmen durch Online-Archive beteiligt werden müssen. Der Rechtsstreit führte bis zum obersten Gerichtshof und gilt seitdem als Präzedenzfall. Tasini setzte seine Forderung teilweise durch.

Im August 2010 berichtete die Huffington Post über Niedriglöhne - jetzt werfen mehrere Blogger der Zeitung selbst Ausbeutung vor. (Foto: huffingtonpost.com)

Dann, 2006, trat er im Wahlkampf für den New Yorker Senatssitz gegen Hillary Clinton an. Es ging ihm eher um die PR als um den Erfolg. 2010 veröffentlichte er ein Buch, das sich mit dem Haushaltsdefizit der USA beschäftigt. Es trägt den Titel: It's not raining - we're getting peed on. Tasini, man muss das so sagen, fühlt sich also "angepisst". Er will nicht länger zusehen, wie die Strukturen einer für ihn überkommenen Ordnung im Internet reproduziert werden: Reichtum für wenige, schlecht entlohnte Arbeit für den Rest. Da kam ihm Arianna Huffington gerade recht.

Während er an so vielen Fronten kämpfte, nutzte Tasini das Blog-Netzwerk Huffington Post als Plattform für seine wirtschaftskritischen Essays. Seit 2005 hat er genau 216 Artikel in der Online-Zeitung veröffentlicht - ohne Honorar, ohne Meckern. Doch nachdem Huffington den politischen Weblock in diesem Februar für 315 Millionen Dollar an den Internetkonzern AOL verkauft hatte, wurde Tasini auch Huffingtons Gegner. Seit April verklagen er und vier andere ehemalige Blogger die Herausgeberin der Huffington Post und AOL auf 105 Millionen Dollar Schadenersatz.

"Schlimmer als Walmart"

Auf workinglife.org - ein Blog, der einer sozialistischen Streitschrift ähnelt - veröffentlichte Tasini einen Brief: "Frau Huffington ist schlimmer als die Vorstände der Banken und die Walton-Familie von Wal-Mart. Die bezahlen ihren Arbeitern wenigstens etwas - selbst, wenn das nicht zum Leben ausreicht. Frau Huffington bezahlt nichts. Null. Nada."

Jonathan Tasini, 55, steht mit seiner Meinung nicht allein. Auch Bill Lasarow, Chef des amerikanischen Kunstmagazins artscene, geht gegen die Huffington Post vor. Mit dem AOL-Deal sei "der Schleier weggerissen, der über der Ausbeutung bei der Huffington Post lag", schrieb er in der britischen Zeitung Guardian. Arianna Huffington ließ sich durch die Arbeitsverweigerung der Blogger nicht aus der Ruhe bringen. Sie könnten ruhig streiken, niemand werde es bemerken, meinte sie. Die Klage habe keinerlei Grundlage. Von Bezahlung war niemals die Rede, es wurden keine Verträge aufgesetzt und keine Honorare ausgehandelt. Tasini hätte erhalten, was er gesucht habe: Publizität auf einem der reichweitenstärksten Online-Portale der Welt.

Nun nahm der Arbeitskampf an Fahrt auf. Auch die Newspapers Guild, eine Journalistengewerkschaft mit 26000 Mitgliedern sowie die National Writers Union, in der sich die freien Autoren organisieren und die Tasini einmal leitete, hielten ihre Mitglieder dazu an, nicht mehr für die Huffington Post zu schreiben. Nur, weil die Website eine tendenziell liberale Haltung vertrete, könne man keine Ausnahme machen, so die Gewerkschafter. Blogger und Autoren, die weiterhin für Huffingtons Netzwerk arbeiten, seien Streikbrecher.

Tasini erfährt allerdings nicht nur Unterstützung. Im Netzmagazin Slate.com klagt der in den USA populäre Kolumnist Jack Shafer: Wenn es so weitergehe, werde Amerika zu einer "Nation von Winklevosses". Shaffer bezieht sich damit auf den Fall der Brüder Cameron und Tyler Winklevoss, die das soziale Netzwerk Facebook seit sieben Jahren mit Klagen überziehen. Die Zwillinge, die dem Gründer Mark Zuckerberg vorwerfen, ihre Idee für ein Online-Netzwerk geklaut zu haben, erhielten bereits im Jahr 2008 eine Abfindung in Aktien, die mittlerweile etwa 200 Millionen Dollar beträgt. Nachdem Facebook aber immer weiter an Wert zulegt, ist ihnen diese Summe nicht mehr hoch genug. Die letzte Klage wurde gerade abgewiesen. Wann immer es im Netz um ein bisschen Geld gehe, so Shafer, kommen die Winklevosses dieser Welt und wollen ihren Anteil. Jonathan Tasini sei einer von ihnen.

Mag sein, doch Tasini berührt eine Frage, die nicht nur die Huffington Post betrifft, sondern das ganze Internet. Sie lautet: Wem gehören die Einnahmen durch Inhalte, die von einer kaum überschaubaren Online-Gemeinde generiert werden? Dem Betreiber der Website oder doch - wenigstens zu einem geringen Teil - auch den Urhebern, den Bloggern? Das Geschäftsmodell im angeblich so egalitären Web 2.0 sieht so aus: Auf der einen Seite steht die Masse der Nutzer, die Texte, Bilder und Videos posten. Auf der bestimmen ein paar wenige, was mit den Inhalten passiert - und werden durch sie reich. Jetzt will der Schwarm Online-Tagelöhner auch etwas vom Geldsegen einstreichen, der bisher das Ideal des unbeschränkten Teilens von Inhalten im Web aktiv betrieben hat.

Ob der Bloggerstreik Auswirkungen auf das Geschäft der Huffington Post hat, ist noch unklar. Das Analyseportal Alexa.com verzeichnet für die zurückliegenden Wochen keine nennenswerten Einbrüche beim Traffic und bei den Seitenaufrufen. Anfang Juni befanden sich die Pageviews sogar auf einem Jahreshoch. Die Huffington Post hatte erstmals mehr Besucher als die New York Times.

Link zum Weiterlesen: www.huffingtonpostlawsuit.com - die Seite der Blogger, die die Huffington Post verklagen.

© SZ vom 27.06.2011/aho - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: