Beckenbauer-Double Schorsch Aigner:Der Franz, der Scheich und die 6,7 Millionen

Wie lief der Deal um die angeblich gekaufte Fußball-WM 2006 wirklich? Comedian Olli Dietrich liefert als Beckenbauer-Double Antworten - und verkörpert den Kaiser famos.

Von Hans Hoff

"Es ist zu viel Geld im Spiel." Schorsch Aigner sagt diesen Satz mit einem Seufzer. Der Satz steht am Ende eines exklusiven Interviews, das der ARD-Reporter Tom Theunissen mit ihm geführt hat. Theunissen ist auf der Suche nach einer Antwort auf die Frage, was es auf sich hat mit jenen ominösen 6,7 Millionen Euro, die der DFB an die Fifa überwiesen hat, mit denen angeblich das Sommermärchen von 2006 gekauft wurde.

Eigentlich will der Reporter, wie alle anderen auch, lieber den damaligen WM-Chef Franz Beckenbauer befragen. Aber der gibt sich bekanntlich schweigsam. Deshalb hat Theunissen auf einem Flughafengelände Beckenbauers Doppelgänger ausfindig gemacht. Schorsch Aigner heißt der Mann, der Beckenbauer verblüffend ähnelt, der früher oft eingesetzt wurde, wenn der Kaiser mal nicht konnte. Wie das funktionierte, hat die ARD schon im Juni gezeigt in der Pseudo-Dokumentation "Schorsch Aigner - Der Mann, der Franz Beckenbauer war". Es gab erhellende Momente und Einblicke in die Welt einer Lichtgestalt. Alles frei erfunden, aber doch so eng an der Realität gehangelt, dass es tiefe Erkenntnisse ermöglichte.

Dittrich ist ein sehr gewissenhafter Mann

Für die Einblicke sorgt der Schauspieler Olli Dittrich. Der hat nicht nur Dittsche erfunden, sondern auch den Schorsch Aigner. Dittrich ist ein sehr ernster, sehr gewissenhafter Mann. Er liebt Figuren, die sich sehr ernst nehmen, er weiß, dass große Komik besonders dann entsteht, wenn alle es ernst meinen. Oder wenigstens so tun.

Natürlich ist das Interview mit dem Beckenbauer-Double, das am späten Donnerstagabend im Ersten lief, eine Parodie auf das, was die offizielle Sportwelt und all die Gestalten drum herum gerade so anstellen, so angestellt haben. Es ist vor allem eine Parodie auf das Verhalten Beckenbauers. Dittrich weiß, wie der Kaiser tickt, er weiß, wie er redet, wie er sich gebärdet. Er setzt jedes langgezogene Äääh genussvoll, er zelebriert dieses Ringen um Worte, diesen gelegentlich sehr gehetzten Blick.

Kein grobschlächtiger Kaiser-Nachbau

Es ist die feine, zurückgenommene Art des Spiels, die Dittrichs Beckenbauer so besonders macht. Er kommt nicht als grobschlächtiger Kaiser-Nachbau daher. Das überlässt er Brachialkomikern wie Matze Knop. Dittrich nähert sich seinen Figuren eher von innen. Er spielt sie nicht. Er ist sie.

Der Kniff mit dem Double Schorsch Aigner ist natürlich genial, weil Dittrich damit dem Zwang ausweicht, Beckenbauer sein zu müssen. So spielt Dittrich quasi den Doppelgänger des Doppelgängers, was ihm enorme Freiheiten verleiht.

Zum Beispiel die, einfach mal im Franz-Klang zu erklären, wofür die 6,7 Millionen eigentlich bestimmt waren. Dafür muss er zurück zu einem Treffen in Katar. Beim Scheich musste er um die Jahrtausendwende Beckenbauer spielen, aber seine Tarnung flog wegen einer unbedachten Nennung seiner Frau Elfriede auf.

Mit dem falschen Franz reift ein Plan

Als der Scheich merkte, dass er nicht den echten Franz vor sich hatte, sondern nur den, der sich als Franz ausgab, reifte ein Plan. Der falsche Franz sollte dem echten Scheich helfen, Fifa-Präsident zu werden. Im Gegenzug finanzierte der Scheich dem Schorsch mit 13 Millionen Mark den Rückkauf ausgedehnter Westerwald-Ländereien, die Aigners Vater einst beim Kartenspiel verloren hatte. Im besten Beckenbauer-Denglisch berichtet Aigner von dem Deal. "When we do this deal then I must have something for myself auch", hatte er dem Scheich gesagt.

Als sich dann doch wieder Sepp Blatter als Fifa-Chef durchsetzte, wollte der Scheich natürlich sein Geld zurück haben, 13 Millionen Mark, etwa 6,7 Millionen Euro. Weil Aigner das Geld aber längst investiert hatte, musste er sich die Summe von woanders besorgen. Er sprach in seiner Rolle als Franz den Unternehmer Robert Louis-Dreyfus an. Der Rest ist bekannt. Die Fifa musste irgendwann die Forderungen von Dreyfus befriedigen. Man lässt halt einen Franz nicht im Regen stehen.

"Sie haben mit Beckenbauers Namen den Schuldschein unterschrieben?" Theunissen ist entsetzt, als er das erfährt, will aber noch genau wissen, was der richtige Beckenbauer damit zu tun hat. "Es tut mir furchtbar leid, aber der Einzige, der wirklich gar nichts damit zu tun hat, ist der Franz", sagt Aigner treuherzig.

Absurde Vorstellung

Es ist ein wildes Verwirrspiel, das Dittrich da mit seinem Team ersonnen hat. Die Vorstellung, dass sich einer in Beckenbauers Namen Geld geliehen hat und am Ende der DFB dafür aufkommen musste, klingt an sich komplett absurd, in diesen Zeiten, da man jedem alles zutrauen muss, aber auch wieder nicht.

Nur 20 Minuten dauert dieses Interview im Privatjet. Es sind 20 Minuten, die einem wie Dittrich ausreichen, um größtmögliche Verwirrung zu stiften, um die ohnehin verworrenen Verhältnisse noch ein wenig mehr zu verdrehen. Darf man ihm glauben? Soll man ihm glauben? Immerhin ist es der Versuch, mit den Mitteln der Konfusion einer komplett überdrehten Maschinerie noch Herr zu werden.

Da entfleucht auch dem Zuschauer leicht mal der Seufzer des traurigen Helden Schorsch Aigner. "Es ist zu viel Geld im Spiel", sagt er, und dem ist nichts hinzuzufügen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: