Nachruf auf Betty White:Königin der Comedy

Nachruf auf Betty White: Rente? Nein, danke. Betty White stand noch in ihren Neunzigern oft vor der Kamera.

Rente? Nein, danke. Betty White stand noch in ihren Neunzigern oft vor der Kamera.

(Foto: Chris Delmas/AFP)

Die Schauspielerin Betty White, die durch die Serie "Golden Girls" weltberühmt wurde, ist kurz vor ihrem 100. Geburtstag gestorben. White war oft eine Pionierin - und geißelte gerne mal das Gejammer der Jüngeren.

Von David Steinitz

Als Betty White geboren wurde, gab es das Fernsehen, durch das sie weltberühmt werden sollte, noch gar nicht. Die Schauspielerin kam 1922 im Kleinstädtchen Oak Park zur Welt, einem Vorort von Chicago. Der Vater verkaufte während der Großen Depression Radiogeräte, um die Familie über Wasser zu halten. Als die Eltern mit ihr, dem Einzelkind, später nach Los Angeles umzogen und das Fernsehen seinen Siegeszug im Land feierte, war das vor allem "eine Zauberkiste". So nannte White die TV-Geräte, die das Unterhaltungsmonopol des Kinos beendeten und in den Fünfzigerjahren zum Massenmedium wurden. Sie war von Anfang an mit dabei. Das bedeutete auch in diesen Goldgräberzeiten schon durchaus Glamour, vor allem aber: malochen.

White hatte schon an der Beverly Hills High School mit dem Schauspielen begonnen. 1945 hatte sie ihren ersten Auftritt vor der Kamera, in einem Lehrfilm der Bundesregierung, in dem es um die Wiedereingliederung der US-Soldaten ins Berufsleben ging, die im Zweiten Weltkrieg gekämpft hatten. Dann folgten erste Engagements bei lokalen Fernsehstationen in Los Angeles. Sie war unter anderem der lustige Sidekick in einer Show, die fünf Stunden pro Tag, fünf Tage die Woche gesendet wurde - live.

Sie hatte nichts gegen Schauspielunterricht - "aber für mich ist das einfach nichts"

Diese Jahre waren Whites Comedy-Bootcamp. Es gab und gibt viele Kolleginnen und Kollegen, die besser schauspielen konnten als sie, das betonte sie selbst gern; aber White erwarb sich damals ihr untrügliches Gespürt fürs richtige Timing - und das ist in der Comedy wichtiger als alles andere. "Ich habe nichts gegen Leute, die Schauspielunterricht nehmen", sagte sie. "Aber ich gehe die Sache lieber ganz natürlich an."

Nachruf auf Betty White: Die Heldinnen der Serie "Golden Girls" im Jahr 1985: Estelle Getty, Rue McClanahan, Bea Arthur und Betty White.

Die Heldinnen der Serie "Golden Girls" im Jahr 1985: Estelle Getty, Rue McClanahan, Bea Arthur und Betty White.

(Foto: Nick Ut/dpa)

Das Ergebnis war eine Karriere, die fast an die siebzig Jahre dauerte. White war oft eine Pionierin. Als sie 1952 bei der Sitcom "Life With Elizabeth" über ein frisch verheiratetes Ehepaar die weibliche Hauptrolle übernahm, war sie im Verlauf der zwei Staffeln auch als Koproduzentin an der Serie beteiligt. Eine Frau als Produzentin, das bedeutete im Hollywood der Fünfziger einen absoluten Exotenstatus.

Nach vielen kleineren und größeren Rollen war sie in den Siebzigerjahren fester Bestandteil der beliebten "Mary Tyler Moore Show", die sich der große Comedy-Regisseur James L. Brooks ("Besser geht's nicht") mit ausgedacht hatte. Legendär wurde sie aber erst durch die Sitcom "Golden Girls", die von 1985 bis 1992 gedreht wurde und die zu einem der wichtigsten Exportgüter des US-Fernsehens jener Zeit wurde.

Heute mutet die Comedy über eine Seniorinnen-WG in Miami vielleicht etwas altbacken an. Aber die Serie war fürs amerikanische Fernsehen durchaus subversiv. Erstens, weil sie, im Gegensatz zu vielen anderen Comedy-Formaten, wirklich witzig war; und zweitens, weil die Macher Themen streiften, die so gar nichts mit der jungen, heterosexuellen Zielgruppe gemein hatten, die die Werbekunden am liebsten adressierten: Homosexualität, Armut, Sex im Alter. White ist darin in der Rolle der Rose in den Kanon der Popkultur eingegangen, obwohl sie ursprünglich für eine der anderen Rollen vorgesehen war. Sie hätte die promiskuitive Blanche spielen sollen, fand Rose in ihrer scheinbaren Dauernaivität aber die witzigere Rolle.

Der Ruhm dieser Serie sicherte ihr ein üppiges Alterswerk an Gastrollen, von den "Simpsons" über "Ally McBeal" bis zu "Toy Story 4" - sie trat bis weit in ihre Neunziger hinein auf. Rente? Nein, danke. Das Alter, sagte sie gern, sei nichts, worüber man sich ständig aufregen solle. All die Dreißig-, Vierzigjährigen, die aus dem Jammern gar nicht mehr hinauskämen, das sei doch lächerlich.

Am 31. Dezember ist Betty White, die in wenigen Wochen 100 geworden wäre, im Alter von 99 Jahren gestorben.

Zur SZ-Startseite

SZ PlusZDF-Serie "Der Bergdoktor"
:Ein Mann, der zuhören kann

Als Schauspieler Hans Sigl 2007 die Rolle angeboten wurde, riet ihm seine Agentin ab. Er wollte sie trotzdem. Seither hat der Bergdoktor Millionen Fans - unser Autor ist einer davon. Und findet: Nie war er so wertvoll wie heute. Eine Begegnung.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: