Süddeutsche Zeitung

Axel Springer und der BND:Eine Spitzel-Geschichte

"Bild" dokumentiert, wie Axel Springer vom BND ausgespäht wurde. Der Nachrichtendienst darf nicht im Inland spionieren - aber da ist noch mehr.

Von Willi Winkler

Kaum sind sechzehn Jahre vergangen, kann auch Bild einer sich die Augen reibenden Weltöffentlichkeit melden, was Erich Schmidt-Eenboom bereits 1998 in seinem Buch "Undercover. Der BND und die deutschen Journalisten" bekannt gemacht hat: dass ein gewisser Dr. Horst Mahnke unter dem Decknamen "Klostermann" für den Bundesnachrichtendienst spionierte.

Als Auslandsaufklärung darf der BND nicht im Inland spionieren, doch das eigentliche Sakrileg scheint nach der Bild-Geschichte vom Samstag darin zu bestehen, dass Axel Springer ausgespäht wurde. Anders jedoch als die Bild-Rechercheure behaupten, taucht Mahnkes Name nicht erst 1958 in den Akten auf, sondern mindestens sieben Jahre früher.

Erfreut wird am 22. März 1951 bei der Organisation Gehlen, aus der 1956 der BND wurde, in einer Notiz festgehalten: "Wir stehen seit geraumer Zeit mit Dr. Mahnke in angenehmer Zusammenarbeit." Die war nicht nur angenehm, sondern nützlich. Gehlens "Org." verfügte über genügend ehemalige SS-Leute, um alte Kameraden anzusprechen. SS-Hauptsturmführer Mahnke, Assistent des "Gegnerforschers" Franz Alfred Six und 1941 mit dabei im "Vorkommando Moskau", das Bolschewisten erschießen sollte, wurde 1945 drei Jahre interniert und von den Engländern so schlimm verprügelt, dass er mit einer Geldstrafe von 400 Mark davonkam.

Für die Amerikaner blieb er "ein intelligenter und fanatischer Nazi. Sollte er einmal wieder freigelassen werden, ist er eine Gefahr für die politische Entwicklung in Deutschland." Für den vor Kurzem verstorbenen Hans Detlev Becker, lange leitender Redakteur und Geschäftsführer beim Spiegel, galt aber der Grundsatz: "Entnazifiziert war entnazifiziert." Mahnke wurde Ressortleiter.

Ob Mahnke tatsächlich entnazifiziert war, ist gar nicht so sicher. Seine eigenen und die von ihm seit 1950 inspirierten Spiegel-Artikel arbeiten mit üblen antisemitischen Klischees, und auch später kategorisiert er Kollegen gern als "Halbjuden". Mahnke wählt NPD. Beim BND rühmt man seine "vaterländische Gesinnung", in der er mit Axel Springer übereinstimmte. Nach langem Zögern wechselte Mahnke 1960 vom Spiegel zum Springer-Verlag.

Der BND darf nicht im Inland spionieren, aber da ist noch mehr

So erfreulich die Bild-Recherche ist, so peinlich wird die Personalie durch ein Dokument, das bild.de in diesem Zusammenhang veröffentlicht. Mahnke, so weiß es ein weiterer Informant, wolle "seinen Übertritt zum Springer-Verlag davon abhängig machen, dass er von Springer eine verbindliche Erklärung des Inhalts erhält, dass Springer ihn auf jeden Fall decken und halten wird, falls auch gegen ihn wegen seiner politischen Vergangenheit von irgendeiner Seite Bedenken geäußert werden". Das "auch" bezieht sich auf Paul Karl Schmidt, über den die Frankfurter Rundschau ein belastendes Dokument gebracht hatte. Schmidt, SS-Obersturmbannführer, hatte 1944 empfohlen, Anschlagspläne zu fingieren, um damit die Deportation der ungarischen Juden zu rechtfertigen.

Rainer Laabs, Leiter des Unternehmensarchivs bei Springer, weiß laut Bild von keinem solchen "Persilschein", aber die schützende Hand gab es zweifellos. Mahnke wurde einer der engsten Berater Springers und zog sogar, wie sich der Historiker Hans-Peter Schwarz in einer dem Verleger sehr gewogenen Biografie ausdrückt, "eine Art Spionageapparat" auf, mit dem er wie in alten Zeiten Freund und Feind ausspähte. Dass er als "Klostermann" auch über Interna des Hauses an den BND berichtete, war dabei fast unvermeidlich. Erst 1968, als Mahnkes Vorleben diskutiert wurde, empfahl Springers Vertrauter Ernst Cramer, den vielseitigen Kollegen "aus der Schusslinie zu nehmen". Mahnke wurde Hauptgeschäftsführer des Verbandes deutscher Zeitschriftenverleger und berichtete munter weiter an den BND. 1985 ist er gestorben.

Jedenfalls wäre es an der Zeit, die fromme Legende zu überprüfen, wonach Axel Springer zeitlebens nichts mehr bedrückt habe als der deutsche Judenmord. Das hinderte ihn nicht daran, wie der Spiegel, wie der Stern, auf rechte Kräfte zu bauen; SS kein Beschäftigungshindernis. Die Weltkriegs-Serien des erwähnten Paul Karl Schmidt, in der Springer-Illustrierten Kristall unter dem Kampfnamen Paul Carell veröffentlicht, kreierten die saubere Wehrmacht und brachten ebenso sauberes Geld ins Haus. Geschichte schrieb auch Mahnke. Drei Tage nach dem Mauerbau notierte er für seinen Chef Springer: "Wenn sich das deutsche Volk 1933 und 1945 einer Diktatur unterwarf und damit historische Schuld auf sich geladen hat, dann ist diese Schuld durch den 17. Juni [den Volksaufstand 1953 in der DDR] und den 13. August [1961] gesühnt." So geht Entnazifizierung.

Oder so, wie sie Paul Carell alias Dr. Schmidt betrieb. Bis zu seinem Tod 1997 führte der "Sicherheitschef" Springers Besuchern ein Foto vor, das ihn in Silber gefasst mit Adolf Hitler zeigte.

Noch sechs andere Quellen sollen bei Springer für den BND gesprudelt haben. 1969 ließ sich der famose Schmidt-Carell, ein regelmäßiger Besucher beim BND in Pullach, wegen seiner "sehr guten Informationslinien in den Springer-Konzern hinein" selber als Informant empfehlen, Deckname SCHAPER.

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version dieses Artikels hieß es, Horst Mahnke sei Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) gewesen. Dies ist nicht korrekt, Horst Mahnke war Hauptgeschäftsführer des Verbandes Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ), wir haben diesen Fehler korrigiert.

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SZ vom 24.11.2014/lala
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