"Bergfried" in der ARD:Salvatores Rache wird fürchterlich sein

"Bergfried" in der ARD

Freundlicher Opa? Im ARD-Film gerät Peter Simonischek (rechts) als Stockinger unter Verdacht.

(Foto: BR/Ziegler Film/Epo Film/Petro D)

Abschalten wäre beim ARD-Film "Bergfried" schade. Auch wenn er nicht jedes Heimatkrimi-Klischee sicher umschifft.

TV-Kritik von Joachim Käppner

Der Fremde kommt in ein einsames Bergdorf und ist dort wenig gelitten. "Irgendwas will der, was wir nicht wollen", raunen die Männer böse. Wipfel und Wiesen, Glocken und Gewalt. Hinter dem Idyll tun sich Abgründe auf, dunkle Geheimnisse dräuen, von denen der Fremde nichts wissen soll: Diese Geschichte ist abertausendmal erzählt worden, im Heimatroman, im TV-Krimi, manchmal ironisch zugespitzt wie in der Verfilmung von Das finstere Tal, in dem der einsame Rächer sogar aus dem Wilden Westen in die Alpen kommt, im Gepäck ein Winchester-Repetiergewehr, das er wirkungsvoll sprechen lässt.

Salvatore aus der Toskana bringt 1983 eine Kamera und eine alte Wehrmachtpistole mit in das österreichische Dorf, in dem die Welt noch alten Gesetzen zu folgen scheint: schöne Bauernhöfe, Kirchturm, Wirtshaus. Man könnte in den ersten Minuten von Bergfried vor lauter Déjà-vu versucht sein zu denken: nicht schon wieder. Aber abschalten wäre schade.

So bereitwillig der Spielfilm die Motive vom Dorf der düsteren Geheimnisse aufnimmt, so sehr geht er doch seinen eigenen Weg; so bekannt Plot und Figuren zunächst zu sein scheinen, so intensiv wird die Geschichte plötzlich. Sie mag das Wegkippen ins Klischee nicht in jeder Szene erfolgreich vermeiden, die Handlung fährt aber niemals an den Baum wie ihre junge Heldin Erna (überzeugend: Katharina Haudum), die sich lieber Janis nennt, nach Janis Joplin. Dem Mann aus Italien, der sie aus dem kaputten VW Käfer zieht, kommt sie natürlich bald nahe.

Salvatore, das "heißt Erlöser", wie er sagt, aber erlösen will er nicht die junge Frau, sondern sich selbst. Er war, als Kind, der einzige Überlebende des Massakers, das SS und Wehrmacht 1944 in einem toskanischen Dorf anrichtet hatten. Nun sucht er die alten Männer, die Täter von damals, die unbestraft zurückkehrten in ihr altes Leben; ein Verdächtiger, der Stockinger, grandios grantig und gefühlskalt gespielt von Peter Simonischek ("Wir waren auch jung, aber so 'nen Krach haben wir nicht gemacht"), muss sich der Vergangenheit nun stellen.

Das Massaker, das im Hintergrund des Films steht, hat es wirklich gegeben, in Sant' Anna di Stazzema. Angehörige der Waffen-SS ermordeten 1944 Hunderte Dorfbewohner, unter dem Mäntelchen des Kampfes gegen die Partisanen der Resistenza. Der Massenmord blieb ungesühnt, Versuche in den vergangenen Jahren, einzelne Tatverdächtige doch noch vor Gericht zu stellen, scheiterten.

Die Geschichte zweier Buben, die dem Gemetzel entkamen, hat Regisseur Jo Baier nie losgelassen; der fiktive Salvatore (Fabriccio Bucci) verkörpert ihr Schicksal. Salvatores Rache, ohne zu viel zu verraten, wird fürchterlich, die Gerechtigkeit nimmt ihren Lauf. Das unterscheidet die Fiktion von der Wirklichkeit.

Bergfried, ARD, 20.15 Uhr

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: