Blocher kontrolliert Basler Zeitung:Anschlag auf ein anständiges Blatt

Den Verdacht gab es immer, wer in Wahrheit hinter der "Basler Zeitung" steckt. Investor Moritz Suter wirft nun im Streit hin und verkauft an seine stillen Darlehensgeber: die Familie des Rechtspopulisten Christoph Blocher. Basels Regierungspräsident spricht angesichts der Affäre von einer "Berlusconisierung".

Wolfgang Koydl, Hans Leyendecker und Claudia Tieschky

Es gibt viele Möglichkeiten, Zeitungen in arge Schwierigkeiten zu bringen oder gar umzubringen. Eine der sichersten Methoden ist es, die Besitzverhältnisse unklar zu lassen und gleichzeitig das Blatt dem Dauerverdacht politischer Einflussnahme auszusetzen.

Swiss Minister of Justice and Police Christoph Blocher attends the council of state's winter session in Bern

Christoph Blochers Engagement bei der Basler Zeitung hatten viele bereits vermutet. Mit einer Revolution des Strohmanns Moritz Suter gegen seine Kapitalbürgen rechnete jedoch niemand.

(Foto: REUTERS)

Der Basler Zeitung (BaZ) ist es so widerfahren. Ob die größte Zeitung im Raum Basel aus dieser Geschichte halbwegs heil rauskommen wird, ist sehr ungewiss. Gibt es eigentlich eine Strafe für einen Anschlag auf ein anständiges Blatt?

Seit ein paar Tagen ist öffentlich, dass der Spiritus rector der rechtspopulistischen Schweizer Volkspartei (SVP), Christoph Blocher, mit seiner Tochter Rahel die Basler Zeitung kontrolliert. Von einer "Berlusconisierung" spricht der Basler Regierungspräsident Guy Morin (Grüne) und die Sozialdemokratische Partei erklärte in einem Communiqué, Blocher habe die Öffentlichkeit hinters Licht geführt - es handele sich um einen "Anschlag auf die Demokratie" und einen Affront gegen die Bevölkerung von Basel.

Das ist nicht das übliche Parteien-Gedröhn, der Fall Basel ist anders. Auch durch die hartnäckigen und intensiven Recherchen der Neuen Zürcher Zeitung und des Zürcher Tages-Anzeigers ist herausgekommen, was nicht herauskommen sollte. Die Glaubwürdigkeit Blochers ist mit der Entschleierung des Konstrukts noch stärker als zuvor ramponiert. Die Stadt am Oberrhein ist, politisch betrachtet, keine gewöhnliche Stadt. Sie ist geprägt von einem liberalen Klima, wählt traditionell eher links und die Basler nörgeln zwar, wie es Leser manchmal so tun, gelegentlich über ihr Blättchen, aber sie mögen es auch.

Das besondere Verhältnis wurde sichtbar, als die BaZ in argen Schwierigkeiten steckte. Anfang 2010 hatte der Financier Tito Tettamanti zusammen mit dem Rechtsanwalt Martin Wagner bei der in finanziellen Nöten steckenden Zeitung das Steuer übernommen.

Stille Darlehensgeberin Rahel Blocher

Dann wurde durch Recherchen des NZZ-Redakteurs Francesco Benini bekannt, dass Tettamanti seinen alten Bekannten Christoph Blocher als Berater engagiert hatte. 18.000 Menschen unterzeichneten den Aufruf: "Rettet Basel". Blocher gab sein Beratungsmandat auf, Tettamanti und Wagner verkauften an den Investor Moritz Suter; ein solider Mann aus dem Basler Bürgertum, der mal die Fluglinie Crossair gegründet hat und auch ein bisschen eitel ist. Als Verwaltungsratspräsident der BaZ ist man wer in der Stadt.

Für Irritationen sorgte der Umstand, dass Suter erklärte, er habe nur eine Million Franken bezahlt. Wer zahlte den Rest - schätzungsweise siebzig Millionen Franken? Es gab all die Zeit Gerüchte, dass Blocher oder dessen Familie dahinterstecken könnte. Beweisen konnten das auch die gewieften Rechercheure nicht. Die Bürger von Basel sind Leute, die gerne klare Verhältnisse haben - die Unruhe blieb groß, wer die Zeitung wirklich steuert.

Blocher hat sich klein gemacht. Als die NZZ am Sonntag im November 2010 schrieb, Blocher übernehme nach dem Rückzug Tettamantis "die Macht bei der Basler-Zeitung" schimpfte der Politiker über die "salonfähige Verlogenheit" des Sonntagsblattes. Als er im April 2011 in einem Radiointerview mit Roger Schawinski gefragt wurde, von wem Suter das Darlehen bekommen habe, antwortete er: "Nein, das weiß ich jetzt nicht" und er beteuerte, er habe mit dem Basler Medienhaus nichts mehr zu tun. Vorigen Freitag klang das erstmals anders. In der Sendung "Tele Blocher", in der sich SVP-Stratege via Web-TV zur Lage der Welt äußert, machte er Andeutungen. Auf die Frage, ob ihm die Zeitung gehöre, erklärte Blocher, er sei weder direkt noch indirekt finanziell an dem Blatt beteiligt. "Aber ich habe Einfluss bei der Basler Zeitung, das ist klar".

Recherchen des Tages-Anzeigers hatten eine neue Lage offenbart. Das Blatt hatte berichtet, dass die Familie Blocher mit 68,5 Millionen Franken bei der BaZ engagiert sei. Verschiedene Verträge würden sicherstellen, dass Suter zwar aussteigen, nicht aber Blocher als Darlehensgeber auswechseln könne.

Die Konstruktion war sogar noch komplizierter: Suter hatte einen stillen Darlehensgeber - die jüngste Tochter Blochers. Sie garantierte ein Darlehen in Höhe von rund 70 Millionen Franken. Gemeinsam mit ihrem Vater führt sie die Beratungsfirma Robinvest. Blocher sicherte Suter zu, er könne als geschäftsführender Verwaltungsratspräsident die BaZ-Gruppe eigenständig und unabhängig führen.

Revolution eines Strohmannes

Suter nahm das ernst. Es kam zu Kontroversen. Suter soll darauf gedrängt haben, dass der neue Chefredakteur Markus Somm, den nicht nur er für einen Gefolgsmann Blochers hält, gefeuert würde. Er konnte sich nicht durchsetzen, auch sonst häuften sich Reibereien. Schließlich offerierte Suter im Oktober 2011 den Blochers, er wolle mit einer Investorengruppe das Darlehen ablösen. Er wollte danach die BaZ-Gruppe weiter sanieren, eine beachtliche Kapitalerhöhung machen und dann den 78.000 Abonnenten die Mehrheit der Aktien zur Zeichnung anbieten - Volksaktien gewissermaßen. Der Strohmann wollte die Revolution.

Die Blochers lehnten ab und Suter verkaufte jetzt seine Beteiligung an Rahel Blocher; außerdem trat er mit sofortiger Wirkung von allen Ämtern zurück. Dazu gehörte auch die Stiftung "BaZ hilft Not lindern".

In echter Not ist jetzt auch das Blatt. Die Schulden des Verlages wurden im letzten Geschäftsbericht mit hundert Millionen Franken beziffert. Auch in der Pensionskasse soll ein Loch klaffen. Nicht zuletzt wegen des politischen Kurswechsels unter Somm hat das Blatt Probleme mit seinen Lesern. Als neuer Verwaltungsratschef ist der Schweizer FDP-Abgeordnete Filippo Leutenegger im Gespräch. Er hatte sich schon vor Jahren in der Medienbranche einen Namen als knallharter Sanierer der Jean Frey Verlags AG vor deren Verkauf an den Axel-Springer-Verlag gemacht.

Basels Wirtschafts- und Medienminister, der Sozialdemokrat Christoph Brutschin, wies im Gespräch mit der SZ darauf hin, die BaZ bestehe neben der Zeitung auch aus der Druckerei mit knapp 1000 Arbeitsplätzen: "Ich möchte von der neuen Eigentümerschaft rasch wissen, was sie vorhat, und sehe sie in der Verantwortung." Die BaZ habe nur eine Zukunft, sagt Brutschin, der die Basler gut kennt, wenn sie inhaltlich unabhängig bleibe: "Wenn sie aber nur noch eine bestimmte Leserschaft bedient, dann wird sie an Auflage einbüßen, dann werden andere Zeitungen die Lücke füllen". Es gebe keinen Grund, "Angst vor der Person Christoph Blocher zu haben". Wirklich nicht?

Jetzt gibt es nicht nur "Tele Blocher", sondern auch BaZ-Blocher. Wird das der SVP helfen? Blocher und die Partei hatten sich stets beklagt, Opfer einer orchestrierten Kampagne eines Medienkartells aus Tamedia (Tages-Anzeiger) Ringier (Blick) und NZZ zu sein. "Es ist logisch, dass Blocher nach Möglichkeiten sucht, seine Botschaften zu transportieren" hatte Investor Tito Tettamanti vor Monaten in einem Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung erklärt. Aber so?

Der Journalist Benini, der all die Zeit an der Geschichte dran geblieben ist, findet die Lösung mit der Tochter Rahel "überraschend, weil sie so plump ist". Spannend sei an dem Fall gewesen, "dass man immer eine Vermutung hatte und eine Menge offener Fragen, aber letztlich keine Belege". Für die BaZ und deren Chefredakteur Somm sei die Situation "verfahren". Deren Glaubwürdigkeit sei dahin.

Suter, der der falsche Strohmann war, weil er einen anständigen Charakter hat, mag keine Interviews zu dem Drama am Basler Aeschenplatz geben, wünscht aber auf Anfrage der SZ "alles Gute, fröhliche Weihnachten und ein glückliches Neues Jahr". Von den Mitarbeitern hat er sich mit einem Sprichwort von Hermann Hesse verabschiedet: "Damit das Mögliche entsteht, muss immer wieder das Unmögliche versucht werden".

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: