TV-Kritik: Bettina Wulff bei Peter Hahne:Alles Alltag, oder?

Zu Hause bei Familie Bundespräsident: In ihrem ersten Interview plaudert Bettina Wulff bei Peter Hahne über das Familienleben und das TV-Programm der Kinder. Nur bei zwei Themen schweigt sie.

Tobias Dorfer

Die gute Nachricht vorweg: Christian Wulff verhält sich auch in seinem neuen Amt völlig normal. Kürzlich hat er den Kindern Spielsachen gekauft und im Laden an der Kasse hat er sich ganz normal in die Schlange eingereiht, berichtet seine Frau in ihrem ersten Interview als First Lady bei ZDF-Talker Peter Hahne.

Bundespräsident verleiht Anerkennungsurkunden

Bettin Wulff: Deutschlands First Lady plaudert bei Peter Hahne eine halbe Stunde über Alltägliches.

(Foto: dpa)

Man hätte sich auch den Bundespräsidenten nicht vorstellen wollen, wie er sich durch das proppenvolle Spielzeuggeschäft drängelt und dann - in der einen Hand eine Packung Playmobil, an der anderen die Kinder - vor der Kasse seinen Bodyguard anweist, eine stoffbemützte Frau zur Seite zu drücken: Entschuldigung, in einer Stunde habe ich ein Abendessen mit Sarkozy, sehen Sie es als Dienst am Vaterland, vielen Dank für Ihr Verständnis, alles Gute auch für den werten Gatten.

Nein, ein Wegdrängler war Christian Wulff nie. In Niedersachsen hat er geduldig gewartet, bis seine Zeit kam. Später, als Ministerpräsident, war er in der CDU wohl der einzige, der Angela Merkel die Kanzlerschaft hätte streitig machen können, aber er tat es nicht, weil ihm der "unbedingte Wille zur Macht" fehlte, wie er sagte. Anders seine Frau Bettina, die - so beschrieb es der Stern einmal in einem Porträt - schon immer wusste, wo sie hingehört: ganz nach oben.

Man kann darüber streiten, ob ein Besuch bei Hahne dann der angemessene Ort ist, über das neue Leben im Schloss Bellevue zu sprechen - aber dennoch hat sich Bettina Wulff in ihrem Terminkalender 32 Minuten Zeit freigehalten, um bei dem ZDF-Moderator über ihr neues Leben zu erzählen. Auf seiner Internetseite hat der Sender einen kleinen Trailer platziert.

Familienalltag in Schloss Bellevue

Schloss Bellevue ist darauf zu sehen und in der linken unteren Ecke auch Peter Hahne, der nicht ohne Stolz betont, dass Bettina Wulff in ihrer neuen Rolle noch nie ein Interview gegeben hat und eifrig gestikulierend ankündigt, dass er sich nach dem Fernsehkonsum der Kinder erkundigen wird und auch nach der "Spielecke" fragen wird, die das Ehepaar im neuen Arbeitszimmer des Vaters einrichten wollte. Die Dinge eben, die die Nation - neben dem Tattoo der First Lady - wirklich bewegen.

Keine Sorge, die Spielecke existiert. Sie ist mit einem Tisch ausgestattet, an dem der zweieinhalbjährige Linus gerne malt. Und Fernsehen dürfen die Kinder auch. Linus zehn Minuten am Tag, meistens eine DVD mit der "Raupe Nimmersatt". Der siebenjährige Leander schaut "logo" - sehr zur Freude von ZDF-Mann Hahne, der seinerzeit die Kindernachrichten mitentwickelt hat und die Sendung "als ich jung und morgenschön war" im Pullover moderierte.

Und auch sonst darf man nach diesem Interview getrost konstatieren, dass die Wulffs in ihrem neuen Leben angekommen und, so betont es Bettina Wulff, dabei eine ganz normale Familie geblieben sind. Leander geht auf eine öffentliche Grundschule, am Wochenende wird Berlin erkundet, die Pfaueninsel besucht oder durchs Museum geschlendert. Bei einem Basketballspiel des Bundesligisten Alba Berlin war man schon, der Besuch beim Fußballzweitligisten Hertha BSC ist fest eingeplant. Abends wird vorgelesen und gebetet, samstags die Sportschau geschaut und "Wetten dass...?" - die Botschaft ist eindeutig: Familienalltag in Schloss Bellevue ist auch nicht anders als in einer Vorstadtsiedlung von Bielefeld.

Ist sie natürlich doch. Die Kameras, die Reisen, die Auftritte - schließlich nehmen auch die Aufgaben einer Präsidentengattin, etwa die Schirmherrschaft für das Müttergenesungswerk und die Stiftung "Eine Chance für Kinder", viel Zeit in Anspruch. Aber mit einem "guten Tagesplan", so erzählt die Präsidentengattin, bekäme sie den Spagat zwischen Familie und eigenen Aufgaben auf die Reihe. Und wenn es doch mal Schwierigkeiten gibt, dann vertraut die 37-Jährige auf ihre Mitarbeiter, ihre Organisationskraft und ihre Gelassenheit. Man könne ja "nicht immer gleich perfekt sein."

Zweite Miss Perfect der Republik

Bettina Wulff hat lange beim Autozulieferer Continental und bei der Drogeriekette Rossmann als PR-Managerin gearbeitet. Sie weiß schon von Berufs wegen, wie man gut verkauft und sie weiß auch, wie man viel redet und dabei wenig sagt. Dass sie die Musik von Take That und U2 mag? Nicht verfänglich.

Ganz anders, als die Präsidentengattin zur Frauenquote befragt wird. "Da mische ich mich nicht ein", sagt sie freundlich, aber bestimmt. Und als Hahne fragt, wann ihr Mann und sie denn nun gedenken, kirchlich zu heiraten, da verweigert sie ganz die Auskunft. Schließlich zieht Hahne eine Ausgabe der Welt am Sonntag hervor, in der Lady Style (Tagesspiegel) als Papierpuppe zum Ausschneiden abgedruckt ist. Das müsse man mit Humor nehmen, sagt diese: "Es wird immer Leute geben, die meinen, besser zu wissen, was ich tragen sollte."

Richtig konkret wird Bettina Wulff nur an zwei Stellen. Dass sie den Satz ihres Mannes, der Islam gehört zu Deutschland und das Christentum zur Türkei "absolut richtig" fand. Und dass sie sich "selbstverständlich" eine weitere Amtszeit ihres Mannes vorstellen könnte. Keine Frage, Miss Perfect (Stern) hat Gefallen an ihrer Aufgabe gefunden.

Ursula von der Leyen, die zweite Miss Perfect der Republik, hat früher einmal mit Kindern und Tieren vor den Fotografen posiert, um ihr Familienidyll zu demonstrieren. Da ist es beruhigend, dass Bettina Wulff nur von der Pfaueninsel erzählt.

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