Bild.de in USA gesperrt:Sylvie, zieh dich bitte wieder an

Die USA verfügen zwar über die weltgrößte Porno-Industrie, doch die Präsentation sekundärer Geschlechtsmerkmale, und sei es in Seide und Spitze, gilt nach wie vor als ungehörig: Bild.de und die zensierten Superbrüste.

Willi Winkler

Schlimme Dinge finden sich im Internet: ganz viel Pornographie, Werbung für den Nationalsozialismus, aber auch Bezugsquellen für ungefärbte und garantiert handgestrickte Topflappen. Wie alle Zeitungen führt auch Bild längst eine zweite Existenz in diesem oft recht unübersichtlichen Internet. Und wie in der Papierversion wird der Leser auch bei bild.de verlässlich mit allen Katastrophen der Welt versorgt, mit Fukushima, Kindsmord, DSDS, dem Papst und dem Mädchen auf Seite Eins.

bild.de

Die Seite von Bild.de ist in den USA nicht aufrufbar. Schuld ist die tägliche Nackte.

Der deutsche Journalist, der im Ausland nicht sein mag ohne diese Mischung aus Gräuel- und Glücksmeldungen, kann allerdings im Land der größten Meinungsfreiheit eine Überraschung erleben. Die Seiten von bild.de lassen sich - anders als in Nordafrika, China oder Tuntenhausen - in New York nicht ohne weiteres aufrufen. Die Seite sei blockiert, steht auf dem Bildschirm, bild.de sei "in diesem Netzwerk nicht erlaubt".

Aber warum bloß? Hat Bild Dieter Bohlen etwa als Plagiator enttarnt? Hat Kai Diekmann online Helmut Kohl erdrosselt? Der Manager im Hotel kann es nicht erklären. Sein Haus wird technisch extern betreut. Zensur, gleich welcher Art, liege ihnen fern, sagt der Manager, es müsse sich um einen Ausreißer handeln.

Vor gut einem Jahr, als Bild mit einer App ins internationale Smartphone-Geschäft einstieg, waren die Brustwarzen der sonst so offenherzigen Mädchen online plötzlich weggeblitzt. Da drückte den Provider Apple doch sehr die Sorge um die Moral im Heimatland USA. Inzwischen hat sich das gegeben, selbstverständlich, so Bild-Sprecher Tobias Fröhlich, "retuschieren wir keine Brustwarzen weg". Die Mädchen recken wieder, was sie haben. In Deutschland, nicht unbedingt in den USA.

Dort finden sich selbst in den Bibliotheken angesehenster Universitäten kritische Leser, die mit der Rasierklinge ganze Spiegel-Jahrgänge bearbeitet haben. Auch die arabischen Länder waren berüchtigt dafür, dass sie ihren Bürgern den unmittelbaren Blick auf die westliche Dekadenz verweigerten. Und sogar Malta wollte einst seinen Bürgern die freie Sicht auf freie Brüste nehmen. Aber ist das nicht alles längst vorbei?

Die Website der Bild wird im Hotel in New York hartnäckig weiter blockiert. Doch immerhin folgt nun eine Begründung: "Nudity, Lingerie/Bikini". Die tägliche Nackte ist also schuld, und die großzügig über die Seiten gestreuten Strecken mit "Busenblitzern" und Dessous.

Diese und andere Angebote bringen bild.de nach eigenen Angaben inzwischen mehr als 195 Millionen Visits im Monat ein. Die weitere Expansion könnte jedoch von anonymen Administratoren gebremst werden. Während Sylvie, die "uns ihr Super-Dekolleté erklärt", oder Sandra, die "derzeit Single ist", aber für alle Fälle schon mal in die Auslage platziert, was der Nächste zu greifen bekäme, in Deutschland zum Frühstück gehören, gelten sie in den USA als anstößig.

Das Land verfügt zwar über die weltgrößte Porno-Industrie, doch die Präsentation sekundärer Geschlechtsmerkmale, und sei es in Seide und Spitze, gilt nach wie vor als ungehörig. Die Flagge oder der Koran darf als Ausdruck persönlicher Meinung verbrannt werden, eine nackte Brust ist aber einfach zu gut, um wahr zu sein.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: