Süddeutsche Zeitung

BGH-Urteil:Presse darf über "Afghanistan-Papiere" der Bundeswehr berichten

Die Funke Mediengruppe hatte im September 2012 interne Dokumente der Bundeswehr über den Einsatz deutscher Soldaten in Afghanistan veröffentlicht. Der Bund klagte. Nun hat der BGH geurteilt.

Die Presse verstößt mit ihrer aktuellen Berichterstattung über vertrauliche militärische Lageberichte der Bundeswehr nicht gegen das Urheberrecht. Sein Urteil begründeten die Richter am Bundesgerichtshof (BGH) am Donnerstag damit, dass nach dem Urheberrechtsgesetz die Berichterstattung über Tagesereignisse wie die sogenannten Afghanistan-Papiere grundsätzlich erlaubt sei.

Bei den im Streit stehenden "Afghanistan-Papieren" geht es um vertrauliche wöchentliche militärische Lageberichte der Bundeswehr, die unter anderem ausgewählten Bundestagsabgeordneten zur Verfügung gestellt werden. Die Berichte sind mit der niedrigsten Geheimhaltungsstufe "VS - Nur für den Dienstgebrauch" gekennzeichnet.

Im Zuge der öffentlichen Diskussion über den Einsatz deutscher Soldaten in Afghanistan hatte die Funke Mediengruppe im September 2012, damals noch unter dem Namen WAZ-Mediengruppe, Einsicht in die Berichte der vorangegangenen elf Jahre verlangt. Der Bund verwies auf Sicherheitsbedenken und lehnte die Einsicht ab. Als die Mediengruppe auf unbekanntem Weg an die Dokumente gelangte, stellte sie diese ins Internet. Der Bund verzichtete zwar auf ein Strafverfahren, sah in der Veröffentlichung jedoch eine Urheberrechtsverletzung und klagte auf Unterlassung.

Der BGH verwies das Verfahren an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg. Dieser bezweifelte in seinem Urteil vom 29. Juli 2019, dass die Lageberichte kreativ genug seien, damit ein Urheberrechtsschutz überhaupt greifen könne. Doch selbst bei einem angenommenen Urheberrechtsschutz könne die Veröffentlichung im Rahmen der Meinungs- und Pressefreiheit zulässig sein.

Dem folgte nun auch der mit dem Rechtsstreit erneut befasste BGH. Inwieweit die Afghanistan-Papiere kreativ genug sind und damit Urheberschutz genießen, ließen die Karlsruher Richter offen. Denn der Funke-Mediengruppe sei es nach den urheberrechtlichen Bestimmungen sowieso erlaubt gewesen, über tagesaktuelle Geschehnisse zu berichten.

Die Mediengruppe habe die Afghanistan-Papiere nicht einfach nur veröffentlicht, sondern sich damit journalistisch auseinandergesetzt. Es habe zudem eine öffentliche Diskussion über Sinn und Zweck des Einsatzes deutscher Soldaten in Afghanistan gegeben. Das Urheberrecht sei nicht geeignet, um die Veröffentlichung der Lageberichte wegen einer möglichen Gefährdung der äußeren Sicherheit zu unterbinden. Hier würden andere strafrechtliche Vorschriften greifen, wie etwa die Bestimmungen gegen Landesverrat. Darauf habe sich der Bund aber nicht berufen.

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