Süddeutsche Zeitung

Zum Tod von Birgit Weidinger:Geschichten mit eigenem Klang, voll Wärme

Viele Journalistinnen und Journalisten der SZ lernten bei der früheren Ausbildungsleiterin, wie schön dieser Beruf doch sein kann - und sein darf.

Nachruf von Christian Mayer

Wer in den 1990er-Jahren bei der Süddeutschen Zeitung landen wollte, kam an ihr nicht vorbei. Birgit Weidinger saß in ihrem mit Büchern und Papieren vollgestopften Büro in der Sendlinger Straße in der Münchner Innenstadt, immer bereit für ein Vorstellungsgespräch oder, wenn es der Anlass erforderte, auch ein persönliches Krisengespräch, das man gerne im Biergarten mit ihr weiterführen konnte. Der Chefredakteur hatte Intuition bewiesen, als er die erfahrene Redakteurin zur Ausbildungsleiterin ernannt hatte. Denn Weidinger, die Frau mit der Löwenmähne, betrachtete diese Aufgabe nicht nur als Dienstpflicht. Sie wollte, dass es "ihren" Volontärinnen und Volontären in jeder Hinsicht gut ging.

Journalismus, wie sie ihn verstand, war anstrengend, herausfordernd, durfte aber Spaß machen. Wer die Weidinger-Schule durchlaufen durfte, hatte gelernt, dass man ehrgeizig sein sollte, aber nicht verbissen. Dass Journalisten nicht nur einsame Geschichtenjäger sind, sondern auch gesellige Wesen, führte sie exemplarisch vor.

Weidinger, 1941 in München geboren, besaß einen feinen Humor und eine Vorliebe für englische Exzentriker. 1989 kam sie als feste Redakteurin in das Medienressort, das damals noch "Fernsehen und Hörfunk" hieß. Ihre Kritiken waren pointiert, gelegentlich polemisch, aber nie gehässig. Mit dieser Haltung arbeitete sie später auch bei der Seite Drei, mit dem späteren Chefredakteur Gernot Sittner, und anschließend bei der Wochenend-Beilage. Wenn sie Reportagen über die englischen Hutterer oder die Erinnerung an den D-Day schrieb, wenn sie die Kulturgeschichte des Poesiealbums als Thema entdeckte, dann hatte das immer einen eigenen Klang, eine Wärme. Wie gut, wenn man über Menschenkenntnis und Sprachwitz verfügt - deshalb war Weidingers Samstagskolumne "Fragen der Leser" auch so beliebt.

Am Sonntag ist Birgit Weidinger nach längerer Krankheit gestorben. In der SZ werden sich viele an eine außergewöhnlich freundliche, liebenswürdige Kollegin erinnern, die das Arbeiten bei der Zeitung schöner gemacht hat.

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Quelle:
SZ vom 03.06.2019/cag
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