Bilanz:Gefährliches Geschäft

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Astrid Frohloff hat sich kürzlich nach zwölf Jahren aus dem Vorstand der deutschen Sektion von Reporter ohne Grenzen (ROG) zurückgezogen. (Foto: Jörg Carstensen/dpa)

Astrid Frohloff gehörte zwölf Jahre zum Vorstand der deutschen Sektion von Reporter ohne Grenzen. Jetzt gibt sie ihr Amt auf und blickt zurück: Die Arbeit der Journalisten sei gefährlicher geworden, sagt sie.

Von David Denk

Wenn's am Schönsten ist, soll man gehen, rät der Volksmund. Und was, wenn es partout nicht schöner wird? Astrid Frohloff hat sich kürzlich nach zwölf Jahren aus dem Vorstand der deutschen Sektion von Reporter ohne Grenzen (ROG) zurückgezogen - in dem Bewusstsein, dass es für so einen Abschied den perfekten Zeitpunkt nicht gibt. "Alles in allem gucke ich mit einem sehr guten Gefühl zurück", sagt die Journalistin und Fernsehmoderatorin, sei es doch gelungen, einen relativ kleinen Verein zu einer Organisation aufzubauen, "die Dinge bewegt in Deutschland": "Wir treten der Politik auf die Füße und haben sehr vielen Journalisten helfen können."

Doch die Weltlage macht Frohloff den Ausstieg nicht unbedingt leichter: "Die Lage für Journalisten ist generell prekärer, gefährlicher geworden", sagt die 53-Jährige. Nicht nur die Dschihadisten in Syrien und Irak würden die Pressefreiheit mit Füßen treten, indem sie Journalisten erniedrigen, foltern und ermorden (und damit deren Kollegen so weit einschüchtern, dass die abtauchen oder gleich das Land verlassen). Auch auf Demonstrationen in Kiew oder Hongkong würden Journalisten bei ihrer Arbeit behindert - und zwar nicht nur von Sicherheitskräften, sondern auch von Demonstranten, "aus Ärger darüber, dass sie ihrer Meinung nach einseitig berichten".

In Frohloffs Wahrnehmung hat das Internet, in dem Informationen in Echtzeit zugänglich gemacht werden und Dissidenten sich vernetzen können, den Druck auf autoritäre Herrscher verstärkt, den Informationsfluss zu kontrollieren, indem nicht nur zensiert wird, sondern unabhängige Stimmen gleich ganz mundtot gemacht werden. Sie wünscht sich, dass der UN-Sicherheitsrat von seinem Recht Gebrauch macht, Menschenrechtsverletzungen gegen Journalisten vor den Internationalen Strafgerichtshof zu bringen.

Astrid Frohloff weiß aus eigenem Erleben, wie es sich anfühlt, wenn die Pressefreiheit eingeschränkt wird. Ihre fünfjährige Zeit als Nahost-Korrespondentin für Sat 1, in der sie mit Verhaftungen und ungeklärten Todesfällen von Kollegen konfrontiert wurde, war nach ihrer Rückkehr im Jahr 2000 der Auslöser für ihr Engagement bei ROG. "Mir reicht es grundsätzlich nicht, Missstände nur zu beklagen", sagt sie. "Wer Dinge in der Welt verändern möchte, muss selbst aktiv werden."

Der Verein klagt gegen den Bundesnachrichtendienst

Auch wenn der Fokus der Arbeit von ROG aus Ressourcengründen auf Ländern liegt, in denen Journalisten keine Lobby haben, beschäftigt Frohloff auch die Lage des Berufsstandes in Deutschland. Einerseits beobachtet sie, dass das Bewusstsein dafür, welch ein hohes Gut die Pressefreiheit ist, in Deutschland in den vergangenen Jahren erfreulich gewachsen sei. Die "Lügenpresse"-Debatte zeige andererseits jedoch, "dass der Wert des Journalisten als Aufklärer und Enthüller von einigen wenigen verkannt wird, die in ihrer tiefsitzenden Enttäuschung Journalisten als Feindbild, als Komplizen der Mächtigen aus Politik und Wirtschaft, ansehen."

Der Fall netzpolitik.org künde zudem "von einer irritierenden Geringschätzung journalistischer Arbeit und des Stellenwerts der Presse durch die Politik". Quellenschutz sei "das A und O unabhängigen, freien Journalismus". Daher hat ROG eine Klage angestrengt gegen die "anlasslose, massenhafte Überwachung und Datensammlung" durch den BND, die Informanten einschüchtert und so "den journalistischen Kernauftrag, brisante Informationen an die Öffentlichkeit zu bringen", gefährde.

Zu Frohloffs Nachfolgerin bei ROG wurde im September in Berlin die ZDF-Journalistin Britta Hilpert gewählt, die bis zur nächsten Wahl in zwei Jahren neben Michael Rediske als geschäftsführendes Vorstandsmitglied und Sprecherin von ROG fungieren wird.

© SZ vom 12.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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