Die British Broadcasting Corporation ist der Konservativen Partei im Vereinigten Königreich schon lange ein Dorn im Auge. Zu linkslastig sei die BBC, zu großstädtisch-elitär und vor allem: zu teuer. Das sind die Argumente, die mittlerweile seit Jahrzehnten mit zunehmender Lautstärke und immer größerem Nachdruck von den Tories zu hören gewesen sind.
Nun scheint die Regierung unter Premierminister Boris Johnson konkrete Maßnahmen zum Umbau - manche Kommentatoren sagen: zur Demontage - des Senders ergreifen zu wollen: Die britische Ministerin für Kultur, Medien und Sport, Nadine Dorries, hat angekündigt, dass die BBC-Rundfunk-Lizenzgebühr, die momentan 190 Euro im Jahr beträgt (also monatlich 15,83 Euro), 2027 abgeschafft werden soll. Dann endet die bisherige Finanzierungsregelung für die BBC, die durch eine zeitlich befristete Royal Charter festgesetzt wurde. Eine Royal Charter, eine Art Körperschaftssatzung, wird vom britischen Monarchen nach Vorschlägen der jeweiligen Regierung verliehen. Sie definiert im Falle der BBC neben der Finanzierung zugleich auch Zielsetzung und öffentliche Rolle des Senders.
Zudem will Nadine Dorries die Rundfunkgebühr nur noch einmal erhöhen und dann für die folgenden zwei Jahre auf diesem Niveau einfrieren, was preisbereinigt einer Budgetkürzung gleichkommt. Das würde die BBC zwingen, ihre Berichterstattung stark einzuschränken, verstärkt auf Wiederholungen zu setzen und möglicherweise Tausende von Mitarbeitern zu entlassen.
Tories vergleichen BBC-Berichte über den Party-Premier mit einem medialen "Putschversuch"
Es liegt nahe, diese Ankündigung zum jetzigen Zeitpunkt als politisches Ablenkungsmanöver zu interpretieren. Premierminister Boris Johnson - der seine langanhaltende Popularität nicht zuletzt launigen Auftritten bei BBC-Shows wie Have I Got News For You zu verdanken hat - kämpft derzeit ums politische Überleben, da die Vorwürfe wegen seiner Teilnahme an einer Gartenparty während eines harten Corona-Lockdowns nicht verstummen. Dass die BBC darüber kontinuierlich berichtet, wird ihr von Johnson-Getreuen, zu denen auch Dorries zählt, besonders verübelt. Michael Fabricant, einer der schillerndsten Unterhausabgeordneten der Tories, verglich die kritische Berichterstattung der BBC über die Vorgänge sogar unverblümt mit einem medialen "Putschversuch".
Die Drohung, der BBC die öffentliche Subventionierung zu entziehen, ist jedoch keineswegs neu. Boris Johnson selbst hatte beispielsweise im Dezember 2019 über die Abschaffung der Lizenzgebühr spekuliert: Man müsse sich fragen, befand Johnson damals, ob die Verteilung öffentlicher Gelder an einen Sender "angesichts der Art und Weise, wie andere Medienunternehmen es schaffen, sich selbst zu finanzieren, auf lange Sicht noch sinnvoll" sei. Vor einem Jahr spielte Dorries Amtsvorgänger Oliver Dowden mit dem Gedanken, die Nichtzahlung von Rundfunkgebühren zu entkriminalisieren und damit de facto zu einer freiwilligen Zahlung zu machen. Dieser Plan wurde wieder fallengelassen.
Allerdings hatte bereits die Regierung unter Premier David Cameron die Grundlage für diese Entwicklung geschaffen. Nachdem die Tories bei der britischen Unterhauswahl 2015 nach einer fünfjährigen Koalition mit den Liberaldemokraten eine alleinige Mehrheit hatten erringen können, hatte Schatzkanzler George Osborne mit dem damaligen BBC-Generaldirektor Tony Hall umgehend ein rigides Sparprogramm für den Sender ausgehandelt. Es führte dazu, dass die BBC seit 2017 jährlich rund eine Milliarde Pfund einsparen musste. Dies gefiel nicht nur vielen privatfunkfreundlichen Hinterbänklern in Osbornes und Camerons Partei, sondern auch Mediengroßunternehmern wie Rupert Murdoch. Er hatte als damaliger Betreiber des Senders Sky mit Hilfe von Lobbyarbeit und öffentlicher Meinungsmache lange versucht, die BBC als Konkurrenz zu schwächen oder ganz auszuschalten.
Einen Plan für die BBC hat die Ministerin nicht, über die Fakten wirkt sie nicht sehr informiert
Nadine Dorries hat sich bisher als nicht sonderlich sattelfest erwiesen, was die Verteilung von Linzengeldern angeht. So behauptete sie im vergangenen November bei einer Anhörung vor einem parlamentarischen Sonderausschuss, der Sender Channel 4 werde mit öffentlichen Mitteln finanziert. Der Ausschussvorsitzende Damian Green, ebenfalls ein Tory, korrigierte seine Parteifreundin sichtlich irritiert. Tatsächlich finanziert sich Channel 4 ausschließlich durch Werbung, auch wenn er einen öffentlichen Träger hat, und zwar Dorries' eigenes Ministerium.
Was die Lizenzgebühr ersetzen könnte, ist derzeit weitgehend unklar. Möglichkeiten wären eine Abgabe auf Internetanschlüsse, was insofern sinnvoll wäre, als Streamingdienste wie der BBC-iPlayer immer wichtiger werden. Die Regierung könnte die BBC direkt aus Staatsmitteln finanzieren, was den Sender in eine starke Abhängigkeit von der jeweiligen Regierungspartei bringen würde. Man könnte Werbung zulassen, die bisher auf der BBC nicht existiert, kommerziell lukrative Teile auslagern und privatisieren oder die BBC gleich ganz zu einem Pay-TV-Sender machen. Wie auch immer die Lösung aussähe: Sollten die Pläne in die Tat umgesetzt werden, wird die BBC wohl spätestens von 2027 an nicht mehr wiederzuerkennen sein.