Biografie von Klatschreporter Paul Sahner:"War meine Sexsicherung durchgebrannt?"

Paul Sahner

Paul Sahner - im Bild ohne seine Ko-Autorin, Katze Socki. Deren Foto ist im Buch zwischen den Seiten 224 und 225 zu finden.

(Foto: Robert Haas)

Paul Sahner, verstorbene Gesellschaftsreporterlegende, hätte viel zu erzählen gehabt. Leider überlässt er in seinen Memoiren das Reden einer Katze.

Von Johanna Bruckner

Wer schreibt?

Paul Sahner, im Juni dieses Jahres verstorbene Gesellschaftsreporterlegende, langjähriger Bunte-Chefreporter. Spitznamen: "Doyen der Klatschindustrie" (Spiegel), "Gottvater der Intimbeichte" (taz), "grandioser Menschenöffner" (SZ). Wenn sich jemand nicht freiwillig öffnen wollte, schreckte Sahner auch vor sanfter Gewaltanwendung nicht zurück, wie er freimütig in seiner Autobiografie zugibt. Bei seiner Serie über Silvia Sommerlath, damals künftige Königin von Schweden bedeutete das: "Silvias Exmänner knacken". Sahners Memoiren tragen dann aber doch eine kokettierende Einschränkung im Titel: "Ich hatte sie fast alle!"

Und wer schreibt nun wirklich?

Socki Sahner, Paul Sahners italienische Wildkatze. Das tierische Alter Ego (mit realem Vorbild, siehe Seite 224/225) darf in Tagebucheinträgen aus Sahners Alltag als Klatschreporter erzählen und interviewt ihn zu seinen Promi-Begegnungen.

Was zum Teufel soll das?

Mmh. Paul Sahner hat mal eine nicht autorisierte Biografie über Karl Lagerfeld geschrieben, woraufhin der Modezar Sahner zufolge schäumend folgenden Satz sagte: "Ich stehe unter eigenem Denkmalschutz." Nur eine darf das Lagerfeld'sche Denkmal anpieseln: seine Katze Choupette, die auf Twitter mehr als 48 000 Follower hat. So viel ironisch gebrochener Größenwahn scheint Paul Sahner nachhaltig beeindruckt zu haben.

Und was steht jetzt drin?

Erinnerungen an die Bundeswehrzeit ("Immer ins Herz, befahlen die Vorgesetzten"), ans erste Mal ("Mit fünfzehn bei einem flotten Dreier"), an diverse Sportwägen ("Ich hatte inzwischen einen Jaguar, ein Fotomodell als Freundin, ich mietete mir einen Privatflieger und flog mit ihr nach Ibiza."), einen Trip nach Tijuana ("Träumte ich? Sah ich Gespenster? War wieder einmal meine Sexsicherung durchgebrannt?"), und natürlich an seine Frauen (unter anderem: Lilli und Beate, die schöne Biggi, Ulla, eine Pan-Am-Stewardess und die "tanzende Sünde" Angelina).

Die Begegnungen mit Prominenten streut Sahner anfangs fast beiläufig ein: Er traf Andy Warhol in dessen "Factory" in New York, Klaus Kinski im Englischen Garten in München, den von Höhenangst geplagten Woody Allen im zwölften Stock eines Hotels. Die Hass-Liebe zu Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder wird dann auf knapp 30 Seiten erzählt, das Kapitel endet: "Mit allerliebsten Katzengrüßen, ihre Socki Sahner". Helmut Berger kommt vor, Sophia Loren, der Dalai Lama, Michael Jackson und Nelson Mandela, Boris Becker (natürlich!), Rudolf Scharping (natürlich!!!), Wladimir Klitschko, und, und, und.

Beste Szene?

Unterhaltsam ist Sahner immer dann, wenn er ganz bei sich bleibt. Im Vorwort erzählt er, wie er als aufstrebender Gesellschaftsreporter einen Leserbrief an den Spiegel schrieb, der ihn schlagartig in der Branche bekannt machte. Zitat: "Sie bezeichnen den Bild am Sonntag-Journalisten Peter Boenisch als 'Deutschlands hübschesten Kolumnisten'. Dies ist falsch. Vielmehr ist richtig, dass ICH, Paul Sahner, der Gesellschaftskolumnist der Münchner Boulevardzeitung tz, allein diesen Titel verdiene."

Wer braucht schon Ironie, wenn er Chuzpe hat?

Lohnt die Lektüre?

Das alles könnte spannend sein, und ist es stellenweise auch, zum Beispiel, wenn Sahner über das Boulevardgeschäft erzählt: "Diese Mediengiganten sitzen am längeren Hebel, für die Streitfälle mit Anwälten gibt es einen sogenannten Feuerwehrfond. Anwaltshonorare, Gerichtsspesen, Schadenersatz, Schmerzensgeld, das alles rechnet sich, solange eine Geschichte für Auflage sorgt."

Wenn nur Socki nicht wäre. In seiner letzten Veröffentlichung wird sich Sahner untreu: Er, der große Interviewer, lässt sich von einer Katze über sein Leben ausfragen. Es scheint fast, als brauche er eine Rechtfertigung, das zu erzählen, was er zu erzählen hat. "Ich wollte nie meine Biografie schreiben", schreibt er einleitend. "Es reicht doch, wenn ich vor allen Menschen, mit Vorliebe wildfremden, (...) meine Anekdoten zum Besten gebe. Vor allem aber Taxifahrern. Die können mich ja nicht rausschmeißen."

Ein Satz zum Mitreden?

"Die Mittagspause in der Sonne gehörte zu meinem entspannten Lebensstil, genauso wie das Tiroler Nussöl, um meine ganzjährige Bräune zu pflegen."

Paul Sahner starb überraschend im Juni 2015 in seinem Haus im bayerischen Lanzing. Seine Biografie hatte er vollendet, sie erscheint an diesem Montag.

Paul Sahner: Ich hatte sie fast alle! Blanvalet, München 2015. 382 Seiten, 19,99€.

Paul Sahner: "Ich hatte sie fast alle!"; Blanvalet 2015

Paul Sahner: "Ich hatte sie fast alle!"; Blanvalet 2015

(Foto: Blanvalet)
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