Bams-Reporter im Iran verhaftet:Wie geht es den Geiseln des Staates?

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Fall Deutschland: Zwei Reporter der "Bild am Sonntag" werden seit sieben Wochen in Iran festgehalten. Wie es ihnen geht, weiß keiner.

Marc Felix Serrao

Es geschieht nicht oft, dass eine Zeitung Nachrichten in eigener Sache veröffentlicht. Meist nur in wichtigen Personalfragen, bei groben Fehlern - oder in Notfällen. Bei der Bild am Sonntag (BamS) gibt es seit sieben Wochen einen Notfall. Zwei ihrer Journalisten, ein Reporter und ein Fotograf, wurden am 10. Oktober in der nordiranischen Stadt Täbris festgenommen. Seither sitzen sie fest. Von einem transparenten Strafverfahren, mit Zugang zu Anwälten oder Kontakt zu Angehörigen, kann bis heute keine Rede sein.

Seit Wochen weiß niemand so genau, wie es den beiden Bams-Reportern eigentlich geht. (Foto: N/A)

"Geburtstagsgruß in eine Zelle im Iran", titelte die BamS nun. Daneben sah man eine selbst gemachte Glückwunschkarte der Tochter eines der Männer. Er ist am Freitag 45 Jahre alt geworden. Doch Kontakt zu seiner Familie, so die BamS, habe es auch an diesem Tag nicht gegeben. Es war bereits der zweite Bericht der Zeitung über die missliche Lage der eigenen Leute. Am Sonntag zuvor stand auf der Titelseite ein Kommentar des Chefredakteurs Walter Mayer, in dem die Freilassung der Journalisten gefordert wurde. Die Männer waren beim Versuch, mit dem Sohn der wegen Ehebruchs zum Tode verurteilten Iranerin Sakine Mohammadi Aschtiani ein Interview zu führen, festgenommen worden.

Mit dem Protest hat die BamS ihre Strategie um 180 Grad gedreht. In den Wochen zuvor hatte der Springer-Verlag, der das Blatt herausgibt, keinen Mucks von sich gegeben. Das Haus setzte auf stille Diplomatie und bat auch andere Medien um Verschwiegenheit. Dann kam der 15. November. An dem Tag wurden die BamS-Männer im iranischen Fernsehen vorgeführt; ein Staatsanwalt erklärte, sie seien "ganz gewiss Spione". Die Journalisten waren offenbar nur mit Touristen-Visa unterwegs - was in totalitären Ländern allerdings kein Einzelfall ist; mitunter müssen sich Reporter tarnen, um sich und Kontaktpersonen nicht zu gefährden.

Der iranische Fernsehbericht war für Springer Anlass, das Schweigen zu brechen. "Wie Geiseln" habe die Justiz seine Leute zur Schau gestellt, klagte Chefredakteur Mayer. Springer-Vorstandschef Mathias Döpfner appellierte in der Welt an westliche Demokratien, Regimes wie Iran offensiver entgegenzutreten. Auch der Deutsche Journalisten-Verband und die Hilfsorganisation Reporter ohne Grenzen protestierten. Bislang ohne Folgen.

So undurchsichtig die verschiedenen, sich gegenseitig belauernden Machtblöcke in Iran sind, so schwer lässt sich beantworten, was in solchen Fällen die beste Strategie ist. Hilft der öffentliche Protest, ist er folgenlos? Oder bewirkt er in Teheran womöglich das Gegenteil dessen, was aus deutscher Sicht wünschenswert wäre: Einigelung, Trotz, Abwehr?

Anlass zur Sorge gibt ein Zitat von Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP), der - allerdings schon vor dem ersten BamS-Bericht - "angemessene Haftbedingungen" für die beiden Journalisten gefordert hatte. Bei Vorstandschef Döpfner war dann von Einzelzellen ("wir wissen nicht einmal, wo") die Rede. Als gesichert gilt, dass die Unterbringung der Männer in keiner Weise mit deutschen Haftverhältnissen vergleichbar ist. Die beiden Journalisten stehen offenkundig unter enormem physischen und psychischen Stress.

Er habe "aktuell keine Erkenntnisse darüber", wie es den zwei Inhaftierten gehe, sagt Michael Backhaus, stellvertretender Chefredakteur der BamS. Seine Redaktion habe keinen direkten Kontakt zu ihnen. Das Medium ist, wie fast immer in solchen Fällen, auf das Verhandlungsgeschick der Regierung angewiesen. "Das Auswärtige Amt und der Bundesaußenminister tun alles in ihrer Macht stehende, um eine möglichst rasche Rückkehr unserer Reporter zu erreichen", lobt Backhaus.

Sein Verlag werde in jedem Fall dafür sorgen, dass die Forderung nach der Freilassung "auf der Tagesordnung" bleibe. Beim Auswärtigen Amt in Berlin wollte man auf Anfrage zu Details der Affäre keine Stellung nehmen. "Wir arbeiten weiter intensiv an einer möglichst raschen Lösung des Falles", erklärte ein Sprecher knapp.

Fragen nach etwaigen eigenen Versäumnissen - Stichwort Touristen-Visa - weist BamS-Vize Backhaus zurück: "Zu Einzelheiten des Falles und insbesondere zu den Vorwürfen, die der Iran gegen unsere Kollegen erhebt, werden wir uns frühestens dann äußern, wenn sie wieder frei und in Deutschland sind." Das gebiete die Fairness gegenüber den Betroffenen, die sich dazu selbst nicht äußern könnten.

Sein Blatt hoffe, den Fall zusammen mit dem Auswärtigen Amt "noch vor Weihnachten zu einem guten Ende zu bringen", sagt Backhaus. Er setzt dabei auf überkonfessionelle Einsicht: "Unsere Hoffnung stützt sich nicht zuletzt darauf, dass Jesus Christus auch in der islamischen Religion eine wichtige Rolle spielt."

© SZ vom 30.11.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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