"Beate Uhse - das Recht auf Liebe" im ZDF:Lust und Lüge

Lesezeit: 3 min

Beate Uhse hat Sex pragmatisch betrachtet, das machte sie einst zur Revoluzzerin. Der ZDF-Film über ihr Leben vermeidet jedoch verdruckst alles Körperliche. Wie das Fernsehen große Frauen klein macht - trotz guter Story und einer patenten Franka Potente.

Barbara Gärtner

Muschi. Das sagt der Mann tatsächlich. Er trägt die Krawatte enggeknotet, guckt recht erschrocken und wirkt auch sonst vor allem steif. Ist ja schließlich ein Bewerbungsgespräch, allerdings eines im Erotikversandbetrieb, und da soll er Namen nennen, Wörter für das weibliche Geschlechtsorgan.

Franka Potente als Beate Uhse in dem ZDF-Film "Beate Uhse - Das Recht auf Liebe" von Hansjörg Thurn.  (Foto: ZDF/Christiane Pausch/dapd)

Beate Uhse testet also ihren Kandidaten, ob er begrifflich gleichgesinnt ist: Der Konkurrent habe nur fades Lexikondeutsch gewusst, Orgasmus als Blut-und Säftedrang, nein, so gehe das nicht. "Die Regeln sind einfach", sagt die Chefin freundlich: "Präzise, klar, offen bleiben." Dazu macht sie ein aufmunterndes Grundschullehrerinnen-Gesicht.

Eine großartige Szene, es ist die einzige dieser Art im ganzen Film.

Die Regeln sind doch einfach, Regisseur Hansjörg Thurn hat sie von seiner Uhse-Darstellerin Franka Potente patent aufsagen lassen, aber beim Filmen wohl nicht hingehört. Uhses Präzise-klar-und-offen-Dogma treibt dem Sprechen über Sex die Peinlichkeit aus und dem Drang das Diabolische. Sie hat den Geschlechtsverkehr pragmatisch betrachtet, das machte sie einst zur Revolutionärin. Im Film, den das ZDF aus ihren Lebensdaten drehen ließ, wird aber alles Körperliche verdruckst vermieden. Wenn Beate Uhse doch einmal ihren zweiten Ehemann erotisieren will, flüstert sie kichernd in sein Ohr und sinkt dann keusch in die starken Wollpulliarme. Und ist dann, hoppla, schwanger. Wie konnte das nur passieren?

Ja, wie nur? Auf diese Frage gründet das ganze Erotik-Imperium der Beate Uhse. Denn damals, nach dem Krieg, als die Männer heimkehrten zu Trümmern und auseinandergebrochenen Familien, da trugen die Frauen schnell Kinder unterm Kittel und schluchzten bang: Wie soll's bloß weitergehen - keinen Platz zum Leben, keine Arbeit aber dazu noch ein hungriges Ding?

"Wieso habt ihr euch denn nicht geschützt? Ich meine Verhütung. Warum nicht?", fragt die burschikose Uhse im Film und löffelt ungerührt ihre Suppe leer, am Esstisch des Flensburger Pfarramts. Dort hat die junge Witwe mit ihrem Sohn Unterschlupf gefunden und dort klopfen dann die Mädchen an die Tür und wollen sich erklären lassen, wie das funktioniert: Sex ohne Fortpflanzung. Die Nazis hatten das verboten, den Frauenarzt, den können sie nicht fragen.

Gegen Marmelade rechnet Uhse den Nachbarinnen nach Knaus-Ogino ihre unfruchtbaren Tage aus, gelernt hat sie das von ihrer Mutter, einer Ärztin. Aus den Nachbarschaftsrechnungen wurde eine Schrift mit Tipps und Ratschlägen, Uhse nennt sie mysteriös "Schrift X" und vertreibt sie auf dem Postweg. So entstand also eines der erfolgreichsten Wirtschaftsunternehmen Deutschlands. 2001, als Beate Uhse im Alter von 81 Jahren starb, war ihr Flensburger Erotikhandel zu einem börsennotierten Imperium mit Shops und Kinos gewachsen.

