Neuer Promi-Sender "E!":Von den Schönen und Wichtigen

Während am Abend in der ARD der "Bambi" verliehen wurde, war ein Sender stolz darauf, näher dran zu sein als alle anderen: "E!"-Entertainment sendet schon seit Jahren 24 Stunden am Tag Promi-News aus Hollywood - nun auch aus Deutschland. Warum nur?

Ruth Schneeberger

Es gibt Dinge auf dieser unserer Welt, gegen die ist man machtlos. Dass zum Beispiel der Großteil der Online-User sich eher für gutaussehende junge Damen interessiert als für den aktuellen Schach-Weltmeister oder den Literatur-Nobelpreis. Man kann das gut finden oder schlecht, aber man kann wenig daran ändern.

Bambi: E! Entertainment - Alexandra Polizin moderiert

Alexandra Polzin moderierte am Bambi-Abend ein neues Format für den neu ausgerichteten Promi-Pay-TV-Sender "E!-Entertainment".

(Foto: E!)

Bei Fernsehzuschauern ist das ähnlich, und so war es nur eine Frage der Zeit, bis es auch in Deutschland einen eigenen Sender geben würde, der 24 Stunden am Tag ausschließlich von Prominenz berichtet. Es ist zwar noch Pay-TV, also ausschließlich zahlender Kundschaft vorbehalten, aber mit dem Sender E!-Entertainment gibt es ihn bereits, den Rund-um-die-Uhr-sorglos-Promi-Sender, und seine Macher sind stolz darauf, verkünden zu dürfen, dass kein anderer Sender weltweit so viele und so unmittelbare Star-News habe.

Der Sender ist Teil von NBC Universal aus New York und sendete bisher hauptsächlich aus Hollywood. In Deutschland empfangen etwa 15 Prozent der Fernseh-Haushalte Pay-TV, "E!" ist einer von 40 Sendern, die für monatlich rund zwölf Euro im Gesamtpaket empfangen werden können.

Mit der Bambi-Verleihung an diesem Donnerstagabend in Wiesbaden ändert der Sender nun sein Gesicht: "E!" Deutschland hat sich in den vergangenen Wochen einem "Relaunch" unterworfen, zehn neue Mitarbeiter eingestellt, von denen die eine Hälfte in Los Angeles, die andere Hälfte in München arbeitet. In den nächsten Tagen wird es dort eine Bambi-Nachberichterstattung geben, die sich auf die deutschen Promis stürzt.

Neben Hollywoodschauspielerin Gwyneth Paltrow ehrte der von Bunte-Chefin Patricia Riekel und dem Burda-Verlag kuratierte Medienpreis "Bambi" unter anderem die deutsche Schauspielerin Ruth Maria Kubitschek für ihr Lebenswerk und Rapper Bushido für "gelungene Integration". Für den Red-Carpet-Sender "E!" sind allerdings nicht nur die Preisträger, sondern alle Menschen interessant, die sich an diesem Abend vor den Kameras und an anderen Abenden vor anderen Kameras tummeln. Wiederum ist man stolz darauf zu verkünden, näher dran am Geschehen zu sein als alle anderen Sender - hier gibt es eben keine anderen als Promi-News, die diesen Fokus stören könnten.

Und das ist nur der Auftakt zu einer Umstrukturierung des Senders, der sich fortan in Deutschland von München aus der heimatlichen Promi-Landschaft widmen will. Wo auch immer ein roter Teppich ausgebreitet, von Highheels betreten und von Blitzlichtgewitter erleuchtet wird: "E!" ist dabei, mit seiner neuen deutschen Eigenproduktion "Fulminant" - wenn der Prominentheitsgrad den Senderverantwortlichen zur Genüge reicht. Das dürfte allerdings nicht allzu schwer fallen.

Sieht man sich das bisherige Programm des Unterhaltungssenders an, so waren es längst nicht nur echte "Stars", die dort rund um die Uhr ihr gebleachtes Lächeln in die Kameras halten, sondern - und es steht zu vermuten, dass dies einen Teil des Erfolgs ausmacht - auch viele, die es gerne sein würden, und die der Sender zu Sternchen aufbaut.

Kim Kardashian und der Millionen-Deal

Die Reality-Soap "Keeping up with the Kardashians" ist das beste Beispiel für ein Format, das die Welt nicht braucht, der Sender aber schon: Die Serie dreht sich um eine kalifornische Familie mit sechs Kindern, von denen die älteste Tochter Kim, 31, neben ihrem hübschen Gesicht vor allem für ein Körperteil in den US-Medien bekannt ist: ihren Po. Rund um dieses Faszinosum rankt sich zwar keinerlei übergeordnete Handlung, wohl aber das Wissen, dass aufgrund Kims Strahlkraft auch alle anderen Familienmitglieder im Fokus der Boulevardmedien-Öffentlichkeit stehen.

Kim Kardashian Launches Handbags In Sydney

Kim Kardashian (l.) und ihre Schwester Khloe beim Zelebrieren ihrer Berühmtheit.

(Foto: Getty Images)

Und so hält die Kamera in der Pseudo-Doku drauf, wenn Kim mal keine Lust hat, zur Arbeit zu gehen (modeln) oder die ewig meckernde Schwester Khloe den Freund ihrer Schwester Kourtney vor der Familie niedermacht. Ob das alles Vater Rob Kardashian, seines Zeichens Promi-Anwalt, gefallen hätte, ist nicht mehr zu eruieren. Der Verteidiger von O. J. Simpson ist 2003 verstorben. Doch Mutter Kris hat einen neuen Lebensgefährten, und der ehemalige Gewinner der Goldmedaille im Zehnkampf bei den Olympischen Sommerspielen 1976 in Montreal, Bruce Jenner, ist nun ebenfalls Teil des öffentlichen Familien-Reigens. Was, alles zusammengenommen, einen Teil des Wohlstands ausmachen dürfte, den die Familie in der Sendung offenbart. Ständig werden neue Immobilien besichtigt und mordsteure Hochzeiten geplant.

Den größten Teil ihrer Einnahmen verdankt die Familie aber wohl ihrer Vermarktung, unter anderem über "E!"-Entertainment: Allein die Hochzeit von Kim mit Basketballer Kris Humphries soll zehn Millionen Euro gekostet haben - weltweit sollen rund zehn Millionen Menschen dabei zugesehen haben. Dass die Ehe nicht lange hielt, genau genommen 72 Tage, bevor Kim Kardashian vor den Augen der Öffentlichkeit die Scheidung einreichte (und das, obwohl der Vorname "Kris" sich bestens in das Initial-orientierte Familien-Imperium eingefügt hätte), dürfte dem Business ebenfalls nicht unbedingt abträglich sein: The Show must go on. Medien solcher Art reißen sich inzwischen um sämtliche "News", die aus dieser Ecke zu bekommen sind - und da die Kardashians wesentlich großzügiger mit Familieninterna umgehen als beispielsweise die englische Königsfamilie, sind es "Promis" wie diese, auf die sich der Teil der Weltöffentlichkeit nun zunehmend stürzt, der sich für sowas interessiert.

Wohlgemerkt: Weder Königin Kim noch ihre Schwestern noch sonst jemand aus der Serie (außer dem Stiefvater, der aber in der Show eine eher untergeordnete Rolle spielt) hat jemals etwas für seine Prominenz getan - außer sie öffentlich zu zelebrieren. Auch das macht wohl einen Teil ihrer Anziehungskraft aus.

Sternchen und Selbstreflektion

Sender Relaunch 'E! Entertainment'

"It-Girl" Daniela Katzenberger beim Sender-Relaunch-Empfang von "E!-Entertainment" im Prinz Alfons Palais in München.

(Foto: dpa)

Ob sich ein ähnlich vermarktbarer Familien-Clan in Deutschland finden lässt, darf bezweifelt werden, sicher ist jedoch: Wenn ihn einer sucht, dann ist es "E!". Halbseidene Prominenz a la Daniela Katzenberger war schon auf dem Relaunch-Empfang des Senders in einer Münchner Villa zu bewundern, das neue Sendergesicht, mit dem "E!" in Zukunft in deutschen Landen auf Promi-Fang gehen und ein deutsches Format entwickeln will, wurde lange "geheim gehalten" und am Dienstag bekannt gegeben: Alexandra Polzin, "bekannt aus diversen Premiere- und RTL Group-Formaten", moderierte bei der Bambi-Verleihung die erste Episode von "Fulminant" und interviewte Lady Gaga.

Natürlich ist auch hier nicht alles nur trashig, so finden sich im Programm des Senders auch Formate wie "Chelsea Lately", eine Art David-Letterman in weiblich, die mit teils trockenem, teils albernem, teils aber auch intelligentem Humor auf die Welt der Promis losgeht. Auch die Sendung "Fashion Police" mit Joan Rivers und Kelly Osbourne verspricht durchaus Entertainment-Qualitäten.

"Ich freue mich, dass wir jetzt endlich einen Frauensender haben", lässt sich NBC-Universal-Chefin Katharina Behrends vom Medien-Dienst kress zitieren. Sie ist verantwortlich für "E!" - neben den Spartensendern The Biography Channel und 13th Street, einem Thriller-Sender. Letzterer hat laut Senderangaben rund 4,5 Millionen Zuschauer - ein Wert, den auch der Promi-Sender demnächst erreichen will, der im Moment noch rund 2,2 Millionen deutsche Zuschauer zählt.

Die Geschäftsführerin ist guter Dinge, was die Marktkompatibilät des neuen Formats und der neuen Ausrichtung angeht: Man spreche ja eigentlich schon gar nicht mehr über den Unterschied zwischen Pay- und Free-TV, weil inzwischen jeder Zugang Geld koste. Und der eigene Sender liege jetzt schon deutlich über "einigen exotischen Free-Sendern". Was mit der Neuausrichtung und der "nicht unerheblichen Investition" in den Umbau noch erheblich befördert werden soll.

Was oder wen auch immer der Promi-Sender in den nächsten Jahren zu deutschen Sternchen ab- oder aufbauen wird, eins ist jetzt schon sicher: Schach-Weltmeister oder Literatur-Nobelpreisträgerinnen werden nicht darunter sein. Fragt man Behrends nach dem Umgang mit Kritik in Bezug auf den Vorwurf einer gewissen Oberflächlichkeit, was die Senderinhalte angeht, entgegnet sie: Sie verstehe die Frage nicht. Das sei doch eine sehr deutsche Debatte, die in England oder Frankreich so nie geführt werde. Und sie sagt den wunderbar zweideutig aufzufassenden Satz: "Das Schöne im Leben ist doch nicht immer das Wichtigste."

Sehnsucht nach Stars und Hollywood habe es "schon immer" gegeben, "wir bedienen diese Sehnsucht". Und der Zuschauer messe sich an diesen Stars, indem er sie entweder bewundere - oder ablehne. "Das ist", so Behrends, "Selbstreflektion".

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: