Süddeutsche Zeitung

"Bambi"-Verleihung:Zwischen Gestrigkeit und Peinlichkeit

Die Macher der Bambi-Gala wollen ihr mehr Belang verleihen - und scheitern dabei kläglich.

TV-Kritik von Hans Hoff

Irgendwann kommt Günther Oettinger auf die Bühne und hält eine Lobrede auf die Königin von Belgien, die ausgezeichnet wird für ihr Charity-Engagement. Das aber gerät kurz in den Hintergrund, weil die zugehörige Laudatio des EU-Kommissars das Zeug hat, Edmund Stoibers berühmter Transrapid-Rede in Sachen Unverständlichkeit und sprachlicher Konfusion den Rang abzulaufen.

Obwohl er Deutsch spricht, ist Oettingers Stammelei kaum zu verstehen und wirkt, als versuche da jemand, eine neue lustige Sprache zu erfinden. Da ist der Comedy-Award aber schon vergeben bei der Bambi-Verleihung in Baden-Baden. Bekommen hat ihn nicht Oettinger, sondern der Komiker Chris Tall, der sich für die Trophäe bedankte, indem er unzählig oft "Penis" sagte. Das sollte lustig sein, weil man ihm das angeblich vorher verboten hatte und er sich trotzdem traute, "Penis" zu sagen. Den Preis für "Mut" bekam an diesem Abend aber dann Nadia Murad, die Friedensnobelpreisträgerin, die sich dafür einsetzt, dass IS-Verbrecher bestraft werden für ihre Taten.

Diese Zusammenstellung aus einer über dreistündigen Veranstaltung am Donnerstagabend zeigt sehr gut, in welchem Dilemma die Bambi-Verleiher gerade stecken, welche Bandbreite sie abbilden wollen und wie sie dabei scheitern. Sehr offensichtlich will man der Bambi-Gala mehr Belang verleihen, will sich verantwortlich zeigen. Umwelt, Jugend und Zukunft lauten da nur einige Schlagwörter. Dementsprechend bekommt nicht nur Nadia Murad ein Bambi, ausgezeichnet wird auch ein Orang-Utan-Retter. Zehn Erasmus-Studenten dürfen von Ursula von der Leyen ein Bambi für Europa entgegennehmen und es gleich wieder an die EU-Kommissionspräsidentin abgeben, auf dass die es in Brüssel aufbewahre. Dann sind da noch engagierte Schüler und stille Helfer, die Eltern von pflegebedürftigen Kindern etwas Erholung verschaffen, und die belgische Königin, die sich für Kinder einsetzt.

Das ist alles höchst ehrenhaft und nimmt großen Raum ein bei der mit vielen peinlichen Pausen und sehr diffusen Schnittbildern nicht gerade perfekt inszenierten Show. Es stellt aber gleichzeitig all die Glitzer- und Glamourpreisträger aus Film und Fernsehen in den Schatten, all die Max Giesingers, Sarah Connors und Shirin Davids, die ihr Geld mit dem Vortäuschen von Gefühlen verdienen. Natürlich fallen auch bedeutende Namen. Frank Elstner wird überraschend fürs Lebenswerk geehrt. Gaby Dohm, Uschi Glas und Michaela May erhalten fürs Immer-schon-da-sein einen Ehrenpreis.

Und dann sind da noch die ganz großen Namen, die aus dem Ausland, die Internationalität vortäuschen sollen. Mick Hucknall von Simply Red wird, obwohl er nicht mal 60 Jahre alt ist, als "Legende" eingeführt. Auch die Schauspielerin Naomi Watts kriegt ein Bambi, muss aber hinnehmen, dass sie wie andere Geehrte auch von den Ausrichtern in der Kategorie "starke Frauen" abgelegt wird.

Es ist nicht nur diese unglaubliche Gestrigkeit im Ausdruck, die dem Preis das Genick bricht, es ist vor allem die Unfähigkeit, die Diskrepanz zwischen ehrlichen Anliegen und dem ganzen Total-Egal-Glitzerkram aus TV und Tralala zu überbrücken. Also zwischen Menschen, die sich wirklich einsetzen für ein Anliegen und solchen, die meinen, ihr Job sei getan, wenn sie "Penis" sagen.

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