Süddeutsche Zeitung

ARD-Schwerpunkt Wasser:Edler Tropfen

Ein Spielfilm und eine Dokumentation befassen sich mit der zunehmenden Wasserknappheit - in Deutschland.

Von Marlene Weiß

Rund 130 Liter Trinkwasser verbraucht jeder Mensch in Deutschland im Schnitt - am Tag. Gut ein Drittel davon für die Körperpflege, ein Viertel rauscht durch die Klospülung, der Rest wird hauptsächlich für Geschirr- und Wäschewaschen sowie im Garten verwendet. Für Essen und Trinken reichen fünf Liter, dabei ist das wahrscheinlich das Erste, woran man denkt, wenn es um Trinkwasser geht. Aber vielleicht ist es mit dem An-Wasser-Denken in Deutschland ohnehin nicht besonders gut bestellt, schließlich kommt es doch zuverlässig aus der Leitung. Muss man sich da groß Gedanken machen?

Man sollte, ist die zentrale Botschaft des Schwerpunkts "Unser Wasser", den die ARD am Mittwoch von 20.15 Uhr an sendet, bestehend aus dem Spielfilm Bis zum letzten Tropfen und einer begleitenden Dokumentation des Autors Daniel Harrich. Denn nur weil das Wasser in Deutschland heute noch sprudelt, muss das noch lange nicht auch morgen oder übermorgen so sein. Der Klimawandel führt in Deutschland zwar nicht unbedingt zu weniger Niederschlag. Aber Hitzeperioden werden häufiger, länger und heftiger. Wettermuster verändern sich, so dass der Regen eher als Starkregen denn als Dauerregen fällt. Beides führt bereits seit Langem dazu, dass die Böden immer trockener werden, weil mehr verdunstet oder abfließt, etwa wenn zu viel Regen auf einmal fällt.

Hauswände bekommen Risse, weil der trockene Boden sich zusammenzieht und absackt

Selbst im von Wasser vergleichsweise gesegneten Deutschland sinken ungefähr seit 2010 die Grundwasserpegel, fallen Quellen trocken, sinkt der Wasserpegel von Seen. In einem Land, das rund zwei Drittel seines Trinkwasserbedarfs aus dem Grundwasser deckt, ist das durchaus besorgniserregend. Zwar gibt es momentan keinen Grund, in absehbarer Zeit eine Trinkwasserknappheit zu fürchten, aber so bedenkenlos wie bisher wird man wohl nicht mehr lange mit dem Wasser umgehen können. Nutzungskonflikte dürften zunehmen. Und vor allem die Wälder leiden schon heute massiv unter der Wasserknappheit.

Es ist eine Stärke der Dokumentation von Harrich, dass sie diese Knappheit und auch ihre weniger bekannten Folgen zeigt. Etwa, dass ein Haus in einem Vorort von Hannover Risse im Mauerwerk bekommt, weil der trockenere Boden sich zusammenzieht und das Fundament absacken lässt. Man sieht Brunnen, die geschlossen werden müssen, weil sie kein Wasser mehr liefern, und Tümpel, die immer weniger Wasser führen. Alles Dinge, die prinzipiell vor unseren Augen passieren. Aber erschreckend werden die einzelnen Beobachtungen erst in der Summe.

Man kann den Wasserverlust nicht nur an sinkenden Pegelständen ablesen, man erkennt ihn auch aus dem All: Die Doppelsatelliten des Grace-Experiments von Nasa und Deutschem Zentrum für Luft- und Raumfahrt erfassen anhand des Gravitationsfelds praktisch in Echtzeit, wie sich der Wassergehalt im Boden entwickelt. "Der Wasserrückgang in Deutschland beträgt etwa 2,5 Kubikkilometer im Jahr", sagt der Hydrologe Jay Famiglietti von der Universität Saskatchewan in Kanada im Film. "Damit gehört es zu den Regionen mit dem höchsten Wasserverlust weltweit."

Leider arbeitet sich die Dokumentation neben dieser eindrucksvollen Bestandsaufnahme sehr ausführlich an etwas ab, was eher ein Nebenschauplatz der Wasserkrise ist: Die Wasserentnahme durch Konzerne und den Protest dagegen, hier am Beispiel der Region Lüneburg, wo der Coca-Cola-Konzern einen weiteren Brunnen beantragt hat, um noch mehr Wasser in Flaschen abzufüllen. Eine Bürgerinitiative wehrt sich gegen des Ausverkauf des kostbaren Wassers zu Dumpingpreisen.

Man kann sich darüber wunderbar und zu recht aufregen. Klar ist aber auch: Ein Brunnen mehr oder weniger ist weder die Ursache noch die Lösung der Wasserkrise. "Es ist viel zu kurz gedacht, sich nur über die Wasserentnahme Gedanken zu machen", sagt der Wasser- und Seenexperte Karsten Rinke vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in Magdeburg. "Das mit Abstand größte Rad, an dem man drehen kann, ist die Bewirtschaftung aller Komponenten des Landschaftswasserhaushaltes, also auch Versickerung, Verdunstung und Abfluss. Wasser, das früher versickert ist und 20, 30 Jahre im Boden verbracht hat, geht heute zum großen Teil auf die Wasserautobahn, also in Gräben und Flüsse, und ist wenige Tage später in der Nordsee."

Jede Straße, die nicht gebaut wird, jede versickerte Dachentwässerung helfe, das Wasser zurückzuhalten.

Rinke hat auch Zahlen parat, die die Größenordnungen zeigen: Auf Deutschland fallen demnach 280 Kubikkilometer Niederschlag im Jahr. 165 davon verdunsten. 115 bleiben übrig als "Wasserdargebot". Für die öffentliche Wasserversorgung werden nur fünf Kubikkilometer genutzt. Allein 18,5 Kubikkilometer fallen aber auf versiegelte Fläche, und sind damit für die Grundwassererneuerung verloren. Hinzu kommt: Das Grundwasser wird nicht nur immer knapper, sondern ist teils auch noch verschmutzt. "Den ergiebigsten Grundwasserkörper in unserem Land, die norddeutsche Tiefebene, haben wir großflächig durch Nitrate aus der Landwirtschaft belastet und können das Wasser deshalb nicht für die Trinkwasserversorgung nutzen", sagt Rinke.

Im Spielfilm zum Wasserschwerpunkt wird die Reduktion des komplexen Problems auf maximal einfache Konfliktlinien und simple Charaktere noch weit deutlicher. Ulrich Tukur verschwendet sein unvergleichliches Tukurgesicht auf die Darstellung eines Managers, dem jedes Mittel recht ist, um das Grundwasser eines kleinen Orts in der Provinz zu Geld zu machen. Die fiese Frau vom Umweltministerium (Karoline Schuch), der es nur um ihre Karriere geht, stöckelt noch durch die nasseste Wiese, und der prinzipientreue Bauer (Michael Roll), der sich gegen den Ausverkauf des Wassers wehrt, hat, natürlich, ein wettergegerbtes Gesicht. Und stets ein Schaf zur Hand.

Ein einziger Lichtblick sind der Bürgermeister Martin Sommer (Sebastian Bezzel) und seine wütende Tochter (Hannah Schiller). Sommer will eigentlich nur alles richtig machen, aber je länger der Film dauert, desto einsamer und verzweifelter wird er. "Die Handlung, Personen und Unternehmen in diesem Film sind frei erfunden", heißt es am Ende. "Alles andere leider nicht."

Bis zum letzten Tropfen, 16. März, 20.15 Uhr, ARD, Bis zum letzten Tropfen - Die Doku, 16. März, 21.45 Uhr, ARD

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5548146
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ/biaz
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.