Comic: Black Hole
:Die Krankheit Jugend

Den einen wachsen Schwimmhäute, den anderen ein Schwänzchen am Po - und übertragen wird die Teenager-Pest durch Sex: Charles Burns' "Black Hole" könnte der schwärzeste Comic der letzten Dekaden sein.

Fritz Göttler

Ein Leben, wie für den Film erdacht. Mit 18 machte Beate Uhse, die Gutsbesitzerstochter, den Pilotenschein. Sie wurde Testfliegerin, überführte Jagdmaschinen für die deutsche Luftwaffe und drehte nebenbei Stunts für Ufa-Stars wie Hans Albers. Vor den Russen floh sie mit ihrem Kind in einem gekaperten Wehrmachtsflugzeug, gerade noch funktionstüchtig, und landete in einem Land voller Lüste und Lügen. Kaum eine Biographie, die die Stimmungen der BRD derart verdichtet erzählt wie die von Beate Uhse: gefeiert und gehasst, nur mit dem Bundesverdienstkreuz hat es am Ende nicht geklappt.

Wer Humor hat, darf auch Muschi sagen: Die Erotik-Unternehmerin erzählt Anfang der 70er ihrem 25 Jahre jüngeren amerikanischen Liebhaber ein bisschen deutsche Sexualgeschichte. (Foto: ZDF/Christiane Pausch)

Vielleicht will das öffentlich-rechtliche Fernsehen all jenen Heldinnen der Historie nun posthume Gerechtigkeit zukommen lassen: Margarete Steiff, Hope Bridges Adams, Bertha Benz und nun eben Beate Uhse. Ihre Biographien wurde in den zurückliegenden Jahren zu Unterhaltungsfilmen, dargestellt von Schauspielerinnen, denen man einiges zutraut, zumindest Vorab-Aufmerksamkeit wie bei Heike Makatsch oder eben Franka Potente.

Allerdings macht dieses Fernsehen die großen Frauen klein, indem es sich auf die Malaise dieser Frauen mit Männern kapriziert. Jede außerordentliche Leistung, aller Mut ist bloß Trotz der Ungeliebten. Beate Uhse stürzt sich also nur deshalb in die Erotikarbeit, weil der Ehemann fremdgeht. So verrät das Fernsehen die Heldinnen, die es haben könnte und auch den Film über sie.

Die Geschichten sind gut, relevant, oft stecken unerschrockene Produzenten dahinter. Bei Beate Uhse ist es Zeitsprung Entertainment ( Contergan). Das Unternehmen musste vor Monaten Insolvenz anmelden, wird aber nach der Ausstrahlung von Beate Uhse in eine neue Firma überführt werden.

Warum sind nun TV-Fiktionen wie Beate Uhse am Ende keine famose Unterhaltung - trotz guter Darsteller? Schreckten die Macher vor der eigenen Courage zurück?

Das Leben Uhses als Abendunterhaltung: Weil die Idee offenbar schon gewagt genug ist, wurde ansonsten mit Esprit, Raffinesse und Erotik ziemlich gespart. Da zersägt die Musik jeden Spannungsbogen, die Figur der Sex-Unternehmerin ist teflonglatt. Immer voran, nur keine Angst. Kann am Buch (Timo Berndt) liegen oder am Spiel der sonst so feinen Franka Potente. Als Beate Uhse lässt sie alles Ungemach lächelnd abprallen.

Auch die anderen Protagonisten, der böse Staatsanwalt (Sylvester Groth) oder das kreuzbrave Kindermädchen (Rike Schmid), mit dem Ehemann Rotermund fremdgeht, werden zu plumpen Schießbudenfiguren. Alles ist im welken Licht gefilmt, als habe der Kameramann gerade die iPhone-App Hipstamatic entdeckt. Die ganze Geschichte ist eine einzige mildgütige Rückblende. Da erzählt die müde Erotik-Unternehmerin Anfang der 70er ihrem 25 Jahre jüngeren amerikanischen Liebhaber ein bisschen deutsche Sexualgeschichte.

Was hier fehlt, ist der Spaß und der Sprachwitz Beate Uhses. Denn wer Humor hat, darf auch Muschi sagen.

Das ZDF zeigt den Film "Beate Uhse - Das Recht auf Liebe" am Sonntag, 9. Oktober, um 20.15 Uhr.

© SZ vom 08.10.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: