Süddeutsche Zeitung

Streit bei Nachrichtenmagazin:Chefredakteurin verlässt "Spiegel"

Barbara Hans räumt nach nicht einmal zwei Jahren ihren Posten und verlässt mit sofortiger Wirkung das Haus. Vorangegangen war ein Streit an der Spitze des Nachrichtenmagazins.

Von Laura Hertreiter

Barbara Hans verlässt den Spiegel Ende April. Wie das Hamburger Nachrichtenmagazin nur drei Tage vor ihrem Austrittstermin mitteilte, habe sie das einvernehmlich mit dem Vorsitzenden der Chefredaktion, Steffen Klusmann, entschieden. Das ist die übliche Abschiedsformulierung, man könnte auch sagen, die beliebteste Lüge unter den Abschiedsformulierungen.

Bereits Anfang des Jahres war von Streit bei Deutschlands führendem Nachrichtenmagazin die Rede. Man muss dazu wissen, dass Barbara Hans sich die Chefredaktion mit Clemens Höges und Steffen Klusmann als Vorsitzendem teilt, seit das Medienhaus das Team des gedruckten Hefts mit dem Team der Online-Mannschaft zusammengelegt hat. In dem Trio soll es Differenzen aus mehreren Gründen gegeben haben.

Erstens, weil Hans 2018 nahezu gleichzeitig mit ihrer Berufung für ein halbes Jahr in Elternzeit ging, seit Herbst 2019 war sie voll im Einsatz. Seither, so sagen einige in der Redaktion, habe sie ihre Rolle an der Spitze nicht gefunden, andere sagen: Man habe Hans diese Rolle nicht finden lassen. Zweitens ist Barbara Hans unter den dreien die einzige mit digitalem Hintergrund, sie hat eines der führenden deutschen Nachrichtenangebote im Netz aufgebaut. In der Zusammenarbeit mit printorientierten Kollegen soll es immer wieder massiven Ärger gegeben haben.

In der Redaktion haben die atmosphärischen Störungen offenbar bereits zu Jahresbeginn den Anschein erweckt, Barbara Hans müsse das Haus verlassen. Ein Teil der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wandte sich Ende Januar in einem Brief an die Chefredaktion: Man sei "erschüttert, entsetzt, traurig und wütend" über den Umgang mit der Chefredakteurin, aber auch über "das dröhnende Schweigen", mit dem die Spiegel-Spitze auf Medienberichte über das Zerwürfnis reagiere. Man könne nicht "ernsthaft" die Darstellung stehen lassen, dass vor allem die Elternzeit von Barbara Hans Auslöser für die aktuelle Krise sei. Zudem stelle sich die Frage, "warum das Haus gefühlt alle zwei Jahre einen Prozess der Selbstzerfleischung benötige", um strategisch wichtige Veränderungen durchzuführen.

Auch nachdem der Abschied am Dienstag bekanntwurde, äußerten Mitglieder der Redaktion ihr Bedauern. Barbara Hans, seit Dienstag 40, gilt als Chefin, die auch in brisanten Nachrichtenlagen "Ruhe und Gelassenheit in Konferenzen" bringt, das Medium Magazin hatte ihr 2017 den Titel "Chefredakteurin des Jahres" verliehen. Sie selbst schrieb nun in einer Mail an die Belegschaft, sie sei in ihren 16 Jahren beim Spiegel "an den allermeisten der über 3000 Tage gern zur Arbeit gegangen".

Im Branchenmagazin Journalist hatte Barbara Hans vier Monate zuvor recht treffend zusammengefasst, "das Personalroulette vieler Verlage" sei Ausdruck einer "teils erratischen Suche nach Lösungen, die Personen zu Problemen erklärt und in der Folge auf der Stelle tritt".

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