Bambi-Verleihung:Reh-Vue für Sophia Loren

Bambi-Verleihung: Ohne Sophia Loren und Thomas Gottschalk wäre die Bambi-Verleihung nicht halb so irre bedeutend, wie sie natürlich ist.

Ohne Sophia Loren und Thomas Gottschalk wäre die Bambi-Verleihung nicht halb so irre bedeutend, wie sie natürlich ist.

(Foto: AFP)

Die Schauspielerin hat schon acht der Auszeichnungen und ist trotzdem da. Einfach so. Kurze Zeit spannend und leidlich witzig wird es eher zufällig, als Penélope Cruz geehrt wird.

TV-Kritik von Hans Hoff

Man kann es nicht oft genug sagen. Der oder das Bambi ist quasi nicht nur die erste Transgender-Auszeichnung, weil Volkes Mund, was das goldene Reh angeht, sich selten in Sachen Geschlechtlichkeit entscheiden kann und mal "der" Bambi und mal "das" Bambi sagt. Der oder das Bambi ist vor allem Deutschlands bedeutendster Medienpreis. Man muss das immer wieder sagen, weil es ja sonst keiner sagt. Außer den Veranstaltern selbst natürlich, die diese Preisverleihung jedes Jahr als gefühlt zehnstündigen Gähn-Versuch inszenieren und dabei immer wieder betonen, wie bedeutend das alles ist.

Da werden seit nunmehr 70 Jahren lauter putzige Reh-Trophäen unters versammelte Promivolk gebracht, und immer sitzen Hubert Burda und Helmut Markwort mit jeweiliger Gattin so, dass die Kameras sie möglichst oft abgreifen und als Zwischenschnitt präsentieren können. Das ist wichtig, denn nur wenn die beiden Herren vom veranstaltenden Burda-Verlag anwesend sind, ist der Medienpreis der bedeutendste. Oder umgekehrt.

Das goldige Reh selber fällt dagegen schon sehr ab. Das liegt ein bisschen auch daran, dass es so wirkt, als habe fast jeder im Saal schon mindestens ein Bambi. Oder eben mehrere. Sophia Loren, die große Dame nicht nur des italienischen Kinos, hat schon acht und ist trotzdem da. Einfach so. Gemeinsam mit dem brandgebeutelten Thomas Gottschalk ("Es gibt Dates, die sagt man nicht ab, auch wenn die Hütte brennt") kommt sie auf die Bühne, und genau in diesem Moment versagt ihre Übersetzerstimme im Ohr. Darüber entspinnt sich ein leidlich witziger Gaga-Dialog, in dem Gottschalk irgendwas daher brabbelt, in dem es aber um nichts geht, weil es im Falle von Sophia Loren ja ohnehin reicht, wenn sie einfach nur da ist. So etwas krönt jede Veranstaltung, selbst den bedeutendsten Medienpreis Deutschlands.

Also werden der Schauspielerin die eigenen Erfolge nochmal als Reh-Vue vor Augen geführt, allerdings etwas uncharmant von Gottschalk anmoderiert. "Jetzt zeigen wir den Film, wo wir sehen, dass Sophia schon viel länger unterwegs ist als ich", sagt er flapsig, aber sie nimmt ihm das nicht übel und schaut fasziniert die Rückblende an und versucht, ihre Bambis zu identifizieren. "Das ist der fünfte oder der achte Bambi oder der erste, ich weiß es gar nicht", sagt sie.

Ja, der erste oder der fünfte oder der achte. Egal. Ist schließlich auch wurscht. Man weiß schließlich ohnehin, dass stets derjenige einen Bambi bekommt, der hinreichend prominent und am Abend der Verleihung gerade verfügbar ist. Rod Stewart sollte eigentlich als Legende geehrt werden, aber dann hat das alte Reibeisen sich was gezerrt beim Sport und konnte nicht erscheinen in Berlin. Kriegt er halt kein Bambi. So brutal können sie auch sein bei Burda.

"Der Abend lief ganz gut, bis ich kam"

Dafür gehen an diesem Abend Bambis an Paula Beer ("Bad Banks"), Sebastian Koch ("Werk ohne Autor") und an das Team von "Babylon Berlin". Der ESC-Vierte Michael Schulte darf von Udo Lindenberg ("Is cool") den Publikums-Bambi entgegennehmen und Dua Lipa in der Kategorie Musik international. Mark Forster ("Den schenk ich meiner Mama") überzeugt mit seiner typischen gutgelaunten Markforsterhaftigkeit. Als Luke Mockridge sein Bambi entgegennimmt, hat der bereits eine Verwendung dafür. "Der Ochse in unserer Weihnachtskrippe ist kaputt gegangen, und der Bambi wird da jetzt jedes Jahr stehen", sagt er. Komiker halt.

