Süddeutsche Zeitung

Kult-Serie:Wiedersehen auf der Metaebene

In der Neuauflage von "Beverly Hills, 90210" treffen sich die Darsteller in einer Art Fake-Reality-Show. Kann das funktionieren? Grübeleien eines erwachsen gewordenen Fans.

Von Jürgen Schmieder

Beim Älterwerden plagen ja bisweilen diese Erinnerungen ans Jungsein, und wenn es nur eine Melodie ist. "Da-da-da-daaaa, da-da-da-da. Tiss-tiss." Und noch einmal: "Da-da-da-daaaa, da-da-da-da-da-da-da. Tiss-tiss." Sie setzt sich fest im Kopf, diese Melodie, und sie versichert einem, dass es da mal eine Zeit gegeben hat, in der man jung und hübsch und unverwundbar gewesen ist.

Es sind die ersten acht Töne der Titelmusik von Beverly Hills, 90210, der legendären Serie übers Jung- und Hübsch- und Unverwundbarsein im Kalifornien der Neunzigerjahre, dazu diese beiden, nun ja, Trommelschläge. Die Leute, die damals mitgespielt haben und zu weltweiten Stars geworden sind, Jennie Garth zum Beispiel oder Jason Priestley oder Shannen Doherty, hören diese Töne nun, immer und überall. Sie können der Vergangenheit nicht entfliehen, sie hören sie als Wecker, als Kaffee-Blubber, als Windspiel - und irgendwann, da geben sie auf.

So beginnt die Folgeserie, die nun BH 90210 heißt, von Mittwoch an auf dem US-Sender Fox ausgestrahlt wird und demnächst auch in Deutschland starten soll. Kann so was funktionieren? Vordergründig ist das Original eine Hommage an diesen unwirklichen Ort gewesen, an dem trainierte Jungs im Pazifik surfen und dabei von gebräunten Blondinen bewundert werden. An dem es keine Sorgen gibt außer jene, welche Jeans man zur Party anziehen soll, damit einen der Schwarm endlich bemerkt. Doch Beverly Hills, 90210 war mehr. Viel mehr.

Die Serie war ein popkulturelles Phänomen, weil sie sich nicht lustig machte übers Jungsein. Sie nahm das Teenagersein mit allen Facetten ernst, und es gab Figuren, mit denen sich Teenies identifizieren konnten: der coole Dylan im Porsche 356 Speedster aus dem Jahr 1959. Der nette Brandon, moralische Instanz für all die verwöhnten Cali-Kids. Der Möchtegern-Rapper David, der unbedingt cool sein will und genau deshalb uncool bleibt. Und Steve, der Schnösel mit Papis Kreditkarte - okay, niemand wollte so sein wie Steve. Dazu, und das ist wichtig, weil es ungewöhnlich gewesen ist in den Neunzigern: Die weiblichen Charaktere waren, obwohl allesamt surreal attraktiv, Figuren mit Tiefgang, die sich im Laufe der Serie entwickelten.

Die ersten beiden von insgesamt zehn Staffeln (es gab danach auch noch die Ableger Melrose Place, Models Inc. und 90210) waren magisch, weil die Produzenten derart viel Handlung hineinstopften, dass es für zehn Serien gereicht hätte - aber ein Teenager erlebt ja auch innerhalb einer Woche so viel, dass es für zehn Leben reicht.

Es ging auch um Drogenmissbrauch, Brustkrebs, Belästigung. "Es war eine völlig synthetische Welt, aber die Emotionen der Teenager waren echt", sagt Erfinder Darren Star, der ein paar Jahre später Sex and the City erfunden hat. Man muss das alles wissen, um zu verstehen, was für eine interessante Idee die Neuauflage ist. BH 90210 ist eine Fake-Reality-Show, also: Die Darsteller von damals tun so, als würden sie sich 19 Jahre nach der letzten Folge auf einer dieser nostalgischen Fanversammlungen treffen und darüber plaudern, wie es denn wäre, die Serie fortzuführen. Sie sprechen darüber, was aus ihren Figuren geworden sein könnte, sie reden darüber, wie diese Charaktere ihr eigenes Leben geprägt haben.

Die Kunst imitiert das Leben, wie es die Kunst imitiert

Die Show spielt auf einer Metaebene, weil die Schauspieler in diesen fiktiven Geschichten eine überkandidelte Version ihrer selbst spielen, sich selbst nicht allzu ernst nehmen und so einen Blick auf damals werfen, als das Älterwerden noch Spaß gemacht hat. Die Kunst imitiert das Leben, wie es die Kunst imitiert.

"Wir verkohlen uns selbst, das Interesse an der Serie damals und den Hype um diese Figuren", sagt Jason Priestley, der früher den netten Brandon verkörpert hat und nun ein ambitionierter TV-Regisseur sein soll: "Es ist eine verrückte Idee, eine Serie zu machen, in der die Darsteller von damals diese Serie wiederbeleben wollen. Es könnte aber bahnbrechend sein, weil sie auch einen kleinen Blick hinter die Kulissen dessen bietet, was die Leute über Hollywood zu wissen glauben."

Es gab während der Produktion offenbar allerhand Dramen, Showrunner Patrick Sean Smith und mehrere Autoren haben kurz vor dem Beginn der Dreharbeiten gekündigt, angeblich wegen kreativer Differenzen mit zwei Darstellerinnen - vor allem Tori Spelling soll erbost gewesen sein, weil die überkandidelte Version ihrer selbst dem wahren Ich zu ähnlich sei. War das tatsächlich so, oder sind die Streitereien nur Teil der Metaebene? Schließlich haben sich die Schauspieler damals auch immer wieder mal gezofft. Das wäre natürlich genial.

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Quelle:
SZ vom 07.08.2019
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