Süddeutsche Zeitung

Betreuungsgeld-Debatte bei Günther Jauch:Mütter? Nicht einmal auf dem Betroffenen-Sofa

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Fast wäre die Diskussion bei Günther Jauch um das Betreuungsgeld interessant geworden - als CSU-Generalsekretär Dobrindt zäh herausließ, wer sich zu Hause um den Sohn kümmere. Doch dann glitt die Talkshow wieder nur ab in das übliche Politiker-Experten-Geplänkel - und die wichtigste Frage wurde glatt vergessen: Wie Mütter draufzahlen, die länger aus dem Beruf aussteigen.

Mirjam Hauck

Am 6. Juni will das Kabinett das Betreuungsgeld beschließen. Somit sollen von 2013 an den Eltern von ein- bis zweijährigen Kindern zunächst 100 Euro ausgezahlt werden, wenn sie ihr Kind nicht in einer Krippe oder von einer staatlich geförderten Tagesmutter betreuen lassen und damit auch nicht auf den von August 2013 an geltenden Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz für Einjährige klagen können.

Die CSU hat ihr Lieblingsprojekt aus dem schwarz-gelben Koalitionsvertrag gegen interne Widerstände durchgeboxt, und so saß Generalsekretär Alexander Dobrindt am Sonntagabend bei Günther Jauch, um Wählerinnen und Wähler auch außerhalb des CSU-Stammlandes noch einmal den Sinn des von Stoiber einst erdachten Betreuungsgelds zu erläutern.

"Kinderzimmer statt Kita - die Betreuungslüge der Koalition" hatte die Redaktion die Sendung betitelt. Und mit den Gästen neben Dobrindt, SPD-Vize Manuela Schwesig, Sozialwissenschaftler Stefan Sell, Ex-Lafontaine-Gattin und Linke-Politikerin Christa Müller und Moderatorin Gaby Bauer konnte man das übliche sonntagabendliche Parteifloskelgeplänkel erwarten, gewürzt mit etwas Expertenkompetenz, irrwitzigen Minderheitenmeinungen und kompletten Nullaussagen.

Mission erfüllt. Dabei hatte Jauch mit seiner Einstiegsfrage noch Hoffnungen geweckt. Wer denn in der Runde seine Kinder selbst betreue, wollte er wissen. Alexander Dobrindt - er hatte im Februar einen Sohn bekommen - bekannte zäh, dass bei Dobrindts zu Hause das Ernährermodell gelte, er ja als Generalsekretär einfach viel zu tun habe. Was seine Frau dazu sage und wie sie sich ihre berufliche Zukunft vorstelle, hat Jauch leider nicht mehr gefragt.

Väter - gleich gänzlich ignoriert

So wurde der Schwarze Peter erwartbar hin und her geschoben und Zahlen gehubert: Ob nun SPD-geführte Kommunen (München) oder CDU-geführte Länder (Niedersachen) zu wenig in den Kita-Ausbau stecken, ob 120.000 oder 200.000 Plätze fehlen und ob 100 Euro pro Monat und Kind Wahlfreiheit (Dobrindt) sichern oder doch eher das ukrainische Au-Pair-Mädchen eines Zahnarztehepaares finanzieren (Sell). Selbst das CSU-Linken-Bündnis war irritierend belanglos: Christa Müller wünschte sich eine Ausweitung des Betreuungsgeldes auf 1600 Euro im Monat.

Moderator inklusive Gäste hatten einfach mal den wichtigsten Punkt bei der Diskussion um Betreuungsgeld alias Herdprämie alias Mutti-Bonus vergessen. Welche Folgen hat es für Mütter, wenn Sie längere Zeit komplett und staatlich prämiert aus dem Beruf aussteigen?

Das Hamburger Weltwirtschaftsinstitut hat jüngst ausgerechnet, dass, wer nach der Geburt eines Kindes drei Jahre zu Hause bleibt und später drei Jahre Teilzeit arbeitet, rund 200.000 Euro einbüßt. Nicht mit eingerechnet sind die schlechteren Karten bei Gehaltsverhandlungen, weil Mütter meist zeitlich und örtlich gebunden sind. Und so generös sich der Staat beim Betreuungsgeld zeigt, so wenig ist er es beim neuen Unterhaltsrecht. Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs müssen Alleinerziehende Vollzeit arbeiten, sobald das Kind drei Jahre ist.

Aber diese Frauen bekamen bei Jauch nicht einmal einen Platz auf dem "Betroffenen-Sofa". Lediglich in kurzen Einspielfilmchen kamen zwei junge Mütter zu Wort. Väter hatte die Redaktion gleich gänzlich ignoriert.

In Schweden will man das 2008 eingeführte Betreuungsgeld übrigens jetzt wieder abschaffen, weil es Mütter vom Arbeiten abhält und den Ausbau der Betreuungsangebote bremst. Hierzulande zementiert die Politik lieber Geschlechterungleichheit. Und die Talkshows begnügen sich mit dem Widerkäuen von Floskeln und Parteitagsreden.

Dazu unser Vorschlag: Wenn es schon keinen Rechtsanspruch auf gutes Fernsehen gibt, dann vielleicht 100 Euro fürs Abschalten?

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