Kurze Zeit spannend und leidlich witzig wird es eher zufällig, als Penélope Cruz geehrt werden soll, weil sie gerade da und sowieso immer toll ist. Die Laudatio soll der Schauspieler Edin Hasanović halten und fein vom Teleprompter ablesen. Aber das Anzeigegerät versagt genau in dem Moment, da Hasanović auf die Bühne kommt, den Dienst. "Der Abend lief ganz gut, bis ich kam", sagt der Alleingelassene und macht dann so charmant das Beste aus seinem Nichtwissen, dass die Belobigte gar nicht anders kann als seinen Vortrag durch ihr schönstes Lächeln zu adeln. So etwas kennt man sonst nicht vom Bambi, der ja, man kann das nicht oft genug sagen, der bedeutendste Medienpreis Deutschlands ist. Hier könnte ein Zwischenschnitt auf Hubert Burda passen.

Es sind die Pannen, die in Erinnerung bleiben

An diesem Abend sind es vor allem die Pannen, die in Erinnerung bleiben werden. Die von Gottschalk und Loren, die von Hasanović und dann noch der Moment, als Marie Bäumer voreilig denkt, sie solle sich vorne bei Laudator Heino Ferch ein Bambi als beste Schauspielerin abholen. Sie steht auf und eilt zur Bühne, wird aber zurückgepfiffen. "Marie, Marie", sagt Heino Ferch tadelnd, bevor jemand anderes den Preis bekommt. In dem Moment weiß Bäumer, was sie in den nächsten Jahren bei Talkshoweinladungen immer wieder zu sehen bekommen wird.

Dabei geht es für langjährig gestählte Bambi-Beobachter ohnehin nicht um die Preise, sondern vor allem um die Zwischenschnitte während der Übertragung des (Achtung: Zwischenschnitt auf Hubert Burda) bedeutendsten deutschen Medienpreises. Zwischenschnitte sind jene Momente, in denen die Kamera während einer Musik oder während einer Rede kurz ins Publikum hält. Dann gilt es, just in diesem winzigen Moment nicht allzu dämlich dreinzublicken. Schaffen nicht viele.

Moderator Jochen Schropp etwa liefert bei der Rede eines ausgezeichneten Umweltretters ein Zwischenschnitt-Stillleben, das auf Jahre als Paradebeispiel für komplette Ausdruckslosigkeit durchgehen dürfte. Bemerkenswert erscheint auch das Zwischenschnittverhalten von Christian Lindner, der während der engagierten Rede des prämierten Naturfotografen Sebastian Copeland im Zwischenschnitt keine Hand rührt, obwohl drum herum alle klatschen. Wahrscheinlich weil Copeland kurz zuvor die Räumung des Hambacher Forsts, der auch von der FDP unterstützt wird, als Unsinn bezeichnet hat.

Die Show endet - elf Minuten früher als geplant

Dabei passt Unsinn doch ganz prima zum bedeutendsten deutschen Medienpreis, weil sich mit Unsinn so wunderbar beschreiben lässt, wie egal die Preisverleihung eigentlich ist. Demonstrieren kann man das schön in der Kategorie Sport. In der sollten eigentlich die Fußballer Franck Ribéry und Arjen Robben gemeinsam ausgezeichnet werden, aber weil Ribéry die Woche zuvor durch ein aggressives Handspiel abseits des Platzes in die Schlagzeilen geraten war, entschied sich die Jury kurzerhand um und zauberte als Alternative Claudio Pizarro aus dem Hut.

Man ist bei Bambis inzwischen vorsichtiger geworden mit voreiligen Auszeichnungen an nicht komplett berechenbare Protagonisten. Noch immer klingt der Hohn nach, der sich 2011 über die Preisausrichter ergoss, als sich auch ihnen nach der Preisverleihung offenbarte, was jeder außerhalb des Burda-Verlages schon vorher wusste, dass nämlich der Rapper Bushido möglicherweise nicht der beste Preisträger in der Kategorie Integration ist.

Den Rest des Abends bestreiten wie üblich viel zu steife Laudatoren, lieblos runtergenudelte Musikbeiträge und meist zu lange Dankesreden. Die Ausnahme bildet da normalerweise die Auszeichnung fürs Lebenswerk. Die geht in diesem Jahr an Liselotte Pulver, und in der Regel berichten die Geehrten dann ausführlich von früheren Tagen. Nicht so die 89-jährige Schauspielerin. Die nimmt sich angenehm zurück, sagt freundlich danke, und dann ist sie auch schon wieder von der Bühne.

Damit haben sie nicht gerechnet, dass ihnen am Ende die Stars ausgehen und sie niemanden mehr haben, dem sie ein Bambi andrehen können, diesen, man kann das gar nicht oft genug betonen, bedeutendsten deutschen Medienpreis. Ganze elf Minuten vor dem vereinbarten Sendeschluss ist die Show vorbei. Zack. Fertig. Aus. Gottseidank sind sie bei den "Tagesthemen" fix und gehen früher auf Sendung.

Elf Minuten waren am Ende übrig, wurden quasi verschwendet. Wie oft hätte man in diesen elf Minuten noch Hubert Burda und Helmut Markwort einblenden können. Beim bedeutendsten Medienpreis Deutschlands.

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