Beckham versus Bauer Verlag:Ein gefährlicher Fall

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"Verletzende Berichterstattung": Der Fußballstar David Beckham klagt gegen Bauer und will den deutschen Verlag auch vor ein amerikanisches Gericht bringen.

Hans Leyendecker

Rudolf Augstein war oft ziemlich mutig. Aber vor einem Umstand hatte der Spiegel-Gründer Bammel, ja Angst: Er fürchtete, dass irgendjemand erfolgreich sein Blatt in den USA oder England auf hohen Schadenersatz verklagen könnte. Der angloamerikanische Rechtskreis war ihm nicht geheuer.

Immer wieder im Interesse der Medien: Das Pop-Paar David Beckham und seine Frau Victoria. (Foto: AP)

Nun droht einem anderen mächtigen Mann des deutschen Verlagswesens Ungemach in den USA, und die Folgen lassen sich derzeit noch nicht absehen. Der Fußballstar David Beckham, 35, hat gegen die Bauer Media Group, Inc. und weitere amerikanische Ableger des Hamburger Zeitschriftenverlegers Heinrich Bauer, 71, eine Klage bei einem Gericht in Los Angeles einreichen lassen. Als Schadenersatz für eine aus Sicht Beckhams verletzende Berichterstattung verlangen seine amerikanischen Anwälte "mindestens 25 Millionen Dollar" von Bauer.

Grund für die Klage, die sich so liest, als wäre sie mit heißer Nadel gestrickt, war eine Titelgeschichte der amerikanischen Ausgabe des Bauer-Blattes InTouch. Die Zeitschrift hatte über eine angebliche Affäre des Fußballers mit einer angeblichen Prostituierten berichtet. Beckham bestreitet die Vorwürfe vehement.

Das juristisch Besondere dieses Falles liegt allerdings nicht in dem amerikanischen Rechtsstreit, sondern darin, dass der Fußballer mit wirklich allen Mitteln gegen einen ähnlichen Bericht in der deutschen Ausgabe von InTouch vorgehen will. Der von Beckham in Deutschland eingeschaltete Medienanwalt Matthias Prinz aus Hamburg erwägt jetzt, Bauer wegen der deutschen Veröffentlichung in Amerika zu verklagen. Das wäre ein Novum, wenngleich grenzüberschreitende Strategien in vielen Anwaltssparten in Mode kommen.

Die Aufgabe für Anwälte ist immer dieselbe: In welchem Land lässt sich das meiste für einen Mandanten herausholen? Zwei Fragen wären mit einer zusätzlichen deutschen Klage in den USA verbunden: Kann eine deutsche Verlegerfamilie persönlich in den USA verklagt werden? Und: Welche Schadenersatzsumme könnte wegen eines deutschen Blattes vor einem US-Gericht fällig werden?

"Exklusiv Sex-Skandal! Mehrfach soll David mit diesem Luxus-Callgirl geschlafen haben. Was wird Victoria dazu sagen?" Das stand am 23. September auf der Titelseite der deutschen InTouch. Mit Victoria war Beckhams Ehefrau gemeint, die früher Sängerin der britischen Band Spice Girls war. Die beiden sind seit elf Jahren verheiratet, haben drei Kinder, und sie sind vor allem gut im Geschäft mit der Werbung. Anfang Oktober hat die 28. Zivilkammer des Landgerichts Köln auf Antrag der Anwälte Beckhams, der eine eidesstattliche Versicherung eingereicht hat, in erster Instanz dem Bauer-Verlag in dieser Angelegenheit eine zehn Punkte umfassende einstweilige Verfügung zukommen lassen. Die Punkte des Beschlusses betrafen den Kern der Geschichte.

Hamburger Anwälte des Bauer-Verlages hatten zuvor erklärt: "Nach unserer Kenntnis sind die in Rede stehenden Vorwürfe nachweislich zutreffend." Hierauf komme es aber "nicht einmal an", denn das Blatt habe "lediglich berichterstattenswerte und allseits diskutierte Äußerungen Dritter hinterfragt und sich dabei klar von diesen distanziert". Ein angeblich ehemaliges Callgirl hatte mit der amerikanischen InTouch über angebliche Liebesdienste für Beckham gesprochen und behauptet, dieser habe dafür angeblich rund 15.000 Dollar bezahlt.

Das Management Beckhams und sein Sprecher wurden von dem deutschen Bauer-Blatt mit dem Hinweis zitiert, das sei "alles erstunken und erlogen" oder "frei erfunden und total falsch". Die Geschichte war dennoch ("ob wahr oder unwahr - für Victoria sind allein die Anschuldigungen ein Albtraum") erschienen. Eine Sprecherin des Bauer-Konzerns erklärte Ende September, InTouch habe "ausführlich und entsprechend ausgewogen" berichtet. Das sehen Beckham und seine Anwälte anders.

Noch härter als in den USA geht es seit einigen Jahren in Großbritannien zu, wo es wohl den strengsten Schutz der Privatsphäre in der westlichen Welt gibt. Das libel law, das vor Verleumdungen schützen soll, ist zur Schlag-Tot-Waffe der Angegriffenen geworden. Klagen wegen Rufschädigung durchzustehen, kostet in England die Verlage mittlerweile etwa achtzigmal so viel wie vergleichsweise in Deutschland. Millionenforderungen sind Alltag. Große amerikanische Blätter haben deshalb sogar überlegt, den britischen Markt nicht mehr zu beliefern und dort den Zugang zu ihren Online-Seiten zu sperren.

Die Welt der Medien ist internationaler und gefährlicher geworden. So entschied im März der Bundesgerichtshof, auch die Internetausgabe einer amerikanischen Zeitung könne vor einem deutschen Gericht wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts verklagt werden.

© SZ vom 11.10.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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