Süddeutsche Zeitung

Hörspiel "B. Traven":Tarnen und täuschen

Der Schriftsteller B. Traven hat aus seiner Identität ein Rätsel gemacht. Das soll auch in Frédéric Sonntags Hörspiel über ihn so bleiben. Denn umso mehr Raum bleibt der Fantasie.

Von Stefan Fischer

Wer nicht riskieren möchte, belogen zu werden, dürfe keine Fragen stellen. Denn jede Antwort berge die Gefahr der Täuschung. So zitiert der französische Dramatiker Frédéric Sonntag den Schriftsteller B. Traven in seinem Hörspiel B. Traven, das Christiane Ohaus mit einem spielfreudigen Ensemble inszeniert hat. Dieser abgekürzte Name ist ein Pseudonym, Traven hat zeitlebens ein Geheimnis um seine Identität gemacht. So viel scheint sicher, dass er Anfang der 1880er in Niederschlesien geboren worden ist und ab den 1920ern überwiegend in Mexiko gelebt hat. Dort spielen auch die meisten seiner literarischen Texte. Es habe Traven, so das Fazit von Sonntags als Biografie getarnter Fantasterei, wohl schlicht Vergnügen bereitet, die Menschen an der Nase herumzuführen.

Frédéric Sonntag und Christiane Ohaus lassen sich darauf in B. Traven bereitwillig ein. Es geht in dem Hörspiel nicht darum, irgendwelchen Wahrheiten um die Person dieses Autors, dessen berühmtester Roman Das Totenschiff ist, näher zu kommen. Das Stück bleibt mitunter sogar bewusst hinter dem aktuellen Kenntnisstand der biografischen und literaturwissenschaftlichen Forschung zurück.

Denn Traven soll hier nicht enträtselt werden, sondern endgültig selbst zu einer literarischen Figur werden mit wechselnden Identitäten und verschiedenen Rollen: Der Romancier ist auch Drehbuchautor und Journalist, Revolutionär und Anarchist, er gibt sich unter einem Decknamen als Agent und Bearbeiter seines eigenen Werkes aus. Mal heißt er Traven, mal Ret Marut, mal Hal Croves. Vieles davon gilt als biografisch gesichert oder zumindest plausibel und einigermaßen wahrscheinlich. Sonntag bedient sich frei bei Fakten und Vermutungen und spannt einen erzählerischen Bogen vom Ersten Weltkrieg bis in die Finanzkrise des Jahres 2009 - da war Traven bereits seit 40 Jahren tot.

So ist B. Traven eine übermütige Räuberpistole, die mal in Mexiko, mal in den USA und dann wieder in Europa spielt. Oft geht es um politische und kulturelle Wirren - anregende Ungewissheit also auf allen Ebenen. Als Bonusmaterial stellt der NDR Ernst Schnabels Hörspielinszenierung von Das Totenschiff aus dem Jahr 1946 in der Audiothek zur Verfügung.

B. Traven, NDR Kultur, 22. Dezember 2021, 20 Uhr.

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