"Bild-Zeitung":Von Bibeln bis Dessous

Die "Bild-Zeitung" hat sich zu einer Marke entwickelt, mit der inzwischen fast alles verkauft werden kann. Nun kämpft das Blatt um die Anerkennung der Intellektuellen.

Caspar Busse

Als Axel Cäsar Springer im Jahr 1952 eine völlig neue Publikation plante, schwebte ihm "eine unernste, besser gesagt eine unkonventionelle Zeitung" vor. Anregungen dafür holte sich der Verleger aus Großbritannien.

Axel Springer verdoppelt Gewinn im zweiten Quartal

Von Computerzeitschriften bis Autotiteln, von Unterwäsche bis zu DVDs: Aus "Bild" ist eine große Marke geworden. Axel Springer will sie weiter ausbauen.

(Foto: ddp)

Wenn er in London war, schleppte er ganze Packen von Boulevardzeitungen auf sein Hotelzimmer, analysierte diese genau und überlegte zusammen mit seiner damaligen Ehefrau Rosemarie, was in Deutschland möglich ist. Am 24. Juni 1952 erschien dann, nach ziemlich kurzer Vorbereitungszeit, die erste Ausgabe der Bild-Zeitung - die Geburt des Massenblatts.

Der Start der anfangs nur vierseitigen Zeitung war ziemlich holprig, der Verkauf kam nur langsam in Fahrt. Doch schon 1958 lag die Auflage bei 2,8 Millionen Exemplaren täglich, zwei Jahre zuvor war außerdem Bild am Sonntag auf den Markt gekommen. Bald beruhte die Macht des Springer-Konzerns, sowohl in Bezug auf die Möglichkeit politischer Einflussnahme als auch auf die wirtschaftliche Kraft, vor allem auf dem Erfolg der Bild.

Roter Ertragsbringer

Der erste Bild-Chefredakteur, Rudolf Michael, beschrieb das Konzept folgendermaßen: "Es ist wie in einem Hotel, wo in einem Zimmer ruhig geschlafen wird, in dem nächsten stürmisch geliebt und in einem dritten einer umgebracht wird. So ist das Leben."

Daran orientieren sich die Macher von Bild - jetzt unter Chefredakteur Kai Diekmann - noch heute. Bild ist mit bis zu 35 verschiedenen Ausgaben Europas größte Tageszeitung, in Deutschland Marktführer bei Boulevardblättern und eine der meistzitiertesten Zeitungen. Die sogenannte rote Gruppe, also alle Titel der Bild-Familie mit weißer Schrift auf rotem Grund, ist nach wie vor mit Abstand der wichtigste Ertragsbringer für die Axel Springer AG.

Vor allem aber ist Bild zu einer großen Marke geworden. "Die Marke Bild hat inzwischen eine Bandbreite erreicht wie kaum eine andere Medienmarke, sie reicht von Bibeln bis Dessous", sagt Ralf Hermanns, Verlagsgeschäftsführer bei Bild.

Von "Volks"-Bibel bis "Volks"-Zahnbürste

Und diese Nebengeschäfte tragen nach Schätzungen bereits fünf bis zehn Prozent zum Gesamterfolg bei. So gibt es Merchandising-Produkte unter der eigenen Hauptmarke oder unter Nebenmarken sowie Vertriebskooperationen, bei denen es eine Umsatzbeteiligung für Springer gibt.

Auf der Internetseite Bild.de existiert beispielsweise ein großer Bild-Shop. Zu kaufen sind Tassen mit dem Bild-Logo, Bild-Bücher und -DVDs, PC-Spiele und Steuer-Software, aber auch vieles andere ohne den Markennamen - von der Akku-Rasenschere bis hin zu Kondomen. Wenn die Marke Bild selbst nicht zum Einsatz kommen soll, haben sich die Springer-Manager Nebenmarken ausgedacht.

2001 wurde der erste "Volks"-PC verkauft, danach gab es die "Volks"-Bibel, die öffentlichkeitswirksam dem Papst überreicht wurde, oder eine "Volks"-Zahnbürste. Beim Handelskonzern C & A kann man Dessous der Marke "Das Seite-Eins-Girl" kaufen. Und auch "Ein Herz für Kinder" ist eine Marke, die positiv auf Bild abstrahlen soll.

