Betrug beim NDR:Beeindruckende Wurstigkeit

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Wie würden Sie entscheiden? Eigentlich egal, das erledigt eh der NDR. Diese zwei schönsten Parks jedenfalls wurden in der Liste vertauscht. (Foto: NDR)

Nach dem ZDF muss auch der NDR Manipulationen bei Ranking-Shows einräumen. Bei Online-Abstimmungen zu Themen wie "Die schönsten Gärten und Parks des Nordens" wurde geschummelt. Der Fall verrät einiges über den Umgang der Öffentlich-Rechtlichen mit ihren zahlenden Zuschauern.

Von Katharina Riehl

Die Welt ist zweifellos ganz furchtbar kompliziert, und ein bisschen weniger kompliziert wird sie vielleicht, wenn man sie in Listen ordnet. Auch das deutsche Fernsehen erstellt gern weltordnende Listen, fast alle Sender planieren mit Ranking-Shows aller Art Teile ihres Programms - Menschen, Bücher, Lieder, Flüsse, Schlösser und Talsperren werden da in der Reihenfolge ihrer jeweiligen Beliebtheit vor dem Fernsehpublikum geordnet.

Ein paar Wochen ist es her, da musste das ZDF einräumen, bei einer seiner Ranking-Shows massiv betrogen zu haben. Für Deutschlands Beste! wurde eine Forsa-Umfrage gefälscht, Menschen nachträglich nach oben (Franz Beckenbauer) und unten (Peter Kloeppel) geschoben. An diesem Freitag nun musste der nächste öffentlich-rechtliche Sender Betrug einräumen: Am Nachmittag verschickte der Norddeutsche Rundfunk eine lange Pressemitteilung mit dem Titel: "NDR stellt einzelne Abweichungen bei Online-Votings für Unterhaltungssendungen fest."

Mit Zuschauerbeteiligung nicht weit her

Im NDR gibt es seit vielen Jahren Sendungen, in denen die sogenannten "Hitlisten des Nordens" erstellt werden. Zum Beispiel Die schönsten Inseln oder Die erstaunlichsten Dörfer wurden da in den vergangenen Jahren gekürt. Auf eine SZ-Anfrage nach dem ZDF-Skandal Mitte Juli, wie denn die Rankings im NDR zustände kämen, hatte der Sender mitgeteilt, die Zuschauer könnten auf NDR.de aus einer von der Redaktion vorgegebenen Liste auswählen.

Offenbar hat man sich in den Wochen danach die Ergebnisse noch einmal genauer angesehen. Und musste jetzt zugeben, dass es so weit mit der Zuschauerbeteiligung nicht her war. Der NDR erklärte, man habe "die interne Untersuchung nach Berichten unter anderem des Medienmagazins Zapp über die Geschehnisse im ZDF ( Deutschlands Beste!) veranlasst".

Eingegriffen wurde dem Sender zufolge im Jahr 2013 bei zwei Sendungen, in Die schönsten Gärten und Parks des Nordens vom 20. Dezember 2013 sei Planten un Blomen in Hamburg auf Rang zehn vorgezogen worden, auf dem tatsächlich der Rhododendronpark im Ammerland gelandet sei. "Grund: Für Planten un Blomen stand besseres Bildmaterial zur Verfügung." Bei der Top Flops Gala 2013 entschied über die schönsten Fernsehpannen doch nicht das Publikum, sondern die Redaktion, ein anderes Mal wurde eine schönste, aber am Ende unpassende Mühle gestrichen. 2011 und 2012 wurde etwa bei den "bedeutendsten Norddeutschen" und den "beliebtesten Partyhits" betrogen. Auch im Radio wurde manipuliert. Im dritten Programm sind sogar die Skandale weniger glamourös.

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Manipuliert wurden beim NDR OnlineVotings und keine repräsentativen Forsa-Umfragen wie am Mainzer Lerchenberg, was den Fall auf den ersten Blick etwas weniger spektakulär erscheinen lässt. Andererseits zeigt das Eingeständnis aus Hamburg umso deutlicher, mit welch beeindruckender Wurstigkeit beim öffentlich-rechtlichen Fernsehen mit den zahlenden Zuschauern umgegangen wird.

Natürlich kann ein Sender problemlos ohne jede Zuschauerbefragung die 20 schönsten Wanderwege küren, am besten so gleichmäßig über das Sendergebiet verteilt, dass jeder Zuschauer einen dieser Wanderwege zumindest von der Landkarte kennt. Aber weil Zuschauerbeteiligung gerade nun einmal schick ist, und die jungen Leute im Netz ja auch ständig Dinge liken, übt sich auch das gebührenfinanzierte Fernsehen in Teilhabe. Der neue Fall macht nun noch einmal deutlich, worum es sich tatsächlich handelt: um die Simulation von Teilhabe.

Bemerkenswert ist, dass der Sender die Manipulation nun von sich aus einräumt - ein extern erstelltes, quasi amtliches und leicht überprüfbares Ergebnis wie die Forsa-Studie gibt es hier ja nicht. Für den NDR-Intendanten und ARD-Vorsitzenden Lutz Marmor, der gern von Transparenz und Ehrlichkeit spricht, ist die Flucht nach Vorne andererseits vergleichsweise imageschonend. Marmor ließ am Freitag mitteilen, er "halte die festgestellten Fälle für nicht hinnehmbar, vor allem auch weil sie nicht transparent gemacht wurden, selbst wenn sie im Einzelfall in ihrer Tragweite überschaubar erscheinen mögen".

Auch der WDR überprüft sich selbst

Man werde, so Marmor, künftig alles dafür tun, selbst geringfügige Abweichungen zu vermeiden und offen darzulegen, wenn sie im Ausnahmefall redaktionell geboten sind. "Deshalb haben wir vorläufige Leitlinien zum Umgang mit Online-Votings entwickelt, die wir noch mit unseren Gremien beraten werden. Zudem sollen Online-Votings im NDR künftig restriktiver eingesetzt werden." Auch das ZDF prüft derzeit seine Ranking-Verfahren. Deutschland könnte bald ein abstimmungsarmes Land werden.

Auch der WDR und der HR hatten im Juli erklärt, ihre sendereigenen Hitlisten mit Hilfe von Online-Votings zu erstellen. Auf eine Nachfrage an diesem Freitag erklärte der WDR, auch hier laufe seit dem ZDF-Skandal eine interne Prüfung; Ergebnisse gebe es aber noch keine. Beim HR war dies zunächst nicht zu klären.

Auf der Webseite des NDR jedenfalls wurde die Welt schon wieder in Ordnung gebracht: Der Rhododendronpark im Ammerland steht dort nun auf Platz zehn.

© SZ vom 09.08.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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