96 Prozent der Deutschen kennen "Bild"

Was genau die Marke Bild ausmacht, ist bei dieser Breite nicht leicht zu erkennen. Hermanns definiert das so: "Die Marke Bild hat neben dem journalistischen Kern weitere Elemente: preisgünstig, unterhaltend und vor allem der Nutzwert. Wir helfen den Menschen, das Leben zu meistern."

Daran ausgerichtet werden immer neue Produkte auf den Markt gebracht - Grenzen gibt es offenbar kaum. Die Marke ist nach letzten Umfragen bei 96 Prozent der Deutschen bekannt. Und die Bild-Zeitung hat in den vergangenen Jahrzehnten immer neue Ableger bekommen. So gibt es heute Computer-Bild, Auto-Bild, Sport-Bild, Bild der Frau oder die Fernsehzeitschrift Bild-Woche. Hermanns sagt, Bild erreiche heute etwa 70 Prozent der Deutschen über 14 Jahren.

In der jüngsten Wirtschafts- und Medienkrise hat sich Bild überraschend stabil gezeigt. Die Zeitung sei ein "Profiteur der Krise", sagte Konzernchef Mathias Döpfner im Frühjahr. Anzeigenkunden hätten ihre Werbebudgets zwar zusammengestrichen, sich wegen der hohen Reichweite aber auf Marktführer konzentriert. Dazu kommt: Ende 2009 hatte Springer eine 20 Millionen Euro schwere Marketing-Aktion für die eigenen Titel, darunter auch Bild, gestartet, um Marktanteile zu gewinnen.

"Bild" fürs bürgerliche Lager

Dabei ist die Auflage der Bild-Zeitung seit langem rückläufig. Wurden 1985, lange vor der Wiedervereinigung, täglich bis zu 5,5 Millionen Exemplare verkauft, sind es heute nur noch 3,15 Millionen Exemplare, Tendenz weiter fallend. Die Reichweite, also die Zahl der Leser der Printausgabe und im Internet, sei zwar nach wie vor hoch und sogar noch gestiegen, heißt es bei Springer.

Doch der Einbruch der Auflage ist trotzdem dramatisch. Dabei ist der Verkaufspreis mit 60 Cent und in den neuen Bundesländern 50 Cent niedrig. "Bei 60 Cent haben wir durchaus noch Spielraum nach oben", sagt Hermanns. Bei bisherigen Preiserhöhungen habe sich gezeigt, dass die Auswirkung auf die Auflage nicht stark war.

"Es gibt kein Naturgesetz, dass die Auflage von Bild oder von Printtiteln allgemein immer nur sinkt. Wir dürfen den Kampf nicht aufgeben", sagt Geschäftsführer Hermanns dazu beschwörend.

Der Springer-Verlag versucht deshalb seit einiger Zeit, neue Lesergruppen für die Zeitung zu erschließen und das Image zu korrigieren - auch mit Blick auf die lukrativen Nebengeschäfte mit der Marke. "Historisch bedingt gibt es gerade im bürgerlichen Lager noch immer eine gewisse Zurückhaltung gegenüber Bild", berichtet Hermanns und fügt an: "Das wollen wir ändern - auch wenn es nicht einfach ist, sind wir auf einem guten Weg."

Wir sind Marke

Vor mehr als 40 Jahren war die Zeitung das Hassobjekt der 68er, Intellektuelle hatten sich offen gegen Bild und das Verlagsunternehmen gestellt mit Slogans wie "Enteignet Springer". Und noch immer gilt die Bild-Zeitung, die mit Titelseiten wie "Wir sind Papst" selbst Schlagzeilen macht, bei vielen als das konservative Krawall- und Kampagnenblatt mit unseriösen Recherchepraktiken und journalistischen Versäumnissen, wie sie Ende der 70er Jahre Günter Wallraff im Buch "Der Aufmacher" aufdeckte.

Hermanns glaubt zudem an ein "Bekennerdefizit": Manche Leute würden Bild zwar lesen, sich aber öffentlich davon distanzieren.

Das will der Springer-Verlag nun mit Macht ändern. "Bild polarisiert und ist nicht immer unumstritten. Gerade das machen wir in unserer Kampagne zum Thema", beschreibt Hermanns das Konzept. Das soll sich nicht nur publizistisch auszahlen, sondern auch die Geschäfte mit Bild nach vorne bringen